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„Hilfe, wir haben einen Hund“

Süß, oder? Seit wenigen Wochen lebt Sissi bei unserem Autor.
Illustration: FDE

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Tiere mögen mich nicht. Ich wurde in meinem Leben bereits von einem Berner Sennenhund, einem Zwergkaninchen und einer Katze gebissen. Ein Pferd ist mir auf den Fuß gestiegen und, ach ja, mich hat mal eine Krähe angegriffen. Irgendwann habe ich deshalb beschlossen: Tiere und ich gehen lieber getrennte Wege. Tja, und dann habe ich mich in Theresa verliebt.    

Theresa wuchs in Tirol auf dem Land auf und war von klein auf von Tieren umgeben. Bei unserem zweiten Date hatte sie erzählt, dass sie gerne einen Hund hätte, und daran hat sich in den folgenden eineinhalb Jahren auch nichts geändert. Jedesmal wenn uns beim Spazieren ein Hund entgegenkam, kniete sie sich runter, um ihn zu streicheln. Es gab Mütter mit Kleinkindern an der Hand, die schneller vorankamen als wir. Irgendwann reichte es mir.

Wenn du einen Menschen liebst, willst du, dass er glücklich ist. Als wir eines Abends im Bett liegen und sie mal wieder die Instagram-Fotos einer Züchterin anschmachtet, richte ich also meinen Oberkörper auf und sage: „Okay Schatz, lass uns reden!“ Der Kauf eines Hundes ist eine Entscheidung fürs Leben, die sollte man nicht leichtfertig treffen. Noch in der Nacht erstellen wir eine Pro-und-Contra-Liste.  

„Ein Hund ist teuer“, sage ich.  

„Wir wissen auch nicht, wie der Hund reagiert, wenn wir ein Baby haben“, ergänzt Theresa.  

„Und wir müssten bei Sturm und Regen mit dem Hund raus“, sage ich.  

„Und in Urlaub geht’s nur noch dahin, wo man mit dem Auto hinkommt“, fügt Theresa hinzu.  

Wir schweigen einen Moment. Ganz schön einschüchternd, wenn man schwarz auf weiß sieht, was da alles auf einen zukäme. „Okay, und nun die Pro-Seite ...“, sage ich.  

Theresa hält mir ihr Handy unter die Nase mit dem Foto eines der Welpen. „Guck, wie süß ...“   

Am nächsten Morgen schrieben wir fünf Züchter:innen an.    

Die Wahrheit ist: Es gibt keinen vernünftigen Grund für einen Hund. Sowas entscheidet das Herz. Wie beim Kinderkriegen. Spricht auch wenig dafür. Mal abgesehen vielleicht vom Pflege-Aspekt, später womöglich jemanden zu haben, der einem den Klostuhl ans Bett schiebt. Sowas kann ein Hund natürlich nicht. Außer er wurde vom TV-Hundecoach trainiert. So einer könnte dir wahrscheinlich sogar den Katheter wechseln.   

Als Rasse hatten wir uns auf einen Cockapoo geeinigt, eine Mischung aus Cocker Spaniel und Pudel. Die haaren nicht, was Theresa wichtig war. Und ich wollte einen Hund, der einen Hamster überragt. Er sollte aber auch nicht so groß sein, dass ich Probleme bekomme, wenn er mich anspringt. All das denken sich wohl auch andere Leute. Die kniehohen Cockapoos sind im Moment voll im Trend, weshalb es schwer ist, einen zu bekommen. Eine Züchterin irgendwo in der Pampa mitten in Deutschland hatte aber noch einen übrig. Drei Tage später saßen wir im Auto.  

Der Kauf eines Lebewesens läuft überraschend unkompliziert ab

Während der Fahrt reden wir nicht viel. Wir sind wohl beide etwas nervös. „Wie findest du Martha als Namen?“, frage ich, um das Schweigen zu durchbrechen. Wir hatten uns auf ein Weibchen festgelegt, weil die nicht jeden Baum markieren und sanfter sein sollen.    

„Das klingt so menschlich, findest du nicht?“ 

„Schon, aber warum stört dich das?“ 

„Mach Platz, Mia. Hol's Stöckchen, Heidi. Fein gemacht, Greta.“ Theresa schüttelt den Kopf. „Da hätte ich immer das Gefühl, ich würde meine Steuerberaterin fürs Häufchenmachen loben.“  

„Was steht denn so auf deiner Liste?“, frage ich.  

„Ich find Luna ganz hübsch.“ 

„Hm“, mach ich. „Ich hatte mal was mit einer Luna.“  

Theresa zieht die Stirn kraus. „Leika?“ 

Ich mache ein verlegenes Gesicht. „Gleiches Problem.“    

Zugegeben, das war eine Lüge. Aber nachdem ich gemerkt hatte, dass ich mit dem Argument jeden Vorschlag ohne größere Diskussion eliminieren kann, habe ich einfach bei jedem Namen, der mir nicht gefiel, behauptet, ich hätte mal was mit einer gehabt, die so hieß. Als wir nach fünf Stunden in die Zielstraße einbiegen, hatten wir uns auf zwei Dinge geeinigt: Unsere Hündin nennen wir Sissi (Meine Idee, weil das gut zu einem Bayern und einer Österreicherin passt, und außerdem liebt Theresa die Romy-Schneider-Filme) – und ich lass mich nächste Woche mal auf Geschlechtskrankheiten testen. Theresas Idee.    

