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Schau an!
Und dann lacht er. Gerade laut genug, dass ich es hören kann, und noch mehr grinsen muss als vorher, denn: Das war ja genau die richtige Stelle im Film, um mittellaut zu lachen.
Auch sonst ist alles wunderbar: Wir teilen uns eine große Tüte Popcorn – außer beim Reingreifen berühren sich unsere Hände nicht. Er isst geräuschlos und so langsam, dass das Popcorn bis zur Mitte des Films reicht. Wenn es mal traurig wird auf der Leinwand, guckt er betroffen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Mehr als tausend Worte ...
Dann die letzte Szene. Wie wichtig es ist, während des Abspanns sitzen zu bleiben, um ganz sachte in die Realität zurückkehren zu können – sogar das scheint er zu wissen. Erst nachdem auch der Name der dritten Maskenbildnerin durchs Bild gelaufen ist, stehen wir auf. Und als wir dann in den Spätabend schlendern, durchbricht er das Schweigegelübde des Kinos mit einem, zum Beispiel jetzt, geistreich-sensiblen Kommentar:
„Mich haben die Bilder ganz schön mitgenommen – allein durch die beengenden Schauplätze hat der Regisseur die Unausweichlichkeit der Situation wahnsinnig gut entfaltet…“
Nur in etwas weniger manieriert vielleicht. Oder er sagt lieber gleich etwas Humorvolles – mal sehen. Wie mein perfektes erstes Kino-Date an dieser Stelle weitergeht, habe ich mir noch nicht überlegt. Auf jeden Fall wird es mit einem Spaziergang enden, bei dem wir an einen wunderbaren Film anknüpfen. Oder einfach über alles reden – außer langweilige Small-Talk-Themen. Wie schön!
Ich muss zugeben, dass bisher keines meiner Dates im Kino so romantisch war wie diese Vorstellung. Das hätten sie aber theoretisch sein können. Denn: Das Kino ist der beste Ort für ein erstes Date überhaupt. Nirgendwo anders kann man mit einem fast Fremden einen so tollen Abend verbringen und so viel über ihn erfahren. Falls Dating-Ratgeber oder Bekannte das Gegenteil behaupten, weil man sich im Kino ja nicht unterhalten könne, lügen sie. Oder haben keine Ahnung vom Leben.
Diaz und distanzloses Verhalten - große Worte braucht es da nicht mehr
Halt! Kurzer Einschub: Natürlich sind da die allzu offensichtlichen Fallstricke des Kinobesuchs – die Cameron-Diaz-Komödien, die sich der andere aussucht zum Beispiel. Und die Sache mit dem Händchenhalten. Klar. Der einzige Einwand, der Gewicht hat: Menschen, die im gedimmten Licht mutig werden. Menschen, die die Tatsache ausnutzen, dass man Annäherungsversuchen im Kino-Sessel ziemlich ausweglos ausgeliefert ist. Das ist besonders unangenehm, wenn es auf so einem Cameron-Diaz-Komödien-Date passiert. Aber auch dann ist es wenigstens sehr aussagekräftig. Man weiß, woran man ist. Diaz und distanzloses Verhalten – große Worte braucht es da nicht mehr.Und eben das ist ja der Zauber am Kino-Date: Nirgends sonst lässt sich die nonverbale Kommunikation besser beobachten. Man teilt mit seinem Nebensitzer etwas sehr Intimes – das Schicksal der Menschen auf der Leinwand, ihre Geheimnisse, ihre Marotten, ihre Nöte und Träume. Außerdem viele Lacher bei Filmen, die komisch sind. Wie jemand auf all das reagiert, sagt ziemlich viel - eigentlich ja fast alles - darüber, wie er tickt:
Was findet er witzig? Kann er Dinge traurig finden, die traurig sind? Schafft er es, 120 Minuten stillzuhalten und sich nervige Kommentare zu sparen? Kann er etwas mit den Dingen anfangen, die mich berühren? All das merkt man, wenn man diesen Jemand lachen hört. Oder schweigen.
Und natürlich im anschließenden Gespräch, in dem man sich zum Glück nicht vorwiegend erzählen lassen muss, in welchem Kaff der Paul aufgewachsen ist, oder wo der Stefan eigentlich sein Abi gemacht hat. Und wenn das erste Date so filmreif schön wird wie in meiner Vorstellung, und er oder sie an der richtigen Stelle lacht, aber nicht viel zu laut, dann ist so ein bisschen Händchen halten vielleicht ja doch ganz nett. Hinterher.
Text: daniela-gassmann - Foto: SaS/photocase.de