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Geständnis: Ich bin der schlechteste Talentscout aller Zeiten

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Gut, es gab den Mann, der die Beatles abgelehnt hat. Aber wenn Sie diesen Artikel gelesen haben, werden Sie mir zustimmen, dass tatsächlich ich der schlechteste Talentscout aller Zeiten war:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Im November 1968 fing ich bei der Plattenfirma CBS Records in London an, zuständig für die Entdeckung neuer Künstler. Nicht, dass ich in irgendeiner Form Referenzen gehabt hätte, ich hatte nur einige Zeit bei CBS in Sydney gearbeitet, und der Chef mochte mich wohl. Zu dieser Zeit erfand sich CBS gerade neu: Eine Plattenfirma, die für den Schnulzen singenden Showmaster Andy Williams bekannt war, nahm nun Janis Joplin und Bob Dylan unter Vertrag. Ich verbrachte unzählige Abende in den inzwischen legendären Live-Clubs »Marquee« oder »100 Club«. Ich war 20 Jahre alt und der glücklichste Mann auf Erden – obwohl die meisten Bands fürchterlich waren und selten vor Mitternacht die Bühne betraten, wenn mich ihre Manager schon mit Freigetränken abgefüllt hatten. An einem Abend im Jahr 1969 lud man mich ins »Marquee« ein, damit ich mir eine neue Gruppe anhöre. Der Sänger hatte eine Stimme, bei der sich mir die Zehennägel hochbogen. Ich verließ den Club, kaum dass er angefangen hatte zu singen. Dem Manager teilte ich mit, dass CBS nicht im Entferntesten interessiert war. Ich hatte gerade Queen abgelehnt. Aber es kam noch schlimmer. Kurz darauf stellte sich ein gammeliger Typ mit Gitarre namens Davy Jones in meinem Büro vor. Er schrammelte eine Melodie und sang dazu. Seine Stimme war dünn und näselnd – ein Verlierer. Bevor er ging, sagte er noch, er wolle seinen Namen ändern. »Wie willst du denn heißen?«, fragte ich. »David Bowie.« Sechs Monate später stand sein Space Oddity in den Top Ten – ich rede mir gern ein, dass er das Lied damals nicht in meinem Büro gesungen hat. Als Talentscout war ich derart miserabel, dass es nur eine logische Konsequenz gab: Mir wurde ein noch besserer Job angeboten, bei Warner Brothers. Die Rolling Stones gingen auf Tour, und ich sollte sie in Birmingham, Coventry und Nottingham betreuen. Das Einzige, was Mick Jagger mich während der Tour fragte, immer wieder, war: »Hast du Feuer, Kumpel?«, das Einzige, was ich zu ihm sagte, war: »Sorry, nein.« Hätte ich mir damals einfach mal Streichhölzer gekauft, wäre ich vielleicht bis heute im Musikgeschäft. Ich kündigte bald bei Warner Brothers, um ein kleines Plattenlabel zu gründen. Meine erste Band hieß »Charlie & The Wide Boys«, und ihr Durchbruch stand kurz bevor, fand ich. Ich beschaffte ihnen einen Auftritt in London und ein Demotape. Dann warteten wir. Und warteten. Ich habe dann angefangen, in einem Buchladen zu arbeiten. Das war das Klügste, was ich je gemacht habe.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wir entnehmen diesen Text der aktuellen Ausgabe des Süddeutsche Zeitung Magazin

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