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„Man darf ja nichts mehr sagen“ – Ach, wäre es doch so

Dieser Text basiert auf objektiven Erkenntnissen und ist komplett ernst gemeint.
Illustration: FDE

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„Man darf ja gar nix mehr sagen!“ – Ach, wäre es doch so! Denn während Deutschland erbittert ums Gendern streitet, hat die deutsche Sprache doch eigentlich ein paar ganz andere Baustellen. Wen stört denn bitte ein Binnen-I, wenn  Menschen Sätze sagen wie „Mahlzeit! Was hast’n dir eingetuppert, alte Flitzpiepe? Bolo? Boah, feier ich ja!“

Dieser Zustand unserer Sprache ist nicht hinnehmbar. Es ist Zeit, dass Gericht gehalten wird über all die Wörter und Ausdrücke, die mich wünschen lassen, sie wären nicht abstrakte Gebilde aus Semantik und Schallwellen, sondern konkrete Gegenstände, die man entsorgen könnte.

Nur dass wir uns hier richtig verstehen: Die folgende Liste ist kein bisschen subjektiv, sondern sollte als vollkommen verbindlich verstanden werden. 

A wie Alles Taco

Findet Verwendung als Ersatz für „Alles klar“ oder „okay“ und ist lästig. Ich möchte hier, ähäm, zur Begründung Arthur Schopenhauer zitieren: „Viele Worte zu machen, um wenige Gedanken mitzuteilen, ist überall das untrügliche Zeichen von Mittelmäßigkeit.“ Wobei hier „viele Worte“ durch „besonders pfiffige Worte“ zu ersetzen wäre. Wer „Alles Taco!“ sagt, sagt auch Dinge wie „Nasenfahrrad“ für Brille, „Druckausgleichskabine“ für Klo und sollte sich in eine Ecke stellen und schämen. 

B wie Bubatz

Nichts gegen das, was dieses Wort bezeichnet (Cannabis). Aber diese anbiedernde Verkindlichung, die in Bubatz mitklingt, gemischt mit dem bemüht hip-hopigen Abfeiern der eigenen… ja – Bubatzigkeit – ist einfach unerträglich. Bubatz klingt nach Backe-backe-Kuchen im Sandkasten und anschließendem Fress-Flash-bedingtem Sand-Mampfen.

C wie Crémant

Gegen Crémant war lange eigentlich nichts einzuwenden. Aber seit Crémant (scheinbar etwas anderes als Sekt, aber im Wesentlichen Sekt) im so genannten Generationen-Roman Allegro Pastell von Leif Randt zum angeblichen Standardgetränk verkopfter Kreativer Mitte 30 erklärt wurde, sollte es als prätentiöses, pardon, Rumgewichse unbedingt vermieden werden. Besonders, wenn es um die Planung eines Dinner-Abends geht: „Also wir würden dann Linsensalat und Crémant mitbringen.“

D wie Denke, die

Auf dem Koordinatensystem der garstigen Wörter wohnt „die Denke“ in unmittelbarer Nachbarschaft zum Crémant. Sie kommt aus dem Munde von Mittvierzigern mit Basecap, die, mit äußerlich lässig-bubatzigem Betragen in Medien- oder Startup-Meetings zum Ausdruck bringen wollen, wie vertraut sie mit bodenständigem Pommesbudensprech (Sprech! Bäh!) sind, trotz ihrer offensichtlichen Weltgewandtheit: „Das ist eben glaub’ ich genau die Denke, mit der wir da Besprechbarkeit erlangen können.“ Aus „Gedanken“ oder „Denkweise“ wird da etwas gemacht, das so klingt, als ob man es aus einem Zapfhahn zapft.

