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„Ein Handschlag heißt für mich nichts, solange Menschen im Norden verhungern“

Fotos: Privat / STR / AP

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Vergangene Woche trafen sich die Männer an der Spitze der beiden Koreas: Kim Jong-un und Moon Jae-in. Ihr Treffen gilt bereits jetzt als historisch – ihr Händedruck überraschte die ganze Welt.

Zu Beginn der Olympischen Spiele fragten wir bereits junge Südkoreaner, was sie von der neuen Kooperation mit dem Norden halten. „Nichts!“, war der Tenor damals. Eine Wiedervereinigung sei unrealistisch oder unerwünscht, Nordkorea dürfe man nicht trauen und die Bevölkerung Südkoreas käme bei Moons Politik zu kurz. Jetzt scheint alles anders. Aber ist es das auch?

 „Kim Jong-un mag ein Diktator sein, aber dieses Treffen hat gezeigt: Er ist immer noch ein Mensch“

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Fotos: Privat / STR / AFP

Kim Dae-Young, 19, Politik-Student aus Seoul

„Ich habe Worte immer Waffen vorgezogen. Deshalb denke ich: Präsident Moon macht gerade einen sehr guten Job! Nord- und Südkorea sind endlich im Gespräch. Klar wäre ich vorsichtig, zu behaupten, dass jetzt sofort alles gut wird – es gab viele Fälle, in denen beide Seiten Chancen hatten und es vermasselt haben – aber trotzdem habe ich ein gutes Gefühl.

Es hat mich sehr bewegt, Kims und Moons Händedruck zu sehen. Kim Jong-un mag ein Diktator sein, aber dieses Treffen hat gezeigt: Er ist immer noch ein Mensch. Ich hoffe wirklich, dass – mit den Augen der Welt auf uns – Kim Jong-un seine Versprechen nicht zurückziehen wird.

Ich wünsche mir, dass wir Koreaner beider Seiten freier in Kontakt treten, über- und voneinander lernen können und beginnen, einander zu verstehen. Natürlich wird es Schwierigkeiten geben – denn es gab über Jahrzehnte hinweg unterschiedliche Ideologien und Lebensweisen. Aber ich denke, wenn es zunächst mehr Austausch gibt, dann kann auch eine Wiedervereinigung funktionieren.

Dieses Meeting hat die Meinung so vieler geändert: im Norden wie im Süden. Darüber bin ich froh. Die Sorgen und Ängste der Konservativen sind gerechtfertigt. Aber ich denke, es ist wichtiger, dass wir jetzt nach vorne blicken, in die Zukunft. Und Worte sind die Antwort. Die Antwort, die uns zur Wiedervereinigung führen kann.“

„Ein Handschlag heißt für mich gar nichts, solange Menschen in Nordkorea verhungern“

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Fotos: Privat / STR / AFP

Kim Seul-Gi, 36, aus Daegu

„Ich denke grundsätzlich positiv über diese Übereinkunft. Sie ist ein Schritt nach vorn für beide, Nord- und Südkorea. Als Kinder haben wir gelernt, dass eine Wiedervereinigung etwas Gutes wäre, also hoffe auch ich, dass sie zustande kommt! Was den Nordkoreanern über uns vermittelt wird, ist aber das Gegenteil.

Obwohl die Wiedervereinigung mein Traum wäre, denke ich deshalb, dass es noch viel zu klären gibt, bevor es so weit ist. Es ist wie in einer Beziehung: Zuerst musst du dir das Vertrauen des anderen verdienen, dann kann eine Freundschaft oder Partnerschaft entstehen. Ich persönlich misstraue Kim Jong-un. Er ist ein Diktator – kämen beide Koreas zusammen, würde er im Gefängnis landen. Ich bin sicher, er wird das nicht riskieren.

Jetzt ist es daran, dass beide Seiten den Willen zeigen, Frieden zu schaffen. Nicht nur einmal, sondern indem beide mit der Zeit immer mehr in die Beziehung investieren. Keine Waffen und Raketen mehr, stattdessen Sorge tragen für die nordkoreanische Bevölkerung. Ein Handschlag von Kim und Moon heißt für mich gar nichts, solange Menschen im Norden verhungern. Sobald Nordkorea sich wirklich um sein Volk zu kümmern beginnt, werde ich vielleicht anfangen, Kim Jong-un mehr zu vertrauen.

