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Wie ein Minisatz die Generationen spaltet

Foto: Screenshot/Twitter/Shannon O’Connor

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Millennials waren lange die Zielscheibe für den Spott der älteren Generationen. Jetzt haben sie eine Antwort darauf gefunden – und die Baby Boomer rasten angesichts dieser unglaublichen Unverschämtheit komplett aus.

Es ist ja nichts Neues, dass sich junge Menschen angeblich respektlos den Älteren gegenüber benehmen, im Gegenteil: Der Vorwurf ist so alt wie die Menschheit. Doch gerade scheint der Konflikt wieder ganz neu aufgeflammt zu sein, nachdem es eine Weile lang verdächtig ruhig gewesen war an der Generationen-Front – vermutlich, weil alle damit beschäftigt waren, auf dem Social-Media-Kanal ihrer Wahl (Facebook für Boomer, Insta für Millennials, TikTok für die Gen Z) mit ihresgleichen zu quatschen. Doch ständig in die eigene Echokammer hineinzurufen und genau die gleiche Meinung zurückzubekommen, wird mit der Zeit ja auch irgendwie langweilig.

Wer ständig Avocado-Toasts futtert, muss sich nicht wundern

Also begannen die gelangweilten älteren Damen und Herren damit, sich eine Gemeinheit nach der anderen auszudenken und den nachfolgenden Generationen vor den Latz zu knallen. Plötzlich schien es, als könnten ganz besonders die Generation Y gar nichts mehr richtig machen: Eingeklemmt zwischen den vorwurfsvollen Baby Boomern, den Nihilisten mit Job-Garantie der Generation X und den ziemlich coolen und aktiven jüngeren Cousinen und Cousins der Generation Z, sind sie eine gute Weile zur Zielscheibe geworden, weil sie angeblich nichts, aber auch wirklich gar nichts hinbekommen in ihrem jämmerlichen Leben:

Sie können es sich nicht leisten, ein Haus zu kaufen – weil sie ständig ins Café gehen und dort Avocado-Toast futtern. Neuerdings haben sie es sogar geschafft, zwei der wichtigsten amerikanischen Industrien an den Rand des Ruins zu bringen: Die Diamanten-Industrie, weil sie sich standhaft weigern, Diamanten zu kaufen. Und die Restaurant-Industrie in den Innenstädten, weil sie im Gegensatz zu ihren Vorgängern nicht mehr stundenlang beim Geschäftsessen abhängen und sich schon zu Mittag wie Don Draper die Cocktails reinstellen (der berühmte „Power Lunch“).

Sie können nicht so gut Heimwerken wie die Boomer-Generation. Gehen nicht mehr ans Telefon, hängen trotzdem dauernd an ihrem Handy, sind nicht mehr in der Lage, eine Familie zu ernähren – sie sind offenbar die personifizierten Jammerlappen unter allen Generationen.

Sie werden „Snowflakes“ geschimpft, weil sich jeder einzelne von ihnen angeblich für ganz besonders hält und gleichzeitig so empfindlich ist, dass er gleich schmilzt, wenn es mal ein bisschen heiß her geht. Millennials erwarten angeblich schon für alltägliche Dinge einen Pokal, weil sie schon von klein auf eingetrichtert bekamen, dass sie genauso wie sie sind, einsame Klasse sind. Ach so: Arbeiten können sie übrigens auch nicht, stattdessen schielen sie vom ersten Arbeitstag auf die Einhaltung ihrer „Work-Life-Balance“ und nehmen sich sogar frei, wenn sie sich psychisch angegriffen fühlen, anstatt wie ihre Väter die Gefühle einfach mit Alkohol runter zu spülen.

Der Satz passt zu jedem einzelnen Tweet von Donald Trump

Dass das alles nicht ganz so einfach ist, ist natürlich auch klar: Dass die Baby Boomer einen großen Anteil daran hatten, dass der Klimawandel unsere Zukunftsaussichten mehr als düster machen, dass der Immobilienmarkt so überhitzt ist, dass sich kein Normalsterblicher mehr Wohneigentum leisten kann, dass die Ausbildung in den USA inzwischen so teuer ist, dass man auf Jahrzehnte hoch verschuldet ist – all diese Tatsachen vergessen die Boomer dabei gerne, schließlich passt es nicht ins Narrativ der faulen Millennials, die einfach gar nichts mehr hinkriegen.  

Was bleibt einem Millennial also übrig, um  sich wenigstens einen Hauch von Würde zurück zu erobern? Weinen? Das würden die Boomer vermutlich nur noch lustiger finden. Streiten? Nicht mit Baby Boomern, denn sie sind die Meister der ALL CAPS-Facebook-„Diskussionen“.

Da kam vor einigen Wochen ein winziger Zwei-Wort-Satz, der die Antwort auf all diese Beleidigungen, Angriffe und Gemeinheiten ist. Der Satz drückt eine Resignation aus, mit der sich erschöpfte Millennials hervorragend identifizieren können: „OK, Boomer“ ist der Satz, der zu jedem Tweet von Donald Trump ebenso passt wie zu den neuesten Behauptungen über die Nutzlosigkeit von Millennials. Schon gut, Opa. Red’ weiter. Du musst es ja wissen. Das Schönste daran ist aber, dass der Satz in seiner Respektlosigkeit hervorragend dazu geeignet ist, die Boomer auf die Barrikaden zu bringen.

Denn der Satz ist so herrlich blöde passiv-aggressiv, dass selbst dem abgestumpftesten Facebook-Krakeelern einleuchtet, dass die zwei Worte definitiv keine Zustimmung enthalten, auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag. Und auf einmal spüren die Baby Boomer, wie es sich anfühlt, als eine Generation komplett lächerlich gemacht zu werden.  

chwae

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