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Der NSU-Prozess hat uns immer wieder erinnert, wie präsent Rassismus ist

Fotos: dpa; Grafik: jetzt

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Lebenslang für Beate Zschäpe – das ist die gute Nachricht nach fünf Jahren NSU-Prozess. Fünf Jahre, in denen wir mehr Fragen als Antworten zu Mittätern, der fragwürdigen Rolle des Verfassungsschutzes und der latent rassistischen Voreingenommenheit der Behörden und einiger Medien bekommen haben – Stichwort „Dönermorde“.

Obwohl also vieles nicht gut gelaufen ist im NSU-Prozess und man gerade den Angehörigen der Opfer nichts mehr wünscht, als eine Möglichkeit, abzuschließen: Sein Ende ist gleichzeitig bedauerlich. Denn wir alle wurden in diesen fünf Jahren regelmäßig und schmerzhaft daran erinnert, dass aus jungen deutschen Durchschnittsmenschen in kürzester Zeit Terroristen werden können. Terroristen, die Familienväter, Gemüsehändler oder Imbissbetreiber vorselektiert und ermordet haben, getrieben von Hass und Rassismus. Diese stetige Erinnerung war wichtig und lehrreich.

Der Prozess war eine Erinnerung daran, dass Geschichte sich wiederholen kann

Zusammengefunden und radikalisiert haben sich die NSU-Täter in den frühen Neunzigern, einer Zeit der brennenden Flüchtlingsheime, der jubelnden Anwohner, des verschärften Asylrechts. Letzteres wurde schon damals als „Asylkompromiss“ verniedlicht. Parallelen zur heutigen Zeit sind höchstens deshalb wackelig, weil die Rassisten damals noch nicht mit einer eigenen Partei im Bundestag saßen.

Gerade weil wir heute in einer Zeit leben, in der rechtes Gedankengut wieder (oder immer noch) weit verbreitet ist, waren die regelmäßigen Nachrichten zum NSU-Prozess in den vergangenen Jahren ein wichtiger Brandfleck auf dem gebohnerten Parkett der Mehrheitsgesellschaft. Die nämlich empfindet rechtsextremes Denken entweder als erledigt, rein ostdeutsches Problem oder sogar als vertretbare Haltung in einer vielfältigen Meinungslandschaft. Der Prozess war eine Erinnerung daran, dass Geschichte sich wiederholen kann. Dass Rassismus keine Meinung ist, sondern tödlich.

Der NSU war viel mehr als die fünf Angeklagten

Mit Beate Zschäpes Verurteilung wird dieser Fleck verblassen. Aber gerade weil das Individuum Zschäpe nicht allein für das Netzwerk, die Ideologie, das Behördenversagen und den strukturellen Rassismus hinter dem NSU stehen kann, dürfen wir nun nicht zur Tagesordnung übergehen. Der NSU war viel mehr als die fünf Angeklagten – sein damaliger Nährboden ist heute mindestens genau so fruchtbar.

Abgesehen davon, dass wir auf eine Klärung sämtlicher Hintergründe bestehen müssen, sollten wir uns bewusst sein, dass in irgendwelchen bundesdeutschen Garagen möglicherweise bereits die nächsten Todeslisten angefertigt werden. Wir sollten diejenigen benennen, die mit ihren oft als „Zündelei“ verharmlosten Verbal-Provokationen von rechts bewusst oder unbewusst den Nährboden dafür schaffen. Und viele von uns sollten sich fragen, warum sie nach mehr als einem halben Jahrhundert Einwanderungsgeschichte die Namen der meisten Opfer noch nicht einmal richtig aussprechen können:

Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kiliç, Michèle Kiesewetter, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodorus Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat.

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