Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Ein Hoch auf die weiblichen Säfte

Illustration: Daniela Rudolf

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Getragene Höschen vor anderen verstecken, als zeugten sie von Aussatz statt Ausfluss. Unter menstruierenden Freundinnen Tampons so unauffällig weitergeben wie Tütchen mit Drogen. Beim ersten extra-feuchten Orgasmus in Panik verfallen, ob das nicht vielleicht doch Pipi war. Ich kenne das. Und mit mir beinahe jede andere junge Frau.

Flüssigkeiten, die mit Beginn der Pubertät aus der Vagina kommen, sorgen erst für Verwirrung – und dann für Scham. Schließlich sind wir mit ihnen nicht mehr ganz „sauber“ untenrum, hinterlassen Flecken, riechen womöglich komisch. Und „sauber“ sein, das wollen wir unbedingt. Denn wer je auf einem Schulhof abgehangen hat, weiß, dass Muschis hässlich sind und nach Fisch stinken. Und dass ein Blutfleck auf der hellen Jeans ganz hervorragend zur Erheiterung der ganzen Klasse taugt. Wie gut, dass die Intimhygiene-Industrie für alles eine Lösung hat: Mit einem Tampon bleibt deine Regel ganz diskret. Slipeinlagen mit Frischeduft halten nicht nur dein Höschen rein, sie tun auch was gegen den Bäh-Faktor in der Nase. Und wenn deine Vulva nicht der aktuellen Mode entspricht – schnipp schnapp, schon ist sie ein Brötchen.

Erst mit dem Patriarchat kam der schlechte Ruf des weiblichen Geschlechts

Dass das weibliche Geschlecht und seine Säfte einen so miesen Ruf genießen, war nicht immer so. Genau genommen war der in grauen Vorzeiten sogar ganz hervorragend: Bei Riten rund um die griechische Fruchtbarkeits-Göttin Demeter zum Beispiel war es üblich, dass Frauen ihr Geschlechtsorgan voreinander entblößten und es feierten. Statuen von Frauen, die ihre (oft überdimensionierte) Vulva offen zeigen, wurden bis ins Mittelalter hinein in ganz Europa an wichtigen Orten wie Kirchen, Klöstern, Stadttoren oder Hauseingängen positioniert.

Was die Menstruation angeht, so nimmt man an, dass sie den ersten Menschen, ähnlich den Gezeiten, an denen sie sich orientierte, als übernatürliches Mysterium galt. Darstellungen von blutenden Frauen finden sich in allen alten Kulturen – doch mit dem Patriarchat kam ihr Untergang. Aus der Bibel lernen wir, dass Gott Eva für ihren Apfel-Fauxpas mit der Menstruation strafte, und Moses setzte noch einen drauf, indem er die menstruierende Frau als unrein bezeichnete. Also lieber nicht anfassen und auch nichts von dem, was sie berührt hat, nachher steckt man sich noch an mit dieser schlimmen Unreinheit! So wird das übrigens bis heute unter anderem im orthodoxen Judentum praktiziert. Und der römische Naturphilosoph Plinius fand, Menstruationsblut mache die Milch sauer, Pflanzen unfruchtbar, Bronze und Eisen rostig und überhaupt alles Schlimme auf der Welt.

Ein paar Tausend Jahre institutionalisierte Menstruations-Verachtung lassen sich nicht so schnell abschütteln. Aber es geht voran. 2015 lief die damals 26-jährige Kiran Gandhi einen Marathon und gab einen Scheiß drauf, dass sie sich die Hose dabei vollblutete. Letztes Jahr wurde die Stockholmer U-Bahn mit Illustrationen der Künstlerin Liv Strömquist plakatiert, die unter anderem menstruierende Frauen zeigen. Und als irgendwelche Dummchen auf Instagram die #pantychallenge ins Leben riefen, die nur für diejenigen als bestanden galt, deren Schlüpfer nach einem langen Tag nicht ein Tröpfchen Ausfluss zierte, rückte das Netz ihnen schnell die Köpfchen zurecht. Auch die Ärztinnen Nina Brochmann und Ellen Støkken Dahl schreiben in ihrem Buch Viva la Vagina! Alles über das weibliche Geschlecht: „Der Zweck von Ausfluss besteht darin, die Vagina sauber zu halten und unerwünschte Gäste wie Bakterien und Pilze samt abgestorbenen Zellen der Schleimhautoberfläche hinauszuspülen. […] Kurzum: Ausfluss hält den Intimbereich gesund.“

Das spezielle Odeur von Sperma zweifelt ja auch keiner an

Und ja, auch der gesunde Intimbereich riecht. Nicht nach Fisch, sondern leicht säuerlich. Das liegt an den Milchsäurebakterien, die im Ausfluss enthalten sind. Über den Tag kommen noch Schweiß und vielleicht ein paar Pipitröpfchen dazu, was den Geruch natürlich intensiviert (und beim Penis übrigens das gleiche Spiel ist). Auch Menstruationsblut ist nicht geruchslos. Aber ebenso wie niemand ernsthaft das spezielle Odeur von Sperma anzweifelt, könnten wir uns (und dazu gleich alle anderen) mit dem weiblichen „Reproduktionsgeruch“ ruhig mal aussöhnen.

Auch das weibliche „Spritzen“ löste lange Zeit Befremdung aus – bei Frauen wie Männern. Bis zum 17. Jahrhundert in der Literatur ausführlich beschrieben, war die Ejakulation der Frau danach bis in die achtziger Jahre wie ausgelöscht. Flüssigkeiten während des Geschlechtsverkehrs abzusondern war ja auch eindeutig Männersache. Forscher sind sich bis heute nicht einig, woraus die Ejakulationsflüssigkeit denn nun bestehe, und ob es gar unterschiedliche Versionen von ihr gibt. Klar ist: Es handelt sich hierbei nicht eindeutig um Urin (zumindest nicht ausschließlich). Und dann gab es doch noch eine Art Rehabilitation: Durch den Hype in Pornos ist „Squirting“ in den letzten Jahren dann doch fast salonfähig geworden. Außer in Großbritannien. Da ist Spritzen in Pornos tatsächlich verboten, weil hochgradig obszön. Doch zumindest hierzulande werden die meisten jungen Frauen und ihre Partner wissen, was los ist, wenn es mal wieder feuchter wird beim Orgasmus oder kurz davor. Wer hätte gedacht, dass Pornos auch mal zu irgendetwas gut sein werden?

Mehr aus der Untenrum-Kolumne:

  • teilen
  • schließen