Der Kauf eines Lebewesens läuft überraschend unkompliziert ab. Ich dachte, man würde uns einem Verhör unterziehen, prüfen, ob der Hund bei uns in guten Händen ist. Ich habe sogar extra mein Hemd gebügelt. Stattdessen führt uns eine große Frau in ein kleines Wohnzimmer, wo ein Laufgitter steht. Darin: ein hellbrauner, zehn Wochen alter Cockapoo, kaum größer als eine Wärmflasche, der sich bei unserem Eintreten aufgeregt auf die Hinterbeine stellt und mit dem Schwanz wedelt. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie etwas so Niedliches gesehen. Wir unterschreiben den Kaufvertrag, in dem wir versichern, dass wir Sissi kein Leid zufügen werden und die Züchterin von jeglicher Schuld freisprechen, sollte sich im Laufe der Entwicklung ein Fehler herausstellen (zum Beispiel, dass sie doch nicht größer wird als ein Hamster). Dann legt Theresa die 1500 Euro auf den Tisch und 15 Minuten später sitzen wir auch schon wieder im Auto. Ich habe schon mal länger gebraucht, um eine Pizza abzuholen.  

Vor der Rückfahrt hatte mir gegraut. Ich hatte mich auf fünf Stunden herzerweichendes Gejaule eingestellt, während wir über die Autobahn brettern. Wie Sissi panisch um sich beißt und zappelt und aus dem Fahrzeug türmen möchte. Immerhin reißen wir die kleine Sissi aus ihrem Zuhause und nehmen sie ihrer Mutter weg. Wir Monster! Und tatsächlich hat sie die ersten Minuten in ihrem Körbchen auf der Rückbank ein bisschen gezittert. Aber noch bevor wir auf die Autobahn auffuhren, war sie bereits eingeschlafen. Die ganze Fahrt über kein Wimmern, kein Bellen, nur leises Schnaufen.    

In der Nacht krabbelt Sissi auf mein Gesicht

Als wir unsere Wohnungstür aufsperren, ist es bereits spät am Abend. Wir hatten ein Hundebett gekauft, zwei Fressnäpfe, Nass- und Trockenfutter sowie einen Ball und Gummiknochen zum Kauen. Theresas Tante hat selbst einen Hund und uns im Vorfeld etwas gebrieft. Zum Beispiel dazu, dass es ratsam ist, die gleiche Futter-Marke zu verwenden wie die Züchterin, weil die Umstellung Sissi sonst auf den Magen schlagen könnte. Dass man besser alle Teppiche aus der Wohnung schafft, hatte sie leider nicht erwähnt. Auf die Idee kommen wir erst, als im Wohnzimmer ein dicker fetter brauner Hundehaufen auf dem rosafarbenen Viskoseteppich liegt. Perplex blicken wir auf das stinkende Corpus Delicti vor uns.

 „Oh je“, seufzt Theresa. „Ich hole Desinfektionstücher.“ 

„Und ich mein Handy“, sage ich und flitze ins Arbeitszimmer.  

„Wozu?“  

„Ich muss davon ein Foto machen für Instagram.“ 

„Das kannst du doch nicht posten!“ 

„Logo! Ich habe ihr extra einen eigenen Account angelegt: @cockapoosissi“   

Gegen 23 Uhr haben wir alle Spuren beseitigt und sinken todmüde in die Kissen. Das Hundebett haben wir daneben gestellt. In der ersten Nacht darf sie ausnahmsweise bei uns im Schlafzimmer schlafen. „Aber ins Bett darf sie nicht“, sage ich. „Sie muss lernen, dass wir die Alphas sind!“ Kaum ist das Licht aus, höre ich ein Fiepen und das stumpfe Kratzen von Krallen auf Stoff. Ich schlage die Augen auf und blicke direkt in das flehende Gesicht von Sissi, die sich an der Bettkante abstützt. Man müsste schon ein Psychopath sein, um so seelenruhig einschlafen zu können. Dreh ich mich also um … und blicke nun direkt in das flehende Gesicht von Theresa. „Schaaaatz ...“    

„Okay, hol sie hoch“, grummle ich. „Aber sie schläft am Fußende.“ Tut sie natürlich nicht. Irgendwann in der Nacht werde ich wach, weil Sissi nach oben krabbelt und sich halb auf mein Gesicht legt. Ich klemme mein Kissen untern Arm und beziehe drüben im Wohnzimmer das Sofa. Ist ja nur für heute Nacht. Ab morgen schläft Sissi auf dem Boden. Schließlich bin ich hier das Alphamännchen! 

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