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Das Peng! Kollektiv trollt profitgierige Vermieter

Foto: Lars Bösch

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Ausgebaute Toiletten und Duschen, aggressive Hausmeister, vorsätzliche Überschwemmung, Drohbriefe und Anrufe zu Unzeiten. Die Liste der Mittel, derer sich Hausbesitzer und Immobilienfirmen bedienen, um Mieter aus ihren Wohnungen zu vertreiben, ist lang. Und weil hinter solchen Maßnahmen oft reine Profitgier der Vermieter steckt, will das Berliner Peng! Kollektiv den Verantwortlichen nun, nachdem sie ihre Mieter erfolgreich verdrängt haben, wenigstens ein schlechtes Gewissen machen.

Dafür hat Peng! einen Bot programmiert, der ab sofort automatisiert eine Woche lang Vermieter anruft und ihnen die Schicksale der von ihnen verdrängten Mieter abspielt – mehrmals am Tag, zu unterschiedlichen Uhrzeiten, auch spät nachts. Die Geschichten haben die Mieter verfasst, eingesprochen wurden sie von verschiedenen Schauspielern. Die Vermieter bekommen so Anrufe von unterschiedlichen Nummern, mit jeweils anderen Geschichten und Stimmen. So werden sie zu „Haunted Landlords“. Bei den Eigentümern eines inzwischen abgerissenen Hauses in Berlin hat der Bot seit heute Morgen zum Beispiel schon dreißig Mal angerufen.

Insgesamt gibt es 40 dieser Geschichten aus sechs Häusern in Berlin, Leipzig und Frankfurt am Main. Zum Beispiel: das Haus am alten See 19 in Frankfurt. Noch im August demonstrierten Bewohner und Nachbarn gegen die katastrophalen Zustände des Gebäudes und die kurzfristige Kündigung aller Mietverträge.

Die Aktion brachte den Mietern nichts, sie haben die monatelangen Schikanen der Vermieter umsonst ertragen: Sie mussten letztendlich ausziehen. Einige von ihnen leiden noch heute an den Folgen. Die Stimme eines Schauspielers erzählt den Vermietern zum Beispiel: „Mein Chef hat mich gebraucht, aber ich konnte nicht arbeiten. Er sagte: 'So geht das nicht weiter. (...) Ich habe immer geweint auf der Arbeit. Ich habe wegen Ihnen meinen Job verloren.“ Der Betroffene habe noch keinen neuen Job gefunden und das Geld, das er für eine neue Wohnung gespart hatte, hätte er zum Überleben gebraucht.

Fälle wie diese aufzutun, war laut Nora Moll vom Peng! Kollektiv gar nicht so schwer: „Teilweise kannten wir Fälle persönlich oder waren selbst betroffen davon. Fast jede Person in Berlin kennt jemanden, dem so etwas passiert ist.“ Andere Betroffene wurden dem Kollektiv von Initiativen und Netzwerken vermittelt, die sich gegen Gentrifizierung und Zwangsräumungen einsetzen.

Mit der Aktion verfolgt das Kollektiv laut Nora vor allem ein Ziel: „Das Wichtige ist uns, über die Einzelfälle sichtbar zu machen, dass die Verdrängung von Mietern für den eigenen Profit ständig passiert. Entmietungen, die Geld bringen sollen, gibt es ja in so ziemlich jeder Stadt.“

Wie die Vermieter auf die Anrufe reagieren, die sie seit heute Morgen erreichen, kann Nora allerdings nicht genau sagen: „Wir können nur sehen, wie lange der Anruf läuft, ob sie auflegen oder nicht. Aber wir können nicht hören, was sie sagen. Die meisten haben sich den Anruf aber tatsächlich bis zum Ende angehört. Wir glauben deshalb, dass sie erst nicht verstanden haben, wer sie da anruft.“ Am Ende jedes Anrufs gebe es deshalb immer einen kurzen Einspieler, der die Leute auf die Webseite der Haunted Landlords verweist.

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