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Wie sich die israelische Armee auf Instagram inszeniert

Foto: screenshot idfonline/instagram

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Frauen und Männer Arm in Arm, lachend, auf einem Boot umringt von Delfinen oder mit verträumtem Blick an der Gitarre. Junge, dynamische Menschen, die sehr viel Spaß haben und dabei auch noch verdammt gut aussehen.  

Wenn man sich durch den Instagram-Account der IDF, also der israelischen Armee (Israel Defense Forces) scrollt, bekommt man das Gefühl, auf einem Abenteurer-Lifestyle-Blog gelandet zu sein. Die „Mach, was wirklich zählt“-Kampagne der deutschen Bundeswehr, die gerade wieder neu aufgelegt wird, wirkt dagegen wie ein sehr lahmer Nachahmungsversuch in Sachen Hippness.  

Nicht nur auf Instagram, sondern auch auf Facebook und Twitter begegnet man den glücklichen Soldatinnen und Soldaten. Auf Twitter wird mit einer Pop-Art-Grafik und der Überschrift „Vegan Warriors“ für veganes Essen und vegane Schuhe während des Militäreinsatzes geworben. 

Zu jedem jüdischen Feiertag postet das Facebookteam der IDF Gifs von jungen Soldaten vor atemberaubenden Landschaften mit grafisch integrierten Feiertagsgrüßen. Der Großteil der Einsatzbilder sieht aus wie die Fotoserie eines Modefotografen. 

All diese Bilder vermitteln: Wehrdienst macht Spaß. Und keine Armee inszeniert das online so professionell wie die israelische. Dabei wäre die massive Werbung für den Dienst an der Waffe gar nicht unbedingt nötig. In Israel herrscht nämlich eine strenge Wehrpflicht direkt nach dem Schulabschluss. Zwei Jahre für Frauen, für Männer kann der Einsatz sogar bis zu drei Jahre andauern. Wer nicht den ultraorthodoxen Jeschiwa-Studenten angehört, sich aber trotzdem dem Militär entziehen will, muss eine aufwendige Verweigerungsprozedur durchlaufen und sich am Ende vor einem Gewissenskomitee verantworten. Als der oberste Gerichtshof 2017 vorschlug, auch Strenggläubige zu verpflichten, gingen tausende orthodoxe Juden auf die Straße. Wie viele junge Menschen den Kriegsdienst in den vergangenen Jahren erfolgreich verweigerten, ist statistisch nicht erfasst.

Tomer, 26, lebt heute in Berlin und ist einer von denen, die verweigert haben. Er vermutet, die Armee steckt deshalb so viel Energie in die Öffentlichkeitsarbeit, um Entscheidungen wie seine zu verhindern. Er ist ausgewandert, um dem Kriegsdienst zu entgehen, und sagt: „Der Staat will nicht, dass Verweigerung überhaupt eine Option ist. Das Bild, das da erzeugt wird, blendet die negativen Effekte von Krieg und Militär komplett aus. Viele junge Menschen kommen traumatisiert aus dem Kriegsdienst zurück.“ Die Social-Media-Arbeit der Armee übertünche diesen Aspekt gezielt, trage aber auch dazu bei, dass es für Kriegsdienstverweigerer nur wenig Verständnis in der Gesellschaft gibt: „Nicht zum Militär zu gehen, ist gesellschaftlich verpönt. Als Kriegsdienstverweigerer hast du später auf dem Arbeitsmarkt ziemlich schlechte Chancen. Ich kenne auch Leute, deren Familien deshalb den Kontakt abgebrochen haben.“

Der Juniorprofessor für Medienlinguistik findet die Inszenierung der IDF „moralisch verwerflich“

Der Germanistik-Student meint, es habe sehr lange gedauert, das „schlechte Gewissen abzulegen“ und auch vor Freunden und Familie zu seiner Entscheidung zu stehen. Trotzdem möchte er lieber nicht, dass sein Nachname hier erwähnt wird.

Bei massivem sozialen Druck und der rechtlichen Auflage der Wehrpflicht müsste der Prozentsatz derer, die wie Tomer keinen Dienst an der Waffe leisten wollten, eigentlich recht gering ausfallen. Trotzdem scheint der Aufwand, den die IDF für Imagepflege und Werbung betreiben, verhältnismäßig hoch. Wie viele Menschen tatsächlich hauptberuflich an dieser Imagepflege arbeiten ist nicht klar, es gibt jedoch ein eigens dafür eingerichtetes „Social-Media Command Center“.

 

Das sei nicht nur moralisch, sondern in manchen fällen auch menschenrechlich sehr bedenklich, gesetzlich aber legal, meint Friedemann Vogel, Juniorprofessor für Medienlinguistik an der Uni Freiburg, der 2014 eine umfangreiche Studie zur Selbstinszenierung der Bundeswehr gegenüber Jugendlichen veröffentlichte. Die Inhalte der IDF-Accounts sieht er sehr kritisch: „Militärische Sachverhalte werden als Lifestyle verkauft, Waffen werden zu Accessoires und insbesondere Frauen werden stark sexualisiert gezeigt.“ Vogel nennt diese Form der Inszenierung „Militainment“, eine Taktik, die insbesondere auf Jugendliche im Netz abziele und wie jede Werbung versuche, ein rein positives Image zu erhalten. Der Trend, Militär als etwas Hippes zu verkaufen, ziehe sich zurzeit durch viele Armeen, auch die deutsche baue gezielt ihre Social-Media-Abteilungen aus.

In den sozialen Netzwerken sieht der Einsatz eher nach Feriencamp als nach Krieg aus

In der israelischen Armee sind die negativen Seiten des Militärdienstes besonders ausgeprägt: Die Gefahr, nach zwei Jahren Kriegsdienst ein psychisches Trauma oder eine körperliche Verletzung mit nach Hause zu nehmen, ist sehr viel höher als in den meisten Präsenzarmeen. Vielleicht geben sich die IDF deshalb besonders Mühe, in den sozialen Netzwerken eher nach Feriencamp als nach Krieg auszusehen.

Vielleicht wirkt hier aber auch eine Art Schneeballeffekt: Man sieht schöne Fotos und will selbst welche machen und zeigen. Auf „girlsdefense“, dem Frauenaccount der IDF auf Instagram, werden junge Soldatinnen dazu aufgerufen, ihre Bilder hochzuladen. Und das tun sie auch: perfekte Körper, makelloses Lächeln, schwere Waffen. Diese Motive würde man so eher in der Kabine eines Truckfahrers erwarten statt als Teil der offiziellen Pressearbeit einer der schlagkräftigsten Armeen der Welt. Oder bei einem Influencer, der versteht, für welche Bilder es Likes gibt und für welche nicht. So kalkuliert erscheint zum Beispiel das Hochzeitsfoto einer jungen Soldatin auf Facebook, die scheinbar zwischen Schule und Kriegseinsatz noch schnell geheiratet hat. „Ja, Familie und Militär lassen sich unter einen Hut bringen“, steht darunter. 

„Für mich ist das in erster Linie eins: makabres Entertainment und professionalisierte Selbstdarstellung“, sagt der Kriegsdienstverweigerer Tomer über die Inszenierung der IDF auf Instagram. Wer das im Hinterkopf behalte, der könne sich von israelischen Armee einiges für seine eigene Selbstdarstellung oder das nächste Start-Up abgucken. 

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