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Türkische Rapper*innen rechnen mit Erdoğan ab

Foto: Screenshot/Youtube

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Sie prangern den türkischen Präsidenten und sein System an, ohne direkt seinen Namen zu nennen: Seit Freitagabend gehen in der Türkei zwei Videos viral, in denen junge Rapper*innen mit der tükischen Regierung von Recep Tayyip Erdoğan abrechnen.

Eines der Videos trägt den Namen „Susamam“, was so viel wie „Ich kann nicht schweigen“ bedeutet. Dahinter steht der 32-jährige Protest-Rapper Sarp Palaur, besser bekannt unter dem Namen „Saniser“. Er hat sich für den Clip mit 17 weiteren Künstler*innen zusammengetan, insgesamt rappen sie 15 Minuten lang zu verschiedenen Themen, darunter Korruption, Umweltzerstörung und Zensur. „Retweeten allein reicht nicht, wir müssen etwas tun“, heißt es etwa, wenn es um die Zerstörung von Seen und Wäldern geht. 

Auch die in der Türkei bedrohte Pressefreiheit wird in dem Song angesprochen, ebenso wie die Angst, sich frei und offen zu äußern: „Die Gerechtigkeit ist tot, doch ich habe geschwiegen, weil ich nicht betroffen war. Jetzt lasse ich sogar von Twitter die Finger und habe Angst vor der Polizei meines Landes“, rappt Saniser. „Wenn sie eines Nachts kommen und dich holen, dann wirst du keinen Journalisten finden, der darüber schreibt, denn sie sitzen alle im Knast.“

Viele Türk*innen identifizieren sich stark mit dem Video: In der Nacht zum Freitag wurde der Clip veröffentlicht, bis Montagmittag wurde er 15 Millionen Mal angesehen. Allein auf Youtube kommentierten 176 000 Menschen das Video.

Das zweite Video trägt den Titel „Olay“ (dt. „Ereignis“). Es wurde vom linken türkischen Star-Rapper Ömer Sercan Ipekcioglu, Künstlername Ezhel, veröffentlicht. In dem Video des 29-Jährigen sind schnell hintereinander geschnittene Videosequenzen aus der jüngeren Geschichte zu sehen, immer wieder wird auch Präsident Erdoğan gezeigt. Bis Montagmittag wurde der Clip 4,5 Millionen Mal angesehen und 33 000 Mal kommentiert.

Erdoğan und die türkische Regierung lassen die Videos nicht unkommentiert: Auf Twitter starteten AKP-Anhänger*innen eine Gegenkampagne unter dem Stichwort „Sustunuz“ – „Ihr habt geschwiegen“. Sie werfen den Rappern vor, den Putsch von 2016 nicht angesprochen zu haben, genausowenig wie die Opfer der kurdischen Terrororganisation PKK.

Dass die Protestsongs sehr aktuell sind, wurde auch am Tag der Veröffentlichung sehr deutlich:  Am Freitag verurteilte ein Gericht in Istanbul die Provinzvorsitzende der größten Oppositionspartei CHP, Canan Kaftancioğlu, unter anderem wegen Terrorpropaganda und Präsidentenbeleidigung zu mehr als neun Jahren und acht Monaten Haft.

soas

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