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„Es haben sich laufend Betroffene bei uns gemeldet“

Foto: Robert Haas

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„Wenn wir erzählen, dass es bei uns legal ist, Leuten unter den Rock zu fotografieren, sind die meisten echt schockiert.“ Das hatte Ida Marie Sassenberg, 25, der Süddeutschen Zeitung noch im April gesagt. Upskirting, heimliches Unter-den-Rock-Fotografieren, war bisher in Deutschland nicht verboten. Doch das kann sich bald ändern. Sassenberg und ihre Freundin Hanna Seidel hatten im Frühjahr eine Petition gestartet. Ihr Ziel: Ein Gesetz gegen Upskirting. Sie hatten sich darauf eingestellt, dass es ein bis zwei Jahre dauern kann. So lange mussten die Initiatorinnen aber nicht warten. In der vergangenen Woche hat das Kabinett in Berlin einen Gesetzesentwurf beschlossen, der Upskirting mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft.

„Das ist super, super schön“, sagt Sassenberg. Dass dann doch alles so schnell geht, damit hatten sie und Seidel nicht gerechnet. Die zurückliegenden sechs Monate sind für die beiden schnell vergangen und waren doch eine intensive und herausfordernde Zeit. Noch im April sei der Presserummel so richtig losgegangen. „Wir haben beide jeweils bis zu fünf Interviews am Tag gegeben.“ Einer der Höhepunkte: Ein Live-Auftritt bei Stern TV. „Wir mussten uns viel politisches und juristisches Know-How aneignen“, sagt Sassenberg. Immer wieder hatten die beiden auch Kontakt zu Bundesjustizministerin Christine Lambrecht gesucht.

Am 18. Oktober kam dann eine Einladung von ihr. Mit der Ministerin haben Seidel, die selbst auf einem Festival belästigt worden war, als ein Mann ihr unter den Rock fotografierte, und Sassenberg über ein mögliches Gesetz gesprochen. „Es haben sich laufend Betroffene bei uns gemeldet“, sagt Sassenberg. Das sei Bestätigung und Motivation für ihr Engagement gewesen. Immerhin hatten sie vorab nicht wissen können, wie viele Frauen betroffen waren. Weil Upskirting kein Straftatbestand war, wurden die Vorfälle in keiner Kriminalstatistik erfasst.

Als Sassenberg in der vergangenen Woche von dem Gesetzesentwurf gehört hatte, war es ein unbeschreiblicher Moment: „Ich bin auf Wolken durch die Gegend geflogen“, erzählt sie. 2019 – für Sassenberg „ein total verrücktes Jahr“. Eine Zeit, die einerseits geprägt ist durch verschärfte politische Debatten. „Überall brennt es“, sagt Sassenberg. „Aber auf der anderen Seite siehst du ganz viele Frauen, die Feuer löschen.“ Dazu gehören für sie Greta Thunberg genauso wie die Initiatorinnen einer Petition, die für die Senkung der Mehrwertsteuer auf Tampons gekämpft haben.

Ein nächstes Projekt ist für Seidel und Sassenberg nicht in Sicht. „Aber wenn es ein Thema gibt, dass den Aufwand noch einmal erfordern sollte, würde ich das jederzeit wieder machen“, sagen die beiden jungen Frauen.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text erschien zuerst in der Süddeutschen Zeitung vom 19.11.2019​​​​​​​. 

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