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"Zulassungsurkunden für Ärzte? Die sind noch einfacher zu finden als Abiturzeugnisse."

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Interview: Julia Rothaas und Rainer Stadler; Foto: Ralf Zimmermann SZ-Magazin: Herr E., Sie haben 14 Monate lang an der Uniklinik Erlangen in der Gefäß-chirurgie gearbeitet, obwohl Sie weder Abitur noch ein abgeschlossenes Studium hatten. Waren Sie ein guter Assistenzarzt? Christian E.: Meine Arbeit war okay, da gibt es nichts zu mäkeln. Ich habe jedenfalls nie etwas anderes gehört. Auch die Patienten waren mit mir zufrieden: wohl auch deshalb, weil ich sie alle mit Namen kannte und mich nicht nur für die Diagnosen interessierte wie die meisten Kollegen. Sie mit Namen zu kennen ist eine Sache, sie zu operieren, obwohl Sie kein Arzt waren, eine andere. Ist denn bei Ihren 190 Operationen nie etwas schiefgegangen? 190 Eingriffe klingt so dramatisch. Aber mindestens 170 Mal war ich nur der dritte Mann. Im OP-Saal gibt es eine klare Hierarchie: Oberarzt, Facharzt, Assistenzarzt. Meine Aufgabe bestand vor allem darin, die OP-Haken zu halten oder mal eine Wunde zuzunähen. Aber ich habe nie einen Patienten aufgeschnitten. Aufschneiden ist Chefsache. Selbst operieren darf man sowieso erst nach sechs Jahren, als Facharzt. Ich habe mich zwar vor jeder OP gründlich in die Materie eingelesen, aber Theorie allein reicht eben nicht. Eine Zeitung hat sogar geschrieben, ich hätte eine Leber transplantiert. Da muss ich wirklich lachen: Das ist ein zwölfstündiger Eingriff, den ausschließlich Spezialisten vornehmen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Christian E. Warum zieht es einen gelernten Bankkaufmann in die Medizin? Noch dazu, wenn er kein Blut sehen kann! Ich habe mit 16 Jahren meine Bankausbildung begonnen, mit 18 das Wertpapiergeschäft von Firmenkunden betreut. Das lief alles gut. Doch dann kam der Zivildienst. Und der hat Ihre Karriere unterbrochen? So empfand ich das anfangs. Deshalb habe ich morgens von sechs bis zwölf Uhr »Essen auf Rädern« beim Malteser Hilfsdienst koordiniert. Und ab eins war ich in der Bank. Klingt nach einem ziemlichen Spagat. Oh ja. Mein Chef in der Bank sagte immer: Ein Tag ist nur ein guter Tag, wenn du mindestens einen Kunden über den Tisch gezogen hast. Doch auf einmal habe ich im Altersheim Leute gesehen, die Tag für Tag dort arbeiteten, ohne einen Cent zu kriegen. Das hat mir wahnsinnig imponiert. Irgendwann habe ich, mehr aus Spaß, zu meiner Mutter gesagt: Ich werde Rettungsassistent. Sie hat sich halb totgelacht und gemeint: Das schaffst du nie! Da war für mich klar: jetzt erst recht. Also habe ich nach dem Zivildienst bei den Maltesern eine Ausbildung begonnen. Da haben Sie bei der Bank gekündigt? Nein. Abends um sieben fing die Nachtschicht bei den Maltesern an, ich bin Rettungsdienst gefahren. Morgens war ich wieder in der Bank. In diesen 18 Monaten habe ich 4000 Stunden ehrenamtlich gearbeitet. Aber Sie konnten doch kein Blut sehen. Während der Ausbildung hatte ich schon Schwierigkeiten, nur PowerPoint-Folien mit Verwundeten anzugucken. In der vorletzten Stunde sagte der Ausbilder: Heute schauen wir bei einer Operation zu. Ich habe mir nur gedacht: Scheiße! Wir standen anderthalb Stunden hinter einer Scheibe, Hüftoperation. Das ist so ziemlich das Blutigste, was es gibt. Ich war schweißnass, Blutdruck 80, und musste aufpassen, dass ich nicht umkippe. Auf der anderen Seite war ich fasziniert. Seitdem hatte ich nie wieder Probleme, die OP war wie eine Schocktherapie. Lies weiter bei den Kollegen vom SZ-Magazin: "Je länger ich als Rettungsassistent gearbeitet und gesehen habe, was die Notärzte leisten, umso größer wurde mein Wunsch, einen medizinischen Beruf zu ergreifen."

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