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Mal ne Weile nichts trinken? Kein Problem!

Illustration: Federico Delfrati

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Die Alkolumne handelt vom Trinken. Von den schönen und schlechten Seiten dieses Zeitvertreibs und den kleinen Beobachtungen und Phänomenen an der Bar. Aber egal, worum es grade geht, lieber Leser – bitte immer dran denken: Ist ungesund und kann gefährlich sein, dieser Alkohol.

Die Woche hat drei Tage. Montag, Dienstag und Mittwoch. Dann kommt das Wochenende: Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag.

Stimmt nicht? Weiß ich. Eigentlich. Und doch belüge ich mich Woche für Woche wieder mit der eben beschriebenen Wochenaufteilungslogik. Und ich glaube mir selbst nur zu gerne. Weshalb ich mich dann wieder hasse, Woche für Woche.

Unter der Woche, das würde normalerweise bedeuten: Montag bis Freitag kein Alkohol. Nun beginnt ja aber das Wochenende am Freitagabend, da geht man aus, trifft sich mit Freunden in Bars. Und will ein Bier. Also gehörte der Freitag in meinem inneren Abstinenz-Regelwerk schon bald zum Wochenende. Freitagabend? Feuerzeug an den Kronenkorken, Fump, Prost. Tschüss, Fünftageabstinenz, hallo Viertageabstinenz.

Nach dieser Logik hätte ich konsequenterweise natürlich den Sonntagabend schon zum Beginn der Arbeitswoche deklarieren können. Da geht man eher nicht aus, da hängt man rum, glotzt in Jogginghose eine Serie, vielleicht noch ein bisschen verkatert, kocht sich Spaghetti Bolognese. Spaghetti Bolognese? Passt ein Glas Wein halt schon gut dazu. Korkenzieher, Fump, Prost. Hallo Viertageabstinenz, schön, dass du immer noch da bist.

Als letztes fiel der Donnerstag. Da habe ich einen festen Termin: die Probe eines Kneipenchors. In einer Bar. Meiner Lieblingsbar. Da stehen alle rum und singen, und alle haben ein Bier in der Hand. Ich glaube, irgendwo auf der Facebook-Seite des Chors steht sogar offiziell, das Motto sei Singen und Trinken. Fump. Prost. Hallo Dreitageabstinenz.

 

Ganz schön erbärmlich, oder? Dass ich es nicht mal ein paar Wochen schaffe, diesen Teilverzicht durchzuziehen. Dass mir die Vorstellung, ein paar Monate ganz auf Alkohol zu verzichten, vollkommen aussichtslos erscheint, weil ich weiß: Würde ich nicht schaffen. Wirkt alles ziemlich alkimäßig. Und so fühle ich mich auch, wenn ich über mein Scheitern nachdenke.

 

Denn die Gründe dafür sind zwar plausibel, aber auch ziemlich leicht anfechtbar. Nehmen wir mal den Satz “Bier schmeckt mir nun mal besser als Apfelschorle”. Dieser Satz ist wahr. Aber er ist auch eine faule Ausrede, die vertuschen will, dass ich nicht Herr über das Belohnungszentrum in meinem Gehirn bin: Das schreit abends laut ”Feierabendbier!” und übertönt damit alle Geschmacksnerven, die mit einem frischen O-Saft, einem Spezi, oder einem alkoholfreien Weißbier auch total zufrieden wären.

 

Oder der Satz “Wenn alle anderen trinken und man selbst nicht, macht das Ausgehen gar keinen Spaß”. Dieser Satz ist noch nicht mal wahr. Es gibt Menschen, die nie trinken und sehr viel Spaß auf Partys haben, auch ich kann durchaus Momente in meinem Leben vorweisen, in denen ich nüchtern war und gelacht habe. 

 

Der einzige Schluss, den ich daraus ziehen kann, ist eigentlich: Ich bin alkoholabhängig. Nicht im Sinne des medizinischen Diagnose­klassifikationssystems – dazu müsste ich unter anderem körperliche Entzugserscheinungen spüren und wirklich zwanghaftes Verhalten an den Tag legen. Außerdem gilt mein durchschnittlicher täglicher Alkoholkonsum offiziell als “risikoarm”. (Bei Männern heißt das: weniger als 24 g Alkohol am Tag (bei Frauen weniger als 12 Gramm); ein 0,33 Bier enthält etwa 16g Alkohol). Aber ist die Tatsache, dass es mir schwer fällt, mal eine Weile nichts oder wenig zu trinken, nicht auch schon bedenklich? Und ist nicht mindestens ebenso bedenklich, dass es eben niemand wirklich bedenklich findet?

Ich bin ja nicht der einzige: Grade jetzt in der Fastenzeit vor Ostern wimmelt es nur so von Menschen, die “mal ne Weile nichts trinken” und damit so ihre Probleme haben. Probleme, über die man mit flapsigen Witzen hinweggeht. Mit denen man sich vielleicht sogar ein bisschen schmückt, weil sie einen als harten Feiertypen oder als Genießer oder als irgendein anderes Rolemodel unserer Hedonistenwelt dastehen lassen.

 

Vielleicht sollte man diese Probleme lieber ernst nehmen. Und sich fragen, ob sie Anzeichen dafür sind, dass irgendwas nicht stimmt mit uns und / oder unserer Gesellschaft. Vielleicht wäre das auch übertrieben. Muss vermutlich jeder selber wissen. Heute ist es mir eh egal. Ist ja Samstag. Fump. Prost.

 

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