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Regensburger Studenten wehren sich gegen Söders Kreuz-Pflicht

Foto: smaria / photocase / Bearbeitung: jetzt.de

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In sämtlichen Behörden Bayerns sollen in Zukunft Kreuze im Eingangsbereich aufgehängt werden. Diese Verordnung beschloss das Landeskabinett, Ministerpräsident Markus Söder will damit ein „Bekenntnis zur Identität“ und  „kulturellen Prägung“ des Freistaates schaffen. Für die neue Vorschrift erntet er viel Spott im Internet – und stößt auch im realen Leben auf Protest. Beispielsweise von Studenten der Universität in Regensburg. Deren Sprecher Tarek Carls, Mitglied der Liberalen Hochschulgruppe, sagte gegenüber Medien, die Studenten wollten notfalls per zivilem Ungehorsam dafür sorgen, dass keine Kreuze in ihrer Uni aufgehängt würden. Seit Dienstag Abend fordert er die Landesregierung mit einer Online-Petition auf, die Verordnung zurückzuziehen. Was er an der Vorschrift so unmöglich findet und warum er nun wegen seines Vornamens angefeindet wird.

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Das ist Tarek. Er ist 23 und macht gerade seinen Bachelor in Psychologie an der Uni Regensburg.

Foto: privat

jetzt: Tarek, ginge es nach Markus Söder, sollten in sämtlichen öffentlichen Gebäuden Bayerns Kreuze aufgehängt werden – also auch in denen der Universität Regensburg, an der du studierst. Warum stört dich das?

Tarek Carls: Das stört mich, weil Universitäten ein weltanschaulich neutraler, säkularer Ort sind und sein sollen. Hier wird versucht, das zu unterwandern und mittels einer Vorschrift eine Leitkultur zu etablieren, mit der sich sicherlich nicht alle Studierenden identifizieren können. Religion ist aber jedermanns Privatsache und sollte es bleiben. Dass die CSU versucht, allein ihre privaten Interessen durch den Staat vertreten zu lassen, darf nicht sein!

Du hast deshalb zusammen mit dem Rest der Studierendenvertretung beschlossen, Kreuze an den Wänden der Universität nicht akzeptieren zu wollen. Glaubst du, dass die Universität euch in dieser Angelegenheit ernst nehmen wird?

Definitiv. Diese Vorschrift stößt bei der breiten Masse der Studierenden auf Unverständnis. Damit haben wir großen Einfluss auf die Universitätsleitung. Außerdem bin ich mir relativ sicher, dass sie unsere Einstellung ohnehin teilt, dass die Uni als Stätte der Wissenschaft, des Fortschritts, der Aufklärung nicht der richtige Ort ist, um Kreuze aufzuhängen. Sie hat in der Vergangenheit viel Wert daraufgelegt, dass Religion hier Privatsache bleibt. Bisher hat sie sich aber noch nicht zu der Vorschrift geäußert. 

Aber selbst, wenn die Universitätsleitung die Vorschrift überraschend befürworten sollte: Ich sehe keine besondere Schwierigkeit darin, die Studenten zu mobilisieren, wenn die Kreuze dann doch aufgehängt würden. Der Wille, sich dagegen einzusetzen, wird vorhanden sein.

Würde dich die Kreuz-Pflicht denn nur in Universitäten oder auch in jeder anderen öffentlichen Einrichtung stören?

Es stört mich definitiv bei allen öffentlichen Einrichtungen. Der Freistaat ist ein großer Arbeitgeber, bei dem Menschen unterschiedlichster Glaubensrichtungen zusammenarbeiten. Und ich kann mir gut vorstellen, dass es vielen Leuten unangenehm ist, unter einem Symbol arbeiten zu müssen, mit dem sie sich nicht identifizieren können. 

Kannst du dich denn mit dem Symbol identifizieren? 

Nicht in dieser Form. Ich bin zwar Christ, aber für mich gehört das Kreuz oder Kruzifix eben in die Kirche oder meinetwegen gerne auch in die eigene Wohnung –aber nicht an den Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Denn der Staat handelt damit übergriffig. Er verletzt seine weltanschauliche Neutralität, die gesetzlich festgeschrieben ist. Er gefährdet so auch die Trennung von Staat und Kirche. Etwas, für das unsere Vorfahren lange gekämpft haben. Und jetzt sollen wir ein paar Rollen rückwärts machen?! 

Du merkst aber auch, dass es Menschen gibt, die diese „Rolle rückwärts“ sehr befürworten. Die finden deine Überzeugungen nämlich nicht besonders gut und greifen dich jetzt an.  

Ja, das stimmt. Ich bin leider in einen rechten Shitstorm reingeraten, in dem sich Leute darüber echauffieren, dass jemand mit einem arabischen Vornamen sich über christliche Werte lustig machen würde.

Was absurd ist, weil du selbst Christ und aktives Kirchenmitglied bist. 

Genau! Aber die denken halt, wenn jemand Tarek heißt, ist er Moslem. Da gruseln sie sich wohl schnell, Stichwort: „Islamisierung“.

Warum glaubst du, sind diese Menschen überhaupt so wütend auf dich? 

Ich glaube, weil ich Dienstag morgen mit dem BR gesprochen habe. im Interview habe ich eine relativ radikale Äußerung getroffen: Ich sagte, dass wir Studenten durchaus zivilen Ungehorsam leisten könnten, indem wir die „Dinger halt einfach nicht aufhängen.“ Das hat zwar viele Befürworter der Vorschrift gestört – ich stehe aber weiterhin zu 100 Prozent hinter meiner Aussage. 

Und wie gehst du nun mit den Anfeindungen um? 

Ich reagiere hauptsächlich belustigt. Natürlich ist dieser Shitstorm einerseits schockierend. Andererseits zeigt sich dadurch eben auch die absolute Verblendung der Leute. Denn an all den „Vorwürfen“, die sie mir machen, ist ja absolut nichts dran. Wie du schon festgestellt hast: Ich bin gebürtiger Deutscher. Meine Eltern heißen Ralf und Renate, mein Großvater Rudolf. Dass ich einen arabischen Vornamen habe, ist nur dem guten Geschmack meiner Mutter zu verdanken. Mein Engagement in der christlichen Kirche ist da ja schon fast ironisch. Man wirft mir eine Feindlichkeit gegenüber der christlichen Kirche vor, die komplett aus der Luft gegriffen ist. 

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