„Der Wandel, den wir erleben, wurde auch durch ausländische Hilfe möglich. Besonders durch Trumps harte Linie gegen Nordkorea“

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Fotos: Privat / STR / AFP

Park In-Sik, 25, Student der internationalen Beziehungen aus Seoul

„Dieses Friedensabkommen ist ein Wendepunkt – im Kontext einer friedlichen Wiedervereinigung, ebenso wie unter dem Blick auf die internationalen Beziehungen. Noch vor Wochen hätten wir niemals gedacht, dass es so einen rasanten Umschwung in Korea geben könnte. Denn keine der letzten Regierungen mit ihren unterschiedlichen politischen Ansätzen hat es geschafft, Nordkorea dazu zu bewegen, sich zu öffnen.

Der Wandel, den wir erleben, wurde auch durch ausländische Hilfe möglich. Besonders durch Trumps harte Linie gegen Nordkorea. Die US-Regierungen vor ihm wollten nicht in den Korea-Konflikt eingreifen, um ihre Beziehung zu China nicht zu gefährden. Seine Politik aber war erfolgreich – und auch Russland würde gern mit beiden Koreas kooperieren, davon bin ich überzeugt. Südkorea ist ökonomisch stark und Nordkorea ein noch unerschlossener Markt – für viele Länder. Allein eine wirtschaftliche Kooperation von beiden Seiten würde unglaublich hilfreich für das Wachstum des gesamten eurasischen Gebiets sein!

Trotzdem bin ich nicht über-optimistisch. Beide Koreas haben noch zu viele Interessenskonflikte. Deshalb müssen wir die Entwicklungen des US-Nordkorea-Gipfels und des innerkoreanischen Gipfels abwarten. Ich bin dankbar für die Bemühungen der koreanischen und amerikanischen Regierungen. Vielleicht wird das zu einem großen Beispiel der Konfliktlösung – auch für viele andere Länder.“

„In den letzten Jahren stand unsere Regierung Nordkorea nicht freundlich gegenüber – vielleicht war Nordkorea deshalb einfach genauso aggressiv“

Jeong Nan-Ho*, 29, Student aus Busan

„Ich bin mir nicht zu 100 Prozent sicher, ob wir dieser Entwicklung trauen können. Kim Jong-uns neue Haltung kam so plötzlich. Aber vielleicht liegt das daran, dass unsere Spitze sich gewechselt hat. Er scheint gemerkt zu haben, wie freundlich ihm die neue Regierung gegenübersteht. In den letzten Jahren war eher das Gegenteil der Fall – vielleicht war Nordkorea deshalb einfach genauso aggressiv.

Als ich las, dass der Krieg vorbei sei, konnte ich es kaum glauben. Ich war so glücklich! Aber alles ging sehr, sehr schnell. Und auch in Südkorea selbst gibt es Gruppen unterschiedlicher Ansichten, die eigentlich zuerst vereint werden müssten – denn was bringt uns die Wiedervereinigung, wenn das Land danach in vier Koreas zerbricht? Ich kann noch nicht sagen, ob Moon das Richtige tut. Ich möchte abwarten, was geschieht.“

„Mit einer Wiedervereinigung könnten wir endlich auf eigenen Beinen stehen“

Choi Min-Ji*, 22, Studentin aus Seoul

„Schon bei den Olympischen Spielen dachte ich: Passiert das gerade wirklich? All die Entwicklungen haben mich völlig überrumpelt. Ich habe gebangt, ob es wirklich so weit kommen würde und dann sah ich den Händedruck. Jetzt fühle ich eine große Erleichterung.

Was wir gerade erleben, ist ein guter Anfang. Es ist ein neuer Ansatz, den es unter den letzten Präsidenten nicht gegeben hat. Ich hoffe auch auf eine Wiedervereinigung, weil Korea in den vergangenen Jahren nie stark genug war, um ganz auf eigenen Beinen zu stehen. Mit der Vereinigung glaube ich, könnten wir endlich ohne die Hilfe von anderen Nationen auskommen.“

*Jeong Nan-Ho und Choi Min-Ji möchten anonym bleiben, deshalb haben wir ihre Namen geändert.

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