Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

§219a zu streichen, ist das Symbol, auf das wir gewartet haben

Foto: picture alliance/dpa | Wolfgang Kumm

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Kurz nachdem SPD, FDP und Grüne den Ampel-Koalitionsvertrag in Berlin vorgestellt haben, trendet auf Twitter #wegmit219a. Und zum ersten Mal sind es keine traurigen Emojis oder wütenden Kommentare, die mit dem Hashtag gepostet werden. Im Gegenteil, zu sehen sind Champagnerflaschen, Herzen, viele Ausrufezeichen und „Endlich!“. Der Grund? Im Koalitionsvertrag steht das hier:

“Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Daher streichen wir §219a.”

Das, wofür Frauenrechtsaktivist:innen und Ärzt:innen wie Kristina Hänel jahrelang gekämpft haben, soll Realität werden: Der Paragraph, der öffentliche Aufklärung über Abtreibungen von Ärzt:innen als „Werbung für Schwangerschaftsabbrüche“ unter Strafe gestellt hat, wird abgeschafft. Damit bekennt sich die Regierung zur Selbstbestimmung von Frauen und zeigt, dass sie zugehört hat. Auch und vor allem uns jungen Menschen, die Themen wie ungewollte Schwangerschaft vorrangig betreffen. Das erleichtert. Immerhin waren es gerade auch die Wähler:innen unter 30 Jahren, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Grüne und FDP bei der Bundestagswahl so stark abgeschnitten haben. Die merken jetzt: Unsere Stimme wirkt. 

Diese Entscheidung betrifft vielleicht nicht alle jungen Menschen – aber sie ist ein Symbol, das die allermeisten von uns erreicht und Hoffnung macht

Aktuelle Zahlen zeigen, dass 72 Prozent der Frauen, die im zweiten Quartal 2021 einen Schwangerschaftsabbruch durchführen ließen, unter 34 Jahre alt waren. Weil Schwangerschaftsabbrüche also vor allem junge Frauen betreffen, sind es auch sie, denen Informationen und Aufklärung durch §219a jahrelang erschwert oder sogar vorenthalten wurde. Dieser Zustand ist kaum mehr tragbar. Ärzt:innen dürfen laut §219a zwar darüber informieren, dass sie Abtreibungen durchführen. Aber zu schreiben, wie sie das tun, ist verboten. Viele verzichten deshalb lieber komplett darauf, um nicht in eine rechtliche Grauzone zu geraten. Das macht es für betroffene Frauen schwer, sich vor der Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch sachlich und seriös bei Fachleuten zu informieren – um dann selbstbestimmt und aufgeklärt entscheiden zu können. 

Die Ampel-Koalition denkt aber auch an die Umsetzung: Sie will nämlich nicht nur §219a abschaffen, sie will auch Schwangerschaftsabbrüche in der Ausbildung zukünftiger Ärzt:innen verankern. Bald müssen junge Medizinstudierende dann hoffentlich nicht mehr ehrenamtlich Kurse organisieren, in denen ihnen der Eingriff beigebracht wird. Und die neue Regierung geht noch weiter: Die Möglichkeit, kostenfrei einen Abbruch durchzuführen, gehöre zu einer „verlässlichen Gesundheitsversorgung“ dazu, so steht es im Koalitionsvertrag. Das alles wird dazu beitragen, dass junge Frauen bald mehr Zugang zu und Informationen über diesen Eingriff haben werden. Es wird ihr Recht sein. 

Mit der Entscheidung §219a abzuschaffen, bekennt sich die neue Regierung klar zu den Bedürfnissen und Werten junger Menschen, besonders zur Freiheit und Selbstbestimmung junger Frauen. Das ist, was wir von einer Koalition mit liberaler und grüner Beteiligung erwarten durften. Diese Entscheidung betrifft vielleicht nicht alle jungen Menschen – aber sie ist ein Symbol, das die allermeisten von uns erreicht und Hoffnung macht: Darauf, dass nun auch in anderen Bereichen neue Prioritäten gesetzt werden. Dass junge Menschen und ihre Lebensrealität nicht mehr hinten anstehen, sondern endlich auch „von oben“ mitgedacht werden. 

  • teilen
  • schließen