E wie erkiesen

Jetzt ganz stark sein. Es stellt sich heraus, dass das prächtige Wort „auserkoren“ einen untragbaren Ursprung hat. Eigentlich eignet es sich hervorragend in allen Lebenslagen – zum Beispiel, um einen Dating-App-Chat mit einem Match zu beginnen, das unter seinen Interessen Life Action Role Play gelistet hat: „Es gereicht mir zur Ehre, von euch auserkoren worden zu sein, holde Maid!“ Allerdings ist die Grundform von „auserkoren“ „auserkiesen“. Also: Ich erkiese dich aus. Was nach einer Mischung aus fies und käsig klingt und mich sehr traurig macht.

F wie Fußbad, seelisches

Es gibt da einen Grund, aus dem ich mir fast wieder einen strengen Lockdown wünsche. Es ist diese deutsche Krankheit, besonders pfiffige Verabschiedungsformeln zu verwenden, um über die Peinlichkeit der Situation hinwegzutäuschen. Und während des Stillstands des Soziallebens haben wohl einige die Zeit genutzt, neues auszutüfteln. Wie „Du, es war mir ein seelisches Fußbad! Hihi, hoho.“ Nein, war es nicht, du Gaul! Wir haben die ganze Zeit nur über Mietpreise geredet!

G wie Gönnung

Zugegeben, Gönnung hört man nicht mehr ganz so oft. Aber wenn, dann klingt es danach, als ob die Person, die da „Gönnung!“ heraufbeschwört in Wirklichkeit nur sehr wenig Gönnung in ihrem Leben hat. Zu sehr schwingt in der irgendwann in den 2010ern mal lustigen Substantivierung von „sich gönnen“ ein biederer Unterton mit, der im Genuss insgeheim eine schamhafte Ausnahme von der Regel sieht, die man sich halt ab und zu mal gönnen darf.

H wie HiWi

Ein schönes Beispiel dafür, wie Unterdrückte die Sprache des sie unterdrückenden Systems übernehmen, um sich ihrer Unterdrückung nicht bewusst zu werden. Das niedliche HiWi (Hilfswissenschaftler:in) klingt nämlich viel mehr nach einem vergnügten, immer zu Schabernack aufgelegten kleinen Helfer-Kobold, der der Sidekick eines verstreuten, aber gutmütigen Professors ist, als nach schlecht bezahltem Excel-Tabellen-Ausfüllen und aussichtsloser Hoffnung auf eine akademische Karriere.

I wie Impfe

Kommt sprachlich aus einer ähnlichen Ecke wie Denke, inhaltlich aber eindeutig aus den Hirnen von Menschen, für die das Objekt ihrer Ablehnung schon zu etwas so Persönlichem, ja fast schon Personifizierten geworden ist, dass sie seinen vollen Namen nicht einmal mehr auszusprechen wagen. Auch hier starke Zapfhahn-Assoziationen.

J wie Jacque­line

Nein, hier geht es nicht im eigentlichen Sinne um den Namen Jacqueline. Der musste als Synonym für „ost-deutsche Unterschichtsperson“ so viel erleiden, dass jetzt bitte mal gut ist. Lasst die Jacquelines in Ruhe. Die neuen Jacquelines sind diejenigen, die ernsthaft noch „Schackeliine! Keffin!“ rufen, in Nachahmung einer imaginierten Cottbusser Mutti, die sie wahrscheinlich in ihrem Leben noch nie getroffen haben, und das für lustig halten. 

K wie Konfi

Ähnlich beunruhigend wie HiWi. Wer Konfi statt Konferenz sagt, leistet einer Mentalität Vorschub, die die entfremdete Ödnis postmoderner Arbeit und das Totbesprechen irgendwelcher nichtiger Arbeitsflow-Details hinter einer seltsamen Kindergeburtstags-Fassade verstecken will. „Huiii! Hurraaa! Konfiiii!“ Vermutlich hat sich diese Verkürzung irgendein cleverer Personal-Manager ausgedacht und gleich noch ein Bällebad im Aufenthaltsraum hinterhergeschickt.

