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"Fuck! Wo bin ich?"

Foto: Screenshot Jusos/Rheinland-Pfalz

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Es ist dunkel, es ist sehr kalt und sie ist sehr betrunken, als sie in der Nacht zum vergangenen Freitag am Mainzer Hauptbahnhof auf ihre Straßenbahn wartet. Sie, das ist eine Anfang 20-Jährige, die anonym bleiben möchte. Denn sie stieg um kurz vor vier Uhr morgens in keine Straßenbahn – sondern in einen Reisebus der Jusos Rheinland-Pfalz, der auf dem Weg zum Bundeskongress der Jusos nach Dresden war. 

Der Vorplatz des Mainzer Hauptbahnhofs ist auch nüchtern und bei Tageslicht nicht der übersichtlichste, es gibt jede Menge Bus- und Straßenbahn-Haltestellen. Und in Mainz verkehren auch schon mal Reisebusse als Linienbusse – das muss zur Verteidigung der Betrunkenen gesagt sein. Sie fiel der Reisegruppe auch erstmal nicht auf.

„Wir haben vor der Abreise durchgezählt und waren komplett“, erzählt Daniel Baldy, der Vorsitzende der Jusos Mainz-Bingen am Telefon. Im Bus, der in Saarbrücken losgefahren war und in Mainz gehalten hatte, um die Mainzer Gruppe einzusammeln, sei dann aufgefallen, dass ein Passagier zu viel an Bord war. „Aber wir dachten, das sei einer von den Saarbrückern“, sagt Baldy. „Und lieber einer zu viel, als einer zu wenig.“

Im warmen Bus sitzend schläft die Studentin schnell ein. Erst als der Bus an einem Erfurter Rastplatz zur Frühstückspause hält, wacht sie auf. „Da war es kurz vor acht“, sagt Baldy. „Fuck! Wo bin ich“, habe plötzlich jemand durch den Bus gerufen. Statt zu Hause in Mainz war die Schlafende etwa 300 Kilometer entfernt aufgewacht.

Weil die Fahrt mit den Ruhezeiten der Fahrer knapp kalkuliert ist, kann sie nirgends unterwegs rausgelassen werden. Das habe sie auch gar nicht weiter schlimm gefunden, erzählt Baldy, „sie wollte dann mit nach Dresden und von dort direkt zurück.“

Er und seine Juso-Freunde bieten ihr an, sie könne in einem der Hotelzimmer der Gruppe in Ruhe ausschlafen, ehe sie nach Hause fährt. Doch das will sie gar nicht. Über Blablacar organisiert sie sich eine Mitfahrgelegenheit von Dresden nach Mainz. „Einer von uns hat sie nach unserer Ankunft in Dresden dann zum Auto gebracht“, sagt Baldy. Da waren sie acht Stunden zusammen unterwegs. Tiefgründige Unterhaltungen habe es nicht gegeben, „sie war ja verkatert.“ Später meldet sie sich dann bei Baldy und gibt Bescheid, dass sie gut wieder in Mainz angekommen ist.

 

Mitglied bei den Jusos ist sie nach dem Trip übrigens nicht geworden. „Aber vielleicht überlegt sie sich das ja noch“, sagt Baldy. „Dann könnte sie nächstes Jahr wieder mit zum Bundeskongress fahren.“ Ganz offiziell, als Delegierte.  

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