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Satt ist Satt. Warum Kochen überbewertet ist

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Ganz ehrlich: Essen ist für mich nichts anderes als Nahrungsaufnahme und eine Überlebensnotwendigkeit, damit ich nicht tot umfalle. Zu essen ist für mich ungefähr so aufregend, wie mein Auto aufzutanken und deshalb verstehe ich einige Entwicklungen in Deutschland ganz gut. Andere weniger. Ich verstehe gut, warum immer mehr so genannte „nahrungsfremde“ Firmen im Gastronomie-Sektor Erfolge feiern, wie zum Beispiel Metro oder Ikea. Für jemanden wie mich ist das Angebot solcher Märkte nämlich nahezu perfekt: Ich kann zwei Dinge auf einmal machen: Einkaufen und noch kurz okay schmeckende Fleischklöße essen. Dabei komme ich billig weg und habe mehr Zeit für wichtige Dinge. Im Gegensatz zu echten Restaurants ist das Niveau immer gleich mittelmäßig bis schlecht, ich weiß, was ich bekomme und die Angestellten erwarten von mir nicht, dass ich so tue, als hätte ich beim Verzehr ihrer Speisen ein Erweckungserlebnis. Im Gegenteil – die sind froh, wenn ich möglichst schnell wieder draußen bin und Platz für neue Gäste mache. Was wiederum für mich heißt: ich bin wieder schneller da, wo ich eigentlich sein will.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wurst mit Geschmack: Curry gewürztes Fleisch mit Kartoffel-Beilage in frittierter Form. Foto: AP Klar weiß ich, dass das eigentlich kein Zustand ist und ich möglicherweise gar zu bedauern bin. Oft genug haben mich Freunde und Eltern belehrt, was für ein Genuss es sei, eine Speise selbst zuzubereiten und im Anschluss bei einem Glas Wein und angezündeter Kerze zu verspeisen. Und eine Zeit lang wollte ich an meiner Aversion gegen Kochen sogar arbeiten. Ich habe mir zwei Bücher gekauft, die angeblich auch aus blutigen Anfängern solide Köche machen und sie genau einmal durchgeblättert. Ich wäre fast an Langeweile zugrunde gegangen. Ich kann einigermaßen kochen, drei Rezepte sogar ohne Kochbuch, aber es macht mir einfach keinen Spaß. Dieses Geschneide und Geschäle und Gedünste und Gerühre, und vor allem das ewige Warten, bis irgendeine Zutat einen kaubaren Aggregatszustand angenommen hat. Dann noch Salz dazu und nach kaum einer Stunde kann ich mich hinsetzen und das im Schweiße meines Angesichts zubereitete Gericht innerhalb von fünf Minuten verzehren, während ich die Zeitung vom Vortag nach interessanten Geschichten durchblättere. Wenn ich dann auch noch den ganzen Müll abspülen und die Küche aufräumen soll, bin ich so erschöpft, dass ich mich sofort ins Bett legen muss. Das Ergebnis steht meines Erachtens in keinerlei Verhältnis zu dem Aufwand, den man betreiben muss. Und deshalb verstehe ich eine andere Entwicklung in Deutschland überhaupt nicht: dass nämlich Kochshows, das Langweiligste, was das Fernsehen heutzutage zu bieten hat, auf jedem verdammten Sender fröhliche Urstände feiern. Wann immer ich mir diese Dinger länger als eine Zapp-Sekunde anschaue, erstaunt mich wieder, wie so ein langweiliges Format so viel Erfolg haben kann. Ich frage mich, ob irgendein Mensch etwas lernt, außer, dass Fernsehköche schnell schneiden können und stark schmutzen. Und dass sie immer „schon etwas vorbereitet“ haben, was im echten Leben zwei Tage Einlegen oder drei Stunden sautieren bedeutet. Ich weiß selbstverständlich auch um die Vorteile von selbst zubereiteten Gerichten: man weiß, ob Popel drin sind, meist sind sie auch nahrhafter und gesünder und angeblich kann man mit Kochkünsten Menschen beeindrucken. Ich habe das noch nie versucht, weil es mich nicht interessiert, ob jemand gut Knoblauch schälen kann oder nicht. Interessanter finde ich, was derjenige denkt, macht und hört. Und das kann ich sehr viel besser erfahren, wenn ich mich auf den Menschen konzentrieren kann und der ganze Essens-Quatsch von anderen Menschen für mich erledigt wird.

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