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"Ich wundere mich, warum niemand vor mir gefragt hat"

Foto: Monika Skolimowska / dpa

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"Hallo, Ulli ist mein Name" – so leitete der 28-jährige Ulli Köppe am Wochenanfang den Moment ein, der seitdem die politische Diskussion bestimmt. "Wann darf ich meinen Freund denn nun Ehemann nennen, wenn ich ihn heiraten möchte", fragte Köppe. Das Publikum bei der Podiumsveranstaltung von Brigitte applaudierte ihm spontan – und Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte die Ehe für alle zur "Gewissensentscheidung". Auch spontan. Am Freitag schon könnte sie im Bundestag verabschiedet werden, die Möglichkeit, dass auch gleichgeschlechtliche Paare ganz normal heiraten dürfen. Ein Anruf bei dem Mann, der diese Entwicklung angestoßen hat.

jetzt: Ulli, wie hast du diese Antwort von Angela Merkel erlebt?

Ulli Köppe: Der Witz war ja erst mal, dass Leute nach meiner Frage geklatscht haben. So eine Reaktion finde ich ja immer schon verwunderlich. Und dass in dem Saal so viele Männer saßen, bei einer Veranstaltung eines Frauenmagazins, das hätte ich auch nicht erwartet. Frau Merkel hat dann ziemlich lange rumgeeiert, ehe sie von der "Gewissensentscheidung" sprach. Welche Bedeutung diese Aussage bekommen würde, hat im ganzen Saal keiner geahnt, glaube ich. 

Barbara Schöneberger hatte dir das Mikro in die Hand gedrückt und dann stellst du nach fast ein einhalb Stunden Podiumsdiskussion die relevanteste Frage des Abends. Warst du nervös?

Ich habe diese Situation entspannt erlebt. Das Thema der gleichgeschlechtlichen Ehe ist mir zwar ein großes Anliegen, aber ich hatte nicht erwartet, dass die Kanzlerin so reagiert. Ich dachte, sie weicht einfach aus. Weil am Tag zuvor aber die SPD die Ehe für alle als Bedigung für Koalitionsverhandlungen festgelegt hatte, dachte ich, es ist höchste Zeit, darüber zu sprechen. Meine Intention war aber nicht, irgendetwas auszulösen.

Hast du aber. Irgendeine Erklärung, warum ausgerechnet dort, an diesem Abend, bei dieser Veranstaltung die Ehe für alle nach jahrzehntelangem Kampf entschieden worden sein könnte?

Es war zwar eine Veranstaltung der Brigitte, aber die Rechte von lesbischen Pärchen zählen ja genau so. Ich habe nicht erwartet, dass das Thema oben auf dem Podium angesprochen wird – aber ich habe die Veranstaltung als gute Chance dafür empfunden. Es war ja kein Wirtschafts- oder Agrargipfel, sondern ein gesellschaftlicher Rahmen, zu dem die persönlichen Rechte von Liebenden passten.  

Fühlst du dich als Held im Kampf für homosexuelle Rechte?

Eigentlich möchte ich mich persönlich da nicht herausstellen. Ich mache das jetzt alles mit, weil ich glaube, es ist für eine gute Sache. Wenn die Gesellschaft zu dieser Entwicklung ein Gesicht haben will, dann soll sie das bekommen. Dass die Frage von mir und nicht von den Redakteuren auf dem Podium kam, gut, das war dann halt so. Aber: Es gibt doch viel mehr Persönlichkeiten, Politiker und ganz normale Menschen, die viel mehr für diese Ehe gekämpft haben als ich, der bloß eine Frage gestellt hat.

An wen denkst du da?

Zum Beispiel an ein Pärchen aus München. Die schrieben mir gestern eine super liebe Nachricht, in der sie sich hundert Mal bedankten. Sie seien schon 25 Jahre zusammen und hätten nun endlich neue Hoffnung, heiraten zu dürfen. Dank mir. Da dachte ich nur: Ihr habt doch in diesen 25 Jahren viel mehr für eure Liebe gekämpft, als ich mit meiner Frage. Gerade diese Generation vor mir, die in Sachen Diskriminierung viel krassere Zeiten erlebt hat, als Schwule und Lesben sie heute erleben, gerade diesen Menschen gebührt hohe Anerkennung. Ich will keine Lorbeeren ernten. Ich gebe jetzt nun gerne mein Gesicht. 

Findest du es komisch, dass vor dir seit vier Jahren kein Mensch auf die Idee gekommen ist, Angela Merkel direkt auf das Thema anzusprechen?

Ich wundere mich wirklich, warum das niemand vor mir gefragt hat. Gut, ich kenne nicht alle Pressekonferenzen und alle Aussagen von Frau Merkel – aber es ist doch schon komisch, dass seit vier Jahren offensichtlich niemand nachgefragt hat. Es gibt doch auch genügend schwule Journalisten, die sie bei vielen Gelegenheiten auf das Thema hätten ansprechen können. Ich frage mich wirklich: Warum musste das jetzt ich sein?

Mit dieser Frage bist du nicht allein, einige Medienvertreter mutmaßen ja, die ganze Aktion sei inszeniert gewesen.

Die mutmaßen nicht nur, die unterstellen mir das ganz direkt. Jeder Journalist, mit dem ich spreche, fragt mich danach. Sonst niemand, wirklich niemand. Nur Journalisten! Das finde ich sehr schade. Ich kann nur sagen: Diese Unterstellung ist völliger Quatsch. Ich habe vor oder während der Veranstaltung mit niemandem von der CDU oder anderen Parteien gesprochen.

Bist du vorher schon mal politisch aktiv gewesen?

Noch nie. Ich bin sehr politikinteressiert, ja. Was in unserem Land und in der Welt passiert, verfolge ich täglich. Aber mich irgendwie engagiert habe ich noch nie.

"Es wäre mein größter Traum, Angela Merkel zu uns zum Essen einzuladen"

Du wirst aber im Bundestag sein, wenn über den Gesetzesentwurf abgestimmt wird.

Ja, die CDU hat mich eingeladen, darüber freue ich mich sehr. Ich würde zu gerne Frau Merkels Gesicht sehen, wenn die Ehe für alle abgenickt wird. 

 

 

Wie geht es für dich und deinen Partner weiter, wenn die Abstimmung positiv verläuft?

Wir sind seit zwölf Jahren zusammen, wir sind auch verlobt. Jeder von uns trägt eine Kette mit dem Kosenamen des anderen, wir haben uns gegenseitig geschworen, für immer zusammen zu bleiben. Ihm bedeutet dieser Titel der Ehe nicht so viel, mir schon. Ich möchte gerne sagen: "Das ist mein Ehemann!" Aber es ist jetzt nicht so, dass wir als erste vor den nächsten Altar rennen, wenn die Ehe für alle kommt.

 

Und wenn es dann soweit ist – ladet ihr Angela Merkel ein?

Selbstverständlich! Es wäre mein größter Traum, sie mal zu uns zum Essen einzuladen. Mein Verlobter ist ein großartiger Koch, wir haben eine schöne Wohnung, da darf sie gerne vorbeikommen. Aber auch zur Hochzeit, ins Standesamt und danach zur Feier. Ich bin ja die Generation, die mit ihr als Kanzlerin politisch sozialisiert wurde – ich hätte noch unheimlich viel mehr Fragen an sie. 

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