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Von: CHRISTIAN NÜRNBERGER (TEXT); JENS MAURITZ (FOTOS) 

Jesus lebt. Mit diesem einfachen Satz hat Ostern damals begonnen. Gekreuzigt, aber lebendig: Die Neuigkeit verbreitete sich unter seinen verzweifelten Anhängern, sie staunten und sagten es weiter, schließlich strömten sie aus allen Teilen des Landes zusammen, um sich zu versammeln. »Ein Brausen kam vom Himmel«, heißt es in der Bibel, züngelndes Feuer leckte nach ihren Köpfen, der Geist erfüllte sie, und plötzlich verstanden alle einander, obwohl sie in verschiedenen Sprachen redeten. Jesus lebt – die babylonische Sprachverwirrung war beendet.

Wir wissen nicht, was damals wirklich passiert ist. Wir wissen nur: Eine Versammlung von Menschen hatte plötzlich eine unglaubliche Kraft entwickelt, eine Kraft, die für 2000 Jahre christliche Geschichte reichen sollte.

Heute erinnern in den Kirchen brennende Kerzen an diese gewaltige Energie. Manche Gemeinden entfachen in der Osternacht das Osterfeuer, und der Pfarrer sagt: Jesus lebt. Aber es scheint, als könne das Feuer dieses Satzes niemanden mehr entzünden. Wenn der Satz geglaubt würde, müssten den Christen eigentlich Flügel wachsen, die Gemeinden müssten vor Kraft strotzen, ihre begeisterten Mitglieder müssten an Ostern durch die Straßen rennen und jedem ins Ohr brüllen: »Gott lebt! Wirklich, er lebt!« Stattdessen stehen sie mit allen anderen im Stau auf der Autobahn.

Jesus lebt – das ist heute keine Gewissheit mehr, die das Dasein der Christen beflügelt. Der Satz dient nur als Geschäftsgrundlage einer Funktionärskirche, als gemeinsame Grundannahme, an die man besser nicht rührt, denn niemand könnte heute noch verbindlich sagen, was er eigentlich bedeutet.

Als der heutige Papst noch Kardinal war, hat er einmal gesagt, am Beginn des dritten christlichen Jahrtausends befinde sich das Christentum in einer schweren Krise: Der Wahrheitsanspruch der Kirche werde angezweifelt – als Gründe dafür nannte er die Aufklärung, die Evolutionstheorie und die historisch-kritische Bibelforschung. Vergessen hatte er: Auschwitz. Dort sind mit den Juden auch die letzten noch vorhandenen Reste christlicher Glaubwürdigkeit verbrannt. Schließlich waren es Getaufte, unter deren Hieben die Juden in die Gaskammern getrieben wurden.

 

Die Schlussfolgerung des heutigen Papstes bleibt dennoch richtig: »Weil es so steht, muss die altmodische Frage nach der Wahrheit des Christentums neu gestellt werden.« Aber die Kirchen der beiden großen Konfessionen rennen vor dieser Frage davon. Sie begründen ihre Existenz nicht mit ihrer Wahrheit, sondern mit ihrer Nützlichkeit. Sie verweisen auf die Caritas und die Diakonie (zu deren Kosten die Kirchen gerade mal 1,8 Prozent beisteuern, der Rest kommt vom Staat und den Sozialkassen); sie betonen ihre Funktion als Hüter der Menschenwürde und Anwälte der Armen (die vom Verfassungsgericht wirksamer geschützt werden); sie fühlen sich wichtig in Ethikkommissionen und als Berater der Politik (die längst aufgehört hat, richtig zuzuhören).

 

Und die Menschen? Haben sich schon lange abgewandt. Das spüren die Kirchen jetzt dort, wo es sie am meisten schmerzt, in der Kasse. Die Bischöfe beider Konfessionen, erschreckt von den apokalyptischen Prognosen ihrer Kämmerer, holen sich deshalb seit einiger Zeit Rat von den Missionaren einer fremden Religion: der Unternehmensberatung McKinsey. Deren Gesandte halfen gern, wenn auch nicht für Gotteslohn. Genaue Zahlen gibt bis heute keiner der Beteiligten heraus, nur so viel ist klar: Der Rat war ausgesprochen teuer. Also muss er auch gut sein, dachten die Bischöfe, und öffneten sich dem neuen Evangelium, alles sei Markt, auch das Religionsbusiness, und zuvörderst brauche man eine »Konzentration aufs Kerngeschäft«.

 

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