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Beim Klimamarsch „Zero Hour“ demonstrieren tausende Jugendliche

Foto: Instagram / thisiszerohour

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Wer in den USA nach 1995 geboren wurde, wird der „Generation Homeland“ zugerechnet. Weil diese Generation die Welt vor dem Terror des 11. September 2001 nie bewusst erlebt hat. Weil sie ihr Land nicht kannte, bevor diese „Heimat“ Züge eines verängstigten Sicherheitsstaats annahm – zum Schutz vor dem Terrorismus.

Am Samstag wollen Aktivistinnen und Aktivisten aus dieser Generation ein Zeichen setzen: Dass sie sich mehr Sorgen darüber machen, dass ihre Heimat an den Küsten absäuft als um Terroranschläge. Dass eine Zukunft, in der das Landesinnere unter der sengenden Sonne austrocknet, eben das genaue Gegenteil von Sicherheit verspricht. Dass der Klimawandel und die Bedrohung durch ihn existieren, was in einigen Kreisen der USA ja weiterhin umstritten ist.

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Fast alle der gut 50 Organisatoren von „Zero Hour“ sind unter 25, viele sogar unter 18.

Foto: Zero Hour

10 000 Menschen erwarten die Veranstalter zum Klimamarsch „Zero Hour“ in Washington DC, Tausende weitere zu den Parallelveranstaltungen in einem Dutzend anderer amerikanischer Städte sowie in Sao Paolo und London. Es soll eine Demonstration von und für Jugendliche sein – fast alle der gut 50 Organisatoren sind unter 25, viele sogar unter 18. Weil Jugendliche nicht einfach durchs Land reisen können, gibt es Demos in allen Landesteilen. Außerdem haben die Organisatoren die Veranstaltung extra in die amerikanischen Schulferien gelegt.

„Das ist die einzige Möglichkeit, uns Gehör zu verschaffen“

Die Idee für den Marsch hatte die 16-jährige Klimaaktivistin Jamie Margolin im Sommer 2017. Eine Hitzewelle hatte ihre Heimatstadt Seattle im Griff. Die heiße Luft war voll dünnem Rauch von den sommerlichen Waldbränden im Osten des Bundesstaats, als Jamie auf Instagram eine Jugenddemo zum Klimaschutz vorschlug. Wenn der „Women’s March“ zur Amtseinführung Donald Trumps Solidaritätsgefühle und Hoffnung erzeugen konnte, warum sollte das nicht auch beim Thema Erderwärmung funktionieren? 

Der Post selbst fand zunächst kaum Aufmerksamkeit, doch weil die jungen Klimaschützer in den USA inzwischen gut vernetzt sind, verbreitete sich die Idee langsam aber stetig über Social Media – und fand Unterstützer, die bei der Organisation helfen wollten.

Eine davon ist die 14-jährige Kallan Benson aus einem Washingtoner Vorort Annapolis. „Viele von uns können noch nicht wählen, also ist das die einzige Möglichkeit, uns Gehör zu verschaffen“, sagt sie. „Wenn wir erwachsen sind, werden wir die Folgen des Klimawandels am eigenen Leib erleben, genau wie unsere Kinder.“

Womöglich würden die Organisatoren von „Zero Hour“ weniger Aufmerksamkeit erhalten, wären mit dem Jugend-Aktivismus im düsteren Trump-Zeitalter nicht so große Hoffnungen verbunden. Seitdem die Überlebenden des Massakers an der Parkland-Highschool vor einigen Monaten geschickt und furchtlos gegen den Schusswaffen-Wahn aufbegehrten, wird der Generation der Nach-Millennials die Vernunft nachgesagt, die viele amerikanische Erwachsene in Zukunftsfragen vermissen lassen.

„Eure Kinder und Großenkel können das Problem nicht mehr selber lösen“

Mark Hudson vom Sustainable Consumption Institute in Manchester erinnerte anlässlich von „Zero Hour“ allerdings daran, dass Jugendliche in der Klimapolitik schon seit Jahrzehnten ihre Stimme erhoben haben. Er weist auf die Rede der kanadischen Umweltaktivistin Severn Suzuki beim Klimagipfel in Rio de Janeiro 1992 hin.

Die damals 12-Jährige sagt dort über Klimawandel und Umweltzerstörung: „Ich bin nur ein Kind, aber ich weiß, dass wir eine Familie mit fünf Milliarden Mitgliedern sind. In Wahrheit sind wir 30 Millionen Arten und Grenzen und Regierungen werden daran nie etwas ändern. Ich bin nur ein Kind, und doch weiß ich, dass wir alle im selben Boot sitzen und als eine gemeinsame Welt an diesem einen Ziel arbeiten sollten.“

Im Jahr 2018 klingen diese Worte wie eine bittere Wahrheit, die nicht gehört wurde. Die Organisatoren wollen mit „Zero Hour“ deshalb explizit eine Bewegung ins Leben rufen, die nicht nur Aktivisten, sondern auch bislang desinteressierte Jugendliche für den Klimaschutz mobilisiert. Dabei ist ihnen bewusst, dass das ein ambitioniertes Ziel ist und ihre Generation erst in mehr als 20 Jahren auf Entscheider-Positionen sitzen wird. Zu spät wahrscheinlich, um die größten Auswirkungen noch aufzuhalten. „Wir wollen den Leuten zeigen, dass wir uns organisieren und nicht nur in der Ecke sitzen und Videospiele spielen“, sagt die 14-jährige Kallan. „Aber sie sollen auch wissen, dass sie sich kümmern müssen. Eure Kinder und Großenkel können das Problem nicht mehr selber lösen. Weil wir dann nicht mehr Zeit genug haben werden.“

Der Name „Zero Hour“, Stunde Null, ist entsprechend doppeldeutig: Einerseits signalisiert er den Beginn einer neuen jugendlichen Klimabewegung. Andererseits steht der Name auch für den letzten Moment, in dem noch etwas getan werden kann.

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