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Lara Staal über die „Shadow Munich Security Conference“, ein Alternativprogramm zur Münchner Sicherheitskonferenz
Von Freitag bis Sonntag findet in München die Sicherheitskonferenz (MSC) statt – Spitzenpolitiker*innen aus der ganzen Welt diskutieren hier über die wichtigsten globalen Sicherheitsfragen und größten Bedrohungen. Jedes Jahr gibt es aber auch Proteste gegen die Art und Weise, wie versucht wird, diese Sicherheit herzustellen – zum Beispiel durch Waffenlieferungen.
Lara Staal, 35, ist Kuratorin der „Shadow Munich Security Conference“ und hat erstmals ein kulturelles Alternativprogramm für die Münchner Kammerspiele zusammengestellt. Hier sollen neue Herangehensweisen an die großen Probleme unserer Zeit gedacht werden können. Unter anderem werden „Fridays for Future“-Aktivistin Luisa Neubauer und Jean Peters vom Aktionskünstlerkollektiv „Peng!“ erwartet. Im Interview erzählt Lara Staal vom Unterschied zwischen Politik und Kunst, Bubbles und Gedankenexperimenten.
jetzt: Lara, was ist deiner Meinung nach das Problem an der Münchner Sicherheitskonferenz?
Lara Staal: Natürlich ist die Sicherheitskonferenz wichtig. Aber sie ist sehr eurozentrisch ausgerichtet und wird aus der Sicht der Global Player erzählt. Sie ist eine Plattform zur Machtdemonstration, nicht zur Lösungsfindung. Das größte Problem ist aber, dass die Lebensrealität der Politiker*innen kaum mehr etwas mit der Lebensrealität von den Menschen zu tun hat, die von ihren Entscheidungen betroffen sind.
Wer sind denn zum Beispiel die Betroffenen?
Zum Beispiel Zivilisten, die unter dem Einsatz von Drohnen im sogenannten Kampf gegen den Terrorismus leiden. Sie leben tagtäglich mit diesem dröhnenden Geräusch, mit der Bedrohung durch mögliche Angriffe. Politiker*innen bewegen sich häufig in einer Art Bubble, deswegen ist es ist schwierig für sie, sich in den Alltag anderer Menschen hineinzuversetzen.
„Das Projekt steht irgendwo zwischen Kunst und Theorie, genau wie ich“
Du nennst dich Kuratorin – im Museum ist das meistens jemand, der Ausstellungen gestaltet. Aber was genau kann man sich bei einer Konferenz darunter vorstellen?
Ich habe zum Beispiel die Gäste ausgesucht und das Programm zusammengestellt. Das Projekt steht irgendwo zwischen Kunst und Theorie, genau wie ich. Ich bin eigentlich Dramaturgin, aber eben auch die Initiatorin von „Shadow Munich“. Also was bin ich? Ich glaube, ich habe die Beschreibung „Kuratorin“ übernommen, weil ich damit beides abdecken kann. Wenn jemand einen besseren Titel für mich weiß, darf er mir gerne Bescheid sagen (lacht).
Wenn zu euch keine Politiker*innen kommen – wonach wurden die Gäste dann ausgesucht?
Die Leute, die ich eingeladen habe, sprechen entweder aus eigener Erfahrung oder haben einen Zugang zu Menschen, die diese Erfahrungen gemacht haben. Für sie ist „Sicherheit“ kein abstrakter Begriff. Sie wissen, wie Exklusion aussieht und was Gewalt ist.
Ist die Kunstszene aber nicht auch eine „Bubble“?
Man muss natürlich zugeben, dass auch meine Gäste privilegierte Menschen sind. Die Tatsache, dass wir hier in den Kammerspielen sind und eine Bühne und eine Stimme haben, heißt immer: Andere Menschen können nicht hier sein, andere Menschen werden nicht gehört. Aber für mich war es wichtig, dass die Leute, die zu der Konferenz kommen, eine möglichst pluralistische Gruppe bilden.
Welche Themen stehen bei eurer Konferenz im Fokus?
Wir haben im Laufe des Abends drei Blöcke. Der erste geht viel um autoritäre und repressive Regimes und um Inklusivität. Der zweite Block geht um Militarisierung. Wie sollen wir mit Armeen, mit Waffen, mit Grenzen, mit Gewalt umgehen? Und was sind die Mechanismen des sogenannten Otherings? Was passiert in dem Moment, in dem man nicht mehr die Person, sondern den Feind sieht? Der dritte Block wird um Klima und Umweltprobleme gehen, aber alle drei hängen miteinander zusammen.
„Alternativen sind möglich – wir müssen nur anfangen, sie auszusprechen“
Wie kann Kunst helfen, den Menschen solche schwierigen Themen nahezubringen?
Kunst kann Bilder finden, die viel mehr Menschen ansprechen, als es Sprache kann – zumindest so, wie wir Sprache nutzen. Wir diskutieren oft überrationalisiert. Aber wir sind mehr als nur ein Kopf, der denken kann. Wir haben Körper, wir sind empfänglich für Farben, für Formen und Emotionen und all diese Dinge. Die Grundfrage kann trotzdem bleiben, was ein alternatives Sicherheitsmodell für die Länder wäre.
Was kann man sich denn unter einer alternativen Sicherheit vorstellen?
Ein erster Schritt ist Hinterfragen. Wer oder was sind Verbündete oder Feinde? Wie kommen diese Beziehungen zustande? Was sind Grenzen? Müssen wir diese Dinge als gegeben ansehen? Wie würde eine Politik der Empathie aussehen? Es wäre natürlich naiv, eine Welt ohne das alles zu fordern. Aber wir müssen es nicht normal finden, dass zum Beispiel Menschen an den Grenzen sterben.
Es geht also um eine Art Gedankenmodell.
Ja, es ist eine Übung. Die Welt erscheint uns als gesetzt: „Das ist die Realität. Ihr seid machtlos. So ist es einfach. Akzeptiert das.“ Aber ich glaube das nicht. Wir bestätigen das, weil wir sie nicht hinterfragen. Ab dem Moment, in dem wir als Gesellschaft sagen, wir akzeptieren Dinge nicht, können wir sie verändern. Und wir können kulturelle Einrichtungen wie Theater nutzen, um Alternativen auszuprobieren. Und natürlich sind sie auch möglich. Wir müssen nur anfangen, sie auszusprechen.