L wie lowkey

Anwendungsbeispiel: „Ich steh lowkey auf Robert Habeck.“ Bedeutet übersetzt: „Ich steh eigentlich ziemlich auf Robert Habeck, tu aber so, als ob ich das nicht ernst meine, indem ich ganz selbstverständlich einen englischen Ausdruck benutze, den du bisher nur aus coolen Serien kennst.“ Lowkey ist lowkey unaufrichtig. Es will den Eindruck von abgeklärt-ironischer Selbstanalyse vermitteln, ist für den aufmerksamen Zuhörer aber ein sicheres Indiz dafür, dass da eigentlich ein nach den ganz großen Gefühlen dürstender Mensch vor ihm steht.

M wie Mäckis, Mäggi 

Bäh! Pfui! Wie speckig-kumpelig das klingt! Man hört förmlich schon das selbstzufriedene Schmatzen, mit dem der Big Tasty reingeschlonzt wird, siehe G wie Gönnung. Außerdem sollten spätestens dann, wenn Menschen anfangen, liebevolle Kosenamen für Marken zu verwenden, alle antikapitalistischen Idealist:innen einsehen, dass das nichts mehr wird mit der Revolution.

N wie Nice

Zugegeben, „Nice“ ist ein Trend, der sich seinem Ende nähert. Und man soll ja eigentlich niemanden treten, der schon am Boden liegt. Aber im Fall von „Nice“ lohnt es sich, sicherzugehen, dass es nicht mehr aufsteht. „Nice“ ist ein charakterloser Arschkriecher. Man sagt nice, wenn man entweder nicht richtig zugehört hat oder einem nichts Konkretes einfällt, um zu vermitteln, dass man sich für den anderen freut. 

O wie organisch

„Das muss irgendwie organischer klingen.“ Oder: „Ja, du, sowas kann man halt nicht erzwingen, das muss sich organisch ergeben.“ „Organisch“ ist eins dieser praktischen, intellektuell klingenden Wörter, mit denen man auf Nummer Sicher gehen kann, ist aber eigentlich nur faul. Denn man vermeidet auch hier, eine genauere Erklärung geben zu müssen, und stellt sich selbst auf die Seite einer vermeintlichen Natürlichkeit, Lebensweisheit oder Intuition, gegen die natürlich niemand etwas sagen kann.

P wie pupsen

„Huch, gepupst!“ Das reine Grauen, das von diesem Wort ausgeht, entsteht wahrscheinlich durch den Kontrast von lautmalerischem Augenzwinkern und einer gesunden „Ist doch was ganz Normales!“-Einstellung zu der Tatsache, dass es hier um verwesende Essenreste geht. Jedenfalls muss dieses Wort verschwinden.

Q wie Q&A 

„Und nach dem Vortrag machen wir noch ein Q&A.“ Ja sag halt einfach „Dann könnt ihr noch Fragen stellen!“ Als ob deine lahme Lesung aus deinem lahmen Sachbuch über toxische Herrchen-Hund-Beziehungen durch ein Q&A mehr Glamour bekommen würde!

R wie Räumlichkeit

Große Wörter sind für die Kunstwelt das, was früher Weihrauch und prunkvolle Gewänder für die Kirche waren – sie schaffen eine Unnahbarkeit, ein Geheimnis und täuschen darüber hinweg, dass eigentlich relativ wenig dahintersteckt. So ein Wort, das einem in dieser High-Brow-Welt alle paar Meter vor den Latz läuft, ist „Räumlichkeit“. Nein, nein, nicht doch, nicht im Sinne von „Die Räumlichkeiten befinden sich im zweiten Stock.“ Sondern im Sinne von „Die Collage behauptet das Prinzip von Raum und Räumlichkeit letztlich als transzendent, was zur Matrix als übergreifendes psychologisches Schema führt.“ Jesusmaria.

