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Es bleibt keine Zeit, auf schärfere Ansagen zu warten

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Viele Deutsche halten einen allgemeinen Lockdown für unausweichlich, um sich selbst und andere vor dem Coronavirus zu schützen. Aber statt eines Lockdowns beschloss die Regierung am Donnerstagnachmittag Kontaktbeschränkungen nur für Ungeimpfte und 2G im Einzelhandel – Maßnahmen, die im Vergleich lasch wirken. Was also werden wir tun? Auch als Geimpfte weniger Leute treffen, Restaurants meiden, nach Möglichkeit ins Homeoffice wechseln? Vermutlich nicht. Wir Deutschen werden wie so oft hörig, aber wütend auf eine schärfere Ansage warten. Darauf, dass die Regierung auch für Geimpfte mit konkreten Regeln und Sanktionen herausrückt, damit wir als Bürger:innen nur noch gehorchen müssen. Dabei könnten wir auch selbst eine Entscheidung treffen. Wer Lockdown fordert, kann Lockdown umsetzen – zumindest im Kleinen.

Nach so vielen Monaten Pandemie wissen wir schließlich, welche Maßnahmen – unabhängig von Tests und Impfungen – helfen: sich nur noch draußen mit anderen treffen, Menschenmassen meiden, seltener in den Supermarkt gehen. Been there, done that. Wir dürfen nicht darauf warten, von der Regierung gerettet zu werden. Von einer Regierung, die sich mit einer drastischeren Entscheidung offenbar noch schwer tut.  Wir könnten und sollten es mit unserem eigenen Verstand schaffen.

„So ließe sich auch die lästige Situation vermeiden, vom Staat bevormundet zu werden“

Das ist kein vorauseilender Gehorsam, das gebietet der Ernst der Lage. Denn zu keinem Zeitpunkt der Pandemie war es wichtiger, das eigene Verhalten zu ändern, als jetzt. Wir können uns das Warten nicht leisten. Die Inzidenzen waren in Deutschland nie höher, das Personal auf Intensivstationen nie belasteter. Schwerkranke werden ausgeflogen, weil sie in ihrer Region nicht mehr versorgt werden können. Expert:innen raten seit Wochen eindringlich, Kontakte zu reduzieren. Die Mehrheit der Deutschen hat den Ernst der Lage verstanden. Im Deutschlandtrend der Tagesschau stimmten zuletzt 79 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass man die Krise ohne strengere Corona-Regeln nicht in den Griff bekomme. 

Warum die meisten von uns bislang trotzdem mit dem privaten Lockdown zögern und lieber auf Ansagen der Regierung warten, liegt auf der Hand: Niemand schränkt sich gerne ein, wenn andere sich noch in Gruppen treffen, shoppen oder ins Büro gehen. Natürlich ist man gehemmt, wenn man sich selbst benachteiligen muss. Doch dieser Schritt wäre notwendig und gut.

Durch Eigeninitiative ließe sich nämlich auch die lästige Situation vermeiden, ständig vom Staat bevormundet zu werden. Statt eine fremde Anweisung zu befolgen, träfe man eine eigene Entscheidung. Wer sich aus freien Stücken in Isolation begibt, beweist, was Corona-Leugner:innen nicht glauben möchten. Dass man gerade dann frei sein kann, wenn man sich einschränkt.

Anmerkung der Redaktion, 15.15 Uhr: Dieser Text wurde am Donnerstagnachmittag nach der Pressekonferenz der Bundesregierung noch einmal aktualisiert.

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