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„Klingt kitschig, aber: Man gibt dem Patienten sein Lächeln zurück“

Foto: Privat, Collage: Bitzl

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Anna Bunk, 26, hat vor einem Jahr ihr Studium der Zahnmedizin beendet und arbeitet seit April als Zahnärztin in einer Praxis in München. Am Anfang hatte sie Bedenken, dass gerade ältere Patienten sie nicht ernst nehmen oder ein Problem damit haben, wenn eine so junge Zahnärztin sie behandelt. Dem war aber gar nicht so. Obwohl sie ihren Doktortitel noch nicht hat, war sie für alle Patienten gleich "die Frau Doktor".

Der Weg

"Jeder spricht dich plötzlich mit Frau Doktor an. Die Patienten interessiert da nicht, ob ich eine Doktorarbeit geschrieben habe oder nicht. Für mich ist es aber dennoch wichtig. Ich habe die Doktorarbeit schon während meines Studiums angefangen und sitze jetzt neben der Arbeit immer noch dran. Aber das ist bald geschafft. Für uns Mediziner ist diese Doktorarbeit einfach sehr mühsam, weil wir in unserem gesamten Studium nie eine Hausarbeit oder ähnliches schreiben mussten und es eben auch im Beruf später nicht brauchen. Das Zahnmedizin-Studium ist eher sehr praxisorientiert und das find ich auch echt gut: Du bekommst sehr gut vermittelt, was du später auch im Job machen musst. Erst hat man viele Praxiskurse und Pflichtpraktika und ab dem siebten Semester arbeitet man sogar schon direkt am Patienten und behandelt.

Aber man muss sich im Klaren darüber sein, dass man kein typisches Studentenleben hat. Der Studiengang ist sehr verschult, man hat fast immer Anwesenheitspflicht und viel Verantwortung gleich von Anfang an. Man konnte bei gutem Wetter nicht wie andere Studenten sagen, ich gehe jetzt nicht in die Vorlesung, sondern lege mich in den Park. Das hat schon genervt. Aber man hätte sich auch eher ins eigene Fleisch geschnitten, weil man in den praktischen Kursen in einer bestimmten Zeit mit den Arbeiten fertig werden musste. Und später in den Patientenkursen musste man sowieso da sein, weil die Patienten nur für uns einbestellt wurden. Wir hatten sogar in den Semesterferien Pflichtkurse. Dadurch waren die Ferien oft so zerstückelt und man konnte eigentlich nie eine längere große Reise machen. Wenn ich das jetzt selbst so höre, klingt das alles echt mega anstrengend – also von der Stressbelastung her war es das auch – aber es hat auch voll Spaß gemacht. Das darf man nicht vergessen. Es war immer super spannend, weil man in den Praktika immer sehr viel gesehen und gelernt hat. Ich würde es auf jeden Fall wieder studieren, wenn ich noch mal die Wahl hätte."

Die Wirklichkeit

"Die größte Umstellung vom Studium in der Klinik zur Arbeit in der Praxis war, dass es plötzlich so viele Patienten waren. Ich behandle am Tag so 15 bis 20 Patienten – das ist einfach sehr viel und die Fälle sind auch ganz anders. In der Klinik wurden die Patienten ja extra für die Studenten ausgesucht, das waren immer leichte Fälle. In der Praxis sortiert da keiner aus ­– da kommt eben, was kommt. Das sind teilweise Sachen, die wir im Studium noch nie gesehen haben und du musst dann plötzlich damit klarkommen. Der Patient darf das natürlich nicht spüren. Aber das ist nicht schwer. Die Patienten vertrauen einem in der Regel blind. Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn sie sagen: „Ja Frau Doktor, wenn Sie das so sagen, dann machen wir das so.“ Ich lächle dann immer und denke, das krieg ich schon irgendwie hin. Man findet eigentlich immer eine Lösung und das zeigt ja auch, dass wir gut darauf vorbereitet worden sind."

Die Erfolgserlebnisse

"Die Arbeit macht vor allem auch so viel Spaß, weil wir Zahnmediziner – im Gegensatz zu den Humanmedizinern – wirklich viele Erfolgserlebnisse haben. Wir schicken die Patienten in der Regel „geheilt“ nach Hause. Wenn jemand Karies hat und ich das Loch fülle, dann ist der Patient „geheilt“ und geht nach Hause. Es klingt echt kitschig und könnte auch der Slogan aus einer Zahnpasta-Werbung sein, aber: Man gibt dem Patienten sein Lächeln zurück. Es gibt echt viele Patienten, die sich nicht wohl fühlen mit ihren Zähnen und wenn ich sie dann einmal durchsaniere und sie dann wieder beißen können oder sich trauen, wieder zu lachen, dann gibt ihnen das ja ein ganz neues Lebensgefühl. Und das ist auch für mich ein echt schönes Gefühl, weil ich dann merke, dass ich eine sinnvolle Tätigkeit habe. Ich kann dann mit einem guten Gefühl nach Hause gehen.