S wie Schmackofatz

Bedarf es hier wirklich einer Erklärung? Ich höre dieses Wort zwar nicht oft, aber wenn, dann habe ich das Bedürfnis, den Sprecher wie in Harry Potter dazu zu zwingen, es mit einer magischen Schreibfeder so oft zu schreiben, bis es auf seinem Handrücken vernarbt.

T wie trölf

Wer trölf sagt, hat jede Selbstachtung verloren. Dieses Wort schreit geradezu „Also eigentlich bin ich ja ein bisschen positiv verrückt!“ Dazu kommt dieser drollig-trollige Töröö-laut, der auch auf einem Kinderbuch stehen könnte – „Trölf, das freche Zauberschwein“.

U wie Uber

Dieser Name ist einfach nur eine Zumutung. Wenn man rattenvoll um acht Uhr morgens einfach nur eine günstige Fahrt nach Hause will, wird man ungefragt mit dieser deutsch-amerikanisch-deutschen Perversion belästigt. Denn der Markenname Uber kommt vom anglisierten „über“ und hat ungefähr die Bedeutung von mega, aber mit einer leicht ironisierenden Färbung, weil man sich damit ursprünglich auch über deutsche Begriffe wie Über-Ich oder Übermensch lustig machte (wobei sich die Firma dessen vermutlich nicht bewusst ist). Fair enough. Aber zurück im Deutschen steht man dann erstens vor der unentscheidbaren Wahl, ob man jetzt Uber oder Über sagt, und muss zweitens in den ungünstigsten Momenten wahlweise an Freud, Nietzsche oder nationalsozialistischen Rassenwahn denken. 

V wie Virgo

Virgo, die englische Entsprechung von Jungfrau, soll hier stellvertretend für sämtliche Sternzeichen vor aller Augen von gerechtem Zorn getroffen werden. Bitte, an Sternzeichen soll glauben, wer will. Aber dann die Verschrobenheit von Sätzen wie „Ich bin ein Widder/Zwillinge/Fische“ hinter den aufregend klingenden englischen Entsprechungen Aries/Gemini/Pisces zu verstecken, ist einfach nur inkonsequent. Kommt gerne auf Dating Apps vor: „Liebe Reisen, Bücherwurm, abenteuerlustiger Sagittarius 🏹.“ Nein, du bist ein Schütze. Und wenn dir das so wichtig ist, dann musst du auch aushalten können, dass bei dem Wort viele erst mal an dicke alte Männer in Trachten denken.

W wie wuppen

Kommt besonders häufig in der Version „kriegenwa gewuppt“ vor und mieft 100 Meter gegen den Wind nach deutscher Anpackermentalität. Besonders oft habe ich „wuppen“ gehört bei allen möglichen Sommerjobs als Teenager, bei denen mir auf aufdringlich-väterliche Art weisgemacht werden sollte, dass es etwas Tolles ist, stundenlang Hundefutter in Regale einzusortieren oder sonntagmorgens um sechs Uhr Brötchen auszuliefern. 

X wie x-tes Mal

„Zum x-ten Mal: Lass deinen Ranzen nicht im Flur liegen!“ In meiner Erziehung wurde diese Formulierung sehr oft benutzt und löst allein durch die tatsächlich x-malige Wiederholung in negativen Zusammenhängen ungute Gefühle bei mir aus. Mittlerweile aber auch aus Mitleid mit meiner lieben Mama, die gezwungen war, ihn zu verwenden.

Y wie y tho

Verkürzte Form von „why though?“ Soll besonders in dieser lakonischen Form vermitteln, dass einem fast schon die Kraft fehlt, auf die Kompliziertheit der Welt zu reagieren und hat irgendwie was Kokettierendes. Will mich da aber auch nicht festlegen. Ypsilon halt… 

Z wie Zack die Bohne

Zack die Bohne, hier schließt sich der Kreis, ihr Flitzpiepen. War doch eigentlich alles ganz Taco! Haltet die Nippel steif! Kommse rein, könnse rausschauen! Bis dahin: San Frantschüssko!

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