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„Sag das den 210 000 Toten!“

Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus hielt Trump eine Ansprache an die Bürger*innen.
Foto: Ken Cedeno / imago images; Bearbeitung: jetzt

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Einige hatten es genau so prophezeit: Nach nur dreitägiger Behandlung wegen seiner Covid-19-Erkrankung wurde US-Präsident Donald Trump nun bereits wieder entlassen – und nutzt das nun für seine politische Agenda. Auf Twitter schrieb er: „Habt keine Angst vor Covid. Lasst es nicht euer Leben dominieren.“ Immerhin habe man unter seiner Regierung „wirklich tolle Medikamente und Wissen“ entwickelt. Er fühle sich deshalb besser als vor 20 Jahren.

Seine Anhänger*innen erfreut das. Ein Nutzer schreibt beispielsweise: „Beste Neuigkeiten jemals. Es wird großartig sein, unseren Präsidenten wieder im Weißen Haus zu haben.“

Andere verärgert Trumps Tweet. Besonders die Aussage, man solle das Leben nicht von Covid-19 dominieren lassen, stört viele. Sie schreiben: „Sag das mal den 210 000 Toten und deren Familien!“ Unter anderem der demokratische Politiker Daniel Smith zeigt sich besonders entsetzt. Er und seine Familie hätten fünf geliebte Menschen verloren. „Wie kannst du es wagen?!“, antwortet er deshalb auf Donald Trumps Aussage.

Donald Trump ließ sich davon aber sichtlich nicht beeindrucken. Stattdessen twitterte er wenige Stunden später ein Video von sich, in dem er seine Aussage noch einmal bekräftigt. Immer wieder sagt er darin sinngemäß: „Lasst das Virus nicht euer Leben kontrollieren.“ Er habe im Krankenhaus viel über das Coronavirus gelernt. „Wir haben das beste medizinische Equipment, wir haben die beste Medizin – alles kürzlich entwickelt. Ihr werdet das Virus besiegen“, sagt er. Er stellt in Aussicht, dass es bald auch einen Impfstoff geben werde.

Offenbar ist der erste Gedanke, der vielen dazu in den Kopf kommt: Wie kommt man denn da ran? An das medizinische Equipment und Medikamente? In den USA haben viele Menschen keine Krankenversicherung, ärztliche Behandlung ist dort besonders teuer. Donald Trump lehnt eine gesetzliche Krankenversicherung, wie sie beispielsweise in Deutschland längst üblich ist, ab. Eine Nutzerin schreibt deshalb wütend: „Solange du nicht bereit bist, jeder Person in Amerika gratis dieselbe Gesundheitsversorgung zu garatieren, die du gerade bekommen hast, halt den Mund!“

Auch Mediziner*innen äußern sich dazu. Eugene Gu, ein Arzt, der sich dem Kampf gegen Covid-19, aber auch gegen Donald Trump besonders intensiv widmet, schreibt beispielsweise: „Es ist mehr als nur unverantwortlich vom US-Präsidenten, von seiner eigenen Erfahrung mit Covid-19 auf Millionen von Menschen zu schließen.“ Es gebe genug Gründe, warum man sich wegen des Coronavirus vorsichtiger verhalten müsse.

Die Reaktionen auf Trumps Entlassung zeigen bei alledem eine Sache sehr anschaulich: wie tief gespalten die US-amerikanische Gesellschaft ist. Auf fast jeden Tweet gegen die Aussagen des Präsidenten wird mit einem befürwortenden geantwortet. Und andersherum. Schreibt eine, man solle sich sehr wohl vor dem Virus fürchten, um vorsichtiger zu sein, schreibt ein anderer, ein Leben in Angst sei keine Art zu leben. Meint einer, Donald Trump habe die Krankheit besiegt, sagt eine andere, er sei doch in Wahrheit nie infiziert gewesen. Gegenseitiges Verständnis zwischen Trump-Gegner*innen und Trump-Befürworter*innen findet man kaum.

Dieses Vermutung wird ohnehin besonders viel diskutiert: Donald Trump spiele die Infektion nur vor, um sich nun als Bezwinger des Virus inszenieren zu können. Auch hier antworten sofort andere US-Amerikaner*innen: Eine solche Unterstellung, auch gegenüber Trumps Ärzt*innen, sei absurd.

All das wird sicherlich auch Auswirkungen auf den Wahlkampf um die Präsidentschaft haben. Einige Trump-Gegner*innen glauben, Trumps Aussagen zu Covid-19 hätten den amtierenden Präsidenten nun endgültig aus dem Rennen gebracht. Einige Tweets sind dabei besonders radikal formuliert oder mit geschmacklosen Andeutungen auf Donald Trumps vermeintlich bevorstehenden Tod versehen. Gleichzeitig fühlen sich allerdings auch Trump-Befürworter*innen bestärkt. Der Präsident, so schreiben viele, habe wahre Stärke bewiesen. Er selbst sieht das ähnlich, in seinem Video sagt er immerhin: „Wir gehen wieder an die Arbeit, ich habe euch weiter angeführt. (...) Ich wusste, dass es gefährlich ist, aber ich musste es tun. (...) Nun geht es mir besser, vielleicht bin ich schon immun, ich weiß es noch nicht.“

Trumps Entlassung aus dem Krankenhaus dürfte bei alledem allerdings noch keine endgültige Entwarnung für den Präsidenten bedeuten. Denn Covid-19 hat meist keinen stringenten Krankheitsverlauf, sodass sich der Zustand des Präsidenten sowohl weiter verbessern als auch verschlechtern könnte. Was all das wirklich für den Wahlkampf bedeutet, wird sich spätestens am 3. November 2020 zeigen, wenn dann tatsächlich zwischen dem Republikaner Donald Trump und dem Demokraten Joe Biden entschieden wird.

lath

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