Einmal kam so ein alter Opi, dem ich die Prothese repariert habe. Der hat sich so gefreut, dass sie wieder gut sitzt, und hat sich tausend Mal bei mir bedankt. Dann ist er weggegangen und zehn Minuten später kam er mit einem riesigen Blumenstrauß wieder. Das war schon echt süß."

Der Ekel

"Manchmal wird es natürlich auch eklig: der Schweinebraten vom Vorabend, seit langem nicht geputzte Zähne, kaputte Zahnstümpfe oder auch unangenehmer Körpergeruch und ungepflegte Patienten. Das darf man sich dann natürlich nicht anmerken lassen – in diesen Situationen bin ich dann über den Mundschutz sehr froh. Wenn es echt extrem ist, tupfe ich mir Tigerbalm oder Eukalyptusöl unter die Nase. Das hilft. In solchen Fällen spreche ich aber auch mit den Patienten über ihre Mundhygiene und erkläre, was sie anders oder besser machen können. In der Regel sind die Patienten darüber sehr dankbar."

Das Geld

"Das ist eher frustrierend. Dafür, dass wir ja wirklich auch viel Verantwortung tragen, verdienen Zahnärzte in der Assistenzzeit, also in den ersten zwei Jahren, echt nicht viel. In München bekommt man für 38 Stunden in der Woche zwischen 2.200 und 2.600 Euro brutto im Monat. Das ist jeder Praxis selbst überlassen, es gibt da keine Tarifverträge wie bei den Humanmedizinern. Es ärgert einen dann schon, dass man sechs Jahre studiert und das Staatsexamen gemacht hat, um dann erst mal verhältnismäßig wenig zu verdienen. Aber ich weiß, dass es nicht bei dem Gehalt bleibt, sondern dass es irgendwann nach oben geht. Das muss man sich dann immer vor Augen halten.

Ich würde später gerne mal in eine Gemeinschaftspraxis gehen. Da teilt man sich dann eben die Verantwortung. Gerade als Frau ist das ein sehr attraktives Modell, wenn ich so an Kinder denke. Zahnmedizin ist sowieso familienfreundlicher als Humanmedizin, weil wir nicht diese fünf Jahre in der Klinik machen müssen und du eigentlich, egal ob angestellt oder selbstständig, immer auch in Teilzeit arbeiten kannst."

Das Privatleben

"Im Moment habe ich nicht das Gefühl, dass ich weniger Freizeit habe als in der Uni. Unser Studium war ja fast schon wie arbeiten, weil wir von morgens bis abends vier bis fünf Tage in der Uni waren. Aber anders als in der Studienzeit schaffe ich es abends oft nicht mehr, was zu machen, weil das Arbeiten in der Praxis natürlich viel anstrengender ist. Wenn ich den ganzen Tag am Patienten bin und so viele verschiedenen Eindrücke sammle, bin ich abends echt platt. Aber ich sehe meine Freunde schon noch oft. Alle arbeiten und alle sind abends müde, also trifft man sich entweder abends müde zusammen oder man verschiebt das halt dann auf das Wochenende.

 

Was ich auch echt richtig cool finde an meinem Job: Wenn ich abends aus der Praxis gehe, dann bin ich auch wirklich fertig. Es bleiben einfach keine Aufgaben offen liegen. Entweder ich bin mit der jeweiligen Behandlung bis zum Schluss gekommen oder eben bis zu einem bestimmten Punkt und ich weiß, wo ich beim nächsten Mal weitermachen muss. Wenn ich dann abends die Karteikarte geschrieben habe, dann ist der Fall damit beendet. Und dann muss ich da auch nicht weiter drüber nachdenken. Das genieße ich sehr."

Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird 

Von „Ihhhh, ist das nicht total eklig anderen Menschen in den Mund zu schauen?“ bis zu „Oh wow, was für ein toller Beruf“ habe ich schon alles gehört. Viele erzählen mir dann gleich ihre persönlichen (Horror-)Stories vom Zahnarzt. Oder sie fragen mich, warum ich mich für den Beruf entschieden habe. 

 

 

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