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Zwei Männer, ein Ziel

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Von Franziska Augstein Riccardo Vecchio (Illustration) Nun stehen sie einander wieder gegenüber. Manche reden schon von einem »Duell«. Anders als in der rot-grünen Regierung müssen Gerhard Schröder und Joschka Fischer aber nicht mehr miteinander reden, sondern eher übereinander – dies immer dann, wenn sie gefragt werden, ob es nicht eine Ironie der Geschichte sei, dass sie erst zusammen Politik gemacht haben und anschließend beide im Gasgeschäft gelandet sind. Schröder ist der Vorsitzende des Aktionärsausschusses der europäisch-russischen »Nord Stream«, die schon in drei Jahren mit einer Unterwasser-Pipeline durch die Ostsee russisches Gas an Weißrussland und der Ukraine vorbei nach Europa pumpen will. Und Fischer hat in diesem Sommer einen Posten als Berater des Pipeline-Projekts »Nabucco« angenommen, dessen Betreiber nicht-russisches Gas durch Ost- nach Westeuropa leiten wollen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Als sie noch zusammen in Berlin regierten, war das Verhältnis mitunter angespannt: Schröder trachtete danach, auch ein guter Außenminister zu sein, was Fischer auf die Nerven ging, ohne dass er etwas daran ändern konnte. Es mag ihn getröstet haben, dass die Rivalität zwischen Kanzleramt und Außenamt Tradition hat. Damals hieß es von Fischer, er sitze der amerikanischen Außenministerin Madeleine Albright auf dem Schoß, wohingegen Schröder vorgehalten wurde, sich von Wladimir Putin allzu fest umarmen zu lassen. In wesentlichen Fragen zogen sie allerdings an einem Strang: Das gilt für den Kosovokrieg und den Krieg im Irak, außerdem sehen beide Deutschland als Einwanderungsland und plädieren für die Aufnahme der Türkei in die EU. Gemeinsam ist ihnen auch, dass sie sich für ihren Einstieg ins Gasgeschäft haben rechtfertigen müssen. Und beide haben, wie es ihre Art ist, pampig reagiert. Auf die Frage, warum er ausgerechnet bei RWE anheuere, dem deutschen Co-Investor des Projekts, antwortete Fischer: »Ich bin ein freier Mann.« Das stellen seine grünen Kritiker nicht in Abrede; sie stört nur, dass er ausgerechnet Berater eines Konzerns wird, der auf Atomkraft und Braunkohle setzt. Sie empfinden es als Verrat grüner Ideale. Dieses Argument parierte Fischer spitzfindig: Er sei »Sonderberater« für die Pipeline und habe mit den übrigen RWE-Aktivitäten nichts zu tun. Außerdem ärgert es ihn, dass man ihm Gewinnstreben vorwirft, nachdem immerhin schon drei Jahre vergangen sind, seit er aus dem Bundestag ausschied. Weil Fischer klar ist, dass man ihn und Schröder vergleicht, findet er hier auch einen Punkt, in dem er sich dem Altkanzler moralisch überlegen fühlt. Die »politische Schamfrist«: Schröder hat sie nicht eingehalten. Das mag auch daran gelegen haben, dass er – anders als Fischer – schon unmittelbar nach seinem Ausscheiden das Angebot erhielt, das man nicht ablehnen kann. Wladimir Putin selbst rief ihn an, um ihn für Gazprom zu verpflichten. Wer Schröder schlecht gelaunt sehen will, muss ihn nur darauf ansprechen: »Immer wird gefordert, ein Politiker sollte unabhängig sein, er sollte einen Beruf haben«, sagte er dem Zeit-Magazin. »War bei mir so. Und ist jetzt so. Das ist dann auch wieder nicht recht.« Und dann berief er sich wie Fischer auf seine Freiheit: »Wer da meint, er müsse das kritisieren, der kann mich mal.« In einer Hinsicht kann man beiden nicht vorwerfen, sich untreu geworden zu sein: Fischer orientiert sich gen Westen, Schröder hält gute Verhältnisse zwischen der EU und Russland für unerlässlich. Das spiegelt sich in ihren neuen Positionen. Da machistisches Verhalten beiden nicht fremd ist, ergibt sich ganz zwanglos die Frage: Wer hat die längere Pipeline? Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie steht Moskau zu »Nabucco«, und wer soll überhaupt Gas für Fischers Pipeline liefern?

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