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Hat die Groko eine Partnerschaftsstörung?

Collage: Daniela Rudolf

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Es ist schon länger klar, dass es keine Liebe war, sondern eine reine Vernunftehe. Doch wie viel Vernunft hängt noch dran, wenn man es trotz großer Schwierigkeiten und einer eigentlich endgültigen Trennung gleich noch mal versucht?

Die Groko ist wieder da und mit ihr viele neue Kompromisse. Ob Kompromisse aber in  dieser sowieso schon angeschlagenen Beziehung funktionieren können und wie sinnvoll eine solche Gemeinschaft ist, haben wir den Paartherapeuten und Autor Wolfgang Krüger gefragt.

jetzt: Wie bewerten Sie als Paartherapeut die Beziehung zwischen SPD und Union?

Krüger: Zunächst einmal ist eine Koalition im Unterschied zu einer Ehe eine Beziehung auf Zeit. In einer Liebesbeziehung suchen wir Ewigkeit. Das ist in der Politik anders. Hier gibt es bei jeden neuen Koalitionsverhandlungen neue Machtkämpfe.

Wie sieht ein sinnvoller Kompromiss aus?

In einer Partnerschaft brauchen Sie eine gemeinsame Wertewelt, Punkte bei denen Sie übereinstimmen, sonst geht das gar nicht. Dann gibt es aber auch Dinge, die für jeden unverhandelbar sind. Diese Stellen betreffen die eigene Identität, bei denen man nicht nachgeben darf. Das sind aber meistens wenige Punkte, wo der Partner auch wissen sollte: Hier geht es um das Innerste und hier sollte ich nachgeben. Dann gibt es aber noch eine Vielzahl von Dingen, die verhandelbar sind und Kompromisse stattfinden. Bei guten Kompromissen sind beide irgendwo Verlierer, die in entscheidenden Punkten nachgegeben haben und einander entgegengekommen sind. Ich glaube auch, dass das bei den Koalitionsverhandlungen passiert ist.

Wie viele Kompromisse verträgt eine Beziehung überhaupt?

Ich frage mich eher: Was wäre die Alternative gewesen? Es wäre ein Drama gewesen, wenn diese großen Parteien es nicht hinbekommen hätten, eine Regierung zu bilden. Auch bei Partnerschaften ist das so: Große Konflikte sind aber deswegen so dramatisch, da es oft um das Ganze geht. Man hat im Hinterkopf: Was passiert, wenn wir uns trennen? Man einigt sich dann und ist zu großen Kompromissen bereit, weil man sich eigentlich nicht trennen will. Zu groß ist die Gefahr, dass der andere sonst geht.

Die SPD wurde stark unter Druck gesetzt, in die Verhandlungen einzutreten. Auch die Jusos und Teile der Basis sind gegen eine Groko. Wie kann man aus Zwang und mit so einer inneren Zerissenheit überhaupt eine gute Beziehung führen?

Das geht. Auch in Liebesbeziehungen haben wir von Anfang an Machtkämpfe. Es gibt immer eine Seite, die sich mehr einlässt und die andere, die eher nüchtern und distanziert ist. Es hat der die Macht, der mehr zögert und der, der die Beziehung unbedingt will, muss mehr nachgeben. In der Zusammenarbeit ist es dann wichtig, dass sich beide Parteien fair verhalten und dass sie Vertrauen aufbauen. Denn sonst funktioniert jede Art von Beziehung nicht.

Wie sinnvoll oder wenig sinnvoll ist Streit in einer Beziehung, die sowieso schon angeschlagen ist?

Deutschland ist ein Streitvermeidungsland. Menschen hier haben eine gewisse Konfliktscheu. Wir sehen viel zu wenig das positive Potential, das Konflikt auch birgt. Man darf sich auch ruhig kräftiger streiten. Wichtig ist nur, dass die gemeinsame Basis bestehen bleibt. Ich fand es zum Beispiel sehr erfrischend, wie Martin Schulz Angela Merkel während des Wahlkampfes attackiert hat. Von so einer Streitfreudigkeit könnte die nächste Regierung auch profitieren.

Wie viel Vertrauen kann man in einer Beziehung zu einander haben, die eine reine Zweckgemeinschaft ist?

In einer Partnerschaft hängt es von einem fairen Miteinander ab. Im Gegensatz zu einer Liebesbeziehung, kann man sich in einer Koalition auch einmal härter angehen. Man braucht aber auch gute Stimmung und Humor. Sehr wichtig ist auch das Gefühl, dass die Sache größer ist als die Konflikte, die man miteinander hatte. Und wenn man damit Erfolg hat, schweißt das auch wieder zusammen.

Wolfgang Krüger

Paartherapeut Wolfgang Krüger

Foto:Gerald Wesolowski

Muss die SPD aufpassen, sich in dieser Beziehung nicht vollkommen aufzulösen?

Ich habe in jeder Partnerschaft einen Ich-Wir-Konflikt: Ich muss meine Identität wahren, aber gleichzeitig mit der anderen Person ein Team bilden. Diese Aufgabe ist meine eigene Herausforderung. Es mag sein, dass Frau Merkel es mit ihrer Präsenz anderen Parteien schwer macht, aber dennoch hätte die SPD in der Opposition das gleiche Problem. Sie braucht so oder so eine personell-geistige Erneuerung. In einer Partnerschaft müssen Sie Ihre Identität außerhalb der Beziehung suchen, zum Beispiel im Beruf oder unter Freunden. Sonst schwimmt man zu sehr in einem Wir-Gefühl und achtet nicht mehr auf sich selbst. Ich brauche eigene Herausforderung und das Gefühl, Dinge auch alleine zu schaffen. Gerade hier fehlen der SPD noch die wegweisenden Persönlichkeiten.

 

Muss man ab einem gewissen Punkt einsehen, dass es nicht funktioniert?

Ich glaube, dass es funktionieren wird. Sicherlich hatte das vorherige Kabinett Probleme. Merkel wurde oft vorgeworfen, Dinge nicht energisch genug angepackt zu haben. Aber sie ist sachlich und behandelt die anderen Koalitionspartner gut. Die grundsätzliche Basis war da. Es gibt keine Partnerschaftsstörung bei der Groko. Mit dem neuen Programm sehe ich keine Gefahr, dass sie die nächsten vier Jahre nicht überstehen. Sie müssen aber darauf achten, dass bei Streitigkeiten keine Kränkungen und zu große Wunden entstehen.

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