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Schöner wird's nicht

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Da muss wohl jeder mal durch. »Mädchen sind geheimnisvolle, unheimliche Wesen«, schreibt der 14-Jährige Eckart 1902 ins Tagebuch. »Deren Blick geht einem durch bis auf die Haut. Man weiß nicht recht, ist es Glück, Schreck oder Schmerz?« Im November 1986 grübelt Christiane, 15: »Es muss doch irgendeinen Jungen auf der Welt geben (in Nürtingen und Umgebung), der mir gefällt und dem ich auch gefalle.« »In mir geht viel vor«, notiert 1925 der 17-jährige Hans. »Doch es ist alles so unklar. Nichts Greifbares bietet mein Inneres mir.« Und die Erwachsenen? »Sie kommen mir vor wie glatte Spiegel«, schreibt eine Schülerin Ende der Zwanzigerjahre. »Sie haben das Leben gemeistert und sehen nun hochmütig auf die ›Kinder‹ herab, die sich an lächerlichen Kleinigkeiten den Kopf einrennen.« »Daheim täglich Ärger«, ergänzt Julia am 1. Mai 1981: »Alle doof. Bin 15 und weiß selbst, was ich tun kann und was nicht.« Angst vor Hormonbomben Das kennen wir alle. Diese Mischung aus Kleinmut und Größenwahn. Dieser ambivalente Zustand zwischen Selbstfindung und Rebellion. Die erste Liebe. Eltern und Lehrer, die einen in Ruhe lassen – und sich gefälligst um einen kümmern sollen. Das glauben wir alle so gut zu kennen, dass wir die Jugend – als Generation sowie als Idee – am liebsten gar nicht mehr loslassen wollen. Der Gedanke, dass »Jugend« einfach nur eine Lebensphase sein könnte, die nach eigenen, immer wieder neuen, für Erwachsene bisweilen undurchschaubaren Gesetzen funktioniert, war bei den Älteren noch nie besonders populär. Das Wort »Jugend« bietet eine verführerische Projektionsfläche für Sehnsüchte aller Art, geprägt von ambivalenten Bildern zwischen Bedrohung und Faszination, zwischen Hoffnung und Entsetzen. »Jugend«, das ist die irritierend coole Lena Meyer-Landrut, 19, die für Deutschland den Grand Prix gewinnt, und sich gegenüber manch betagtem Kulturjournalisten vorkommen muss wie ein Kotelett im Piranhabecken. »Jugend«, das ist ein rhetorisch versierter 20-jähriger WM-Torschützenkönig namens Müller. Aber mit »Jugend« verbinden sich auch die Ängste vor volltrunkenen Hormonbomben, die einen in der U-Bahn zusammenschlagen, oder die Eindrücke von hilflosen Laiendarstellern, die in Fake-Dokus von RTL & Co. hilflose Pubertätsprolls verkörpern. 13-jährige Gymnasiasten ballern wir mit 60-Stunden-Wochen voll, damit wenigstens ein Teil der Jugend auch schön für unsere Zukunft lernt. Gleichzeitig diskutieren wir über nächtliche Ausgangssperren für Unter-18-Jährige und einen neuen Arbeitsdienst. Und wir regen uns schon gar nicht mehr darüber auf, dass der Berliner Bezirk Mitte aus vermeintlicher Finanznot sämtliche Gelder für seine kommunale Jugendarbeit zurückzieht, während demnächst die Granitplatten auf dem Alexanderplatz für fünf Millionen Euro einen schützenden Teflonbelag erhalten sollen. Wegen der vielen Kaugummiflecken. Von Fred Grimm Hier kannst du weiterlesen.

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