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„Wir leben in einer Emoji-Filterblase“

Icons: Mantas Rimkus

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Mantas Rimkus, 26, hat sich während seines Studiums an der Willem de Kooning Academy in Rotterdam mit Protestkultur und deren Ästhetik auseinandergesetzt. Bei Recherchen im Netz fiel ihm auf, wie wichtig Protestsymbole zur globalen Verständigung sind. Und das genau diese Symbole in jenem Alphabet, das gerne als universal bezeichnet wird, fehlen: dem Emoji-Alphabet.

Darum hat er als Bachelorarbeit kritische Emojis entworfen. Auch das Emoji-Update für 2018 enthält zwar Rothaarige, Waschbären und Cupcakes – aber keine Emojis, die Weltprobleme abbilden. Zeit für einen Anruf bei dem Menschen, der das ändern will.  

jetzt: Hallo Mantas, welches Emoji hast du als letztes an jemanden verschickt? 

Mantas Rimkus: 😍.

Und welches benutzt du am allerhäufigsten? 

😬. Das benutze ich eigentlich immer, wenn ich gestresst bin. Ehrlich gesagt verschicke ich aber lieber Emoticons, also zum Beispiel :O oder :). Sie sind die Urform von Emojis. Als Grafikdesigner bevorzuge ich Schrift und die Kombination verschiedener Buchstaben und Zeichen. Das lässt mehr Raum für Kreativität. Manche Emojis sind allerdings sehr hilfreich, um bestimmte Emotionen oder Objekte präzise darzustellen.  

Kürzlich wurden die neuen Emojis für 2018 präsentiert. Wie gefallen sie dir?  

Wahrscheinlich ist es eine gute Sache, dass zuvor vernachlässigte Gesellschaftsgruppen jetzt auch ihre eigenen Emojis haben. Vermutlich wäre es aber für alle besser gewesen, wenn Apple und Co. einfach bei ihren ersten, abstrakten Emojis geblieben wären. Spätestens mit Einführung der verschiedenen Hautfarben haben sie die Büchse der Pandora geöffnet. Nun müssen sie im Grunde eine unfassbare Menge an Emojis hinzufügen, um alle Nutzer glücklich zu machen. 

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Icon: Mantas Rimkus
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Icon: Mantas Rimkus
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Icon: Mantas Rimkus
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Icon: Mantas Rimkus
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Icon: Mantas Rimkus
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Icon: Mantas Rimkus
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Icon: Mantas Rimkus
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Icon: Mantas Rimkus
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Icon: Mantas Rimkus
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Icon: Mantas Rimkus

Du hast mit deinem Demoji-Projekt ebenfalls Beispiele für fehlende Emojis geliefert. Ein Blut-Emoji etwa.

Ja, ein Blut-Emoji und ein Öl-Emoji. Beides habe ich aus dem Schweiß- beziehungsweise Regentropfen-Emoji gemacht, wofür ich einfach die Farbe verändert habe. Dass es kein Blut-Emoji gab, hat mich tatsächlich schockiert, denn Blut ist doch essentiell für Menschen. 

Wann hast du angefangen, eigene Emojis zu kreieren?

Zum einen brauchte ich 2017 ein Abschlussprojekt für meine Bachelorarbeit. Gleichzeitig beschäftigte ich mich viel mit Dingen, die in der Welt passierten: Trumps Ernennung zum Präsidenten, seinem Austritt aus dem Klimavertrag, den darauffolgenden Protesten und den „Women’s March“ etwa. Bei all diesen Demo-Events fiel mir auf, dass es zwar starke ikonische Symbole, wie etwa die pinken „Pussy Hats“ gab, aber keine entsprechenden Emojis dafür. Darauf aufmerksam zu machen, wurde dann zu meinem Projekt,das ich zusammen mit dem Lava Design Studio entwickelt habe.

Emojis sind mit ihrem Comic-haften Aussehen ja erst mal eher lustig oder niedlich. Banalisiert ihre Verwendung nicht per se jedes ernsthafte Thema?


Damit könntest du recht haben. Ich habe mich bei den Demojis zwar extra genau an die kitschigen Vorlagen gehalten, um den Kontrast zu verdeutlichen und den Wiedererkennungswert beizubehalten – eigentlich wäre es aber besser, sie realistischer zu zeichnen. 

copyright mantasrimkus web

Mantas Rimkus, 26, entwarf viele der kritischen Emojis.

Foto: privat

Du hast rund 90 Prozent der Demojis selber entworfen, die anderen Vorschläge stammen von Menschen aus der ganzen Welt, unter anderem Grafikdesignern, aber zum Beispiel auch von einem Mitarbeiter von „Ärzte ohne Grenzen“. Warum hast du sie mit einbezogen? 

Es wird immer so getan, als wären Emojis eine Weltsprache – dabei stimmt das gar nicht. Wir im Westen meinen „Frieden“, wenn wir eine weiße Flagge verschicken, in Japan heißt das „Tod“. Ich fand es spannend, neue ikonische Symbole aus anderen Ländern kennenzulernen und ihre Bedeutung zu verstehen. Von der russischen Designerin Jannete Mark kam der Vorschlag für ein grün-weiß gestreiftes Emoji, ein Muster, das man in Russland an vielen Baustellen auf Bauschildern sieht. Für die Menschen dort ist dieses Muster inzwischen symbolhaft für die korrupten Geschäfte einer Regierung, die zwar Großbauprojekte finanziert, ihre Bürger aber manchmal nicht richtig ernähren kann. 

 

„Eine Chinesin, die ich um Einsendung gebeten hatte, fand meinen Ansatz problematisch“

 

Wofür steht das Quietscheentchen mit den x-Augen? Stammt das auch aus dem Ausland?

Die Idee dafür hat ein Brasilianer geliefert, ich fand es sehr interessant. Das Enten-Symbol richtet sich gegen die Korruption der Rousseff-Regierung. Wenn du dir Fotos der Demonstrationen im Internet anschaust, kannst du sehr viele aufgeblasene Plastikenten mit derartigen Augen sehen. Auch in Russland wurden zu Anti-Korruptions-Demos mehrfach Quietscheentchen mitgebracht.

 

Warum sind kritische Emojis wichtig? 

Ich glaube, dass die vorhandenen Emojis die Realität einfach nicht widerspiegeln. Neulich habe ich auf der Seite von „Museum of Internet“ einen Screenshot gesehen, der den Gebrauch von Emojis in den sogenannten Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer zeigt. Während in den Industrieländern die positiven Emojis überwiegen, scheinen Menschen aus Schwellen- und Entwicklungsländern viel häufiger traurige Emojis oder auch das Betende-Hände-Emoji zu benutzen. Eine Chinesin, die ich um Einsendung eines „kritischen“ Smileys gebeten hatte, fand meinen Ansatz allerdings problematisch, fast beleidigend. Sie war der Meinung es sei nicht gut, dass ich Menschen aus „Problem-Ländern“ nach „Problem-Emojis“ frage. 

 

„Wenn du mit Emojis auf Missstände aufmerksam machen willst, wird das schnell abstrakt“

 

Welchen Einfluss haben Emojis deiner Meinung nach darauf, was wir als Realität wahrnehmen?

Man könnte sagen, wir leben in einer „Emoji-Filterblase“, die das Unicode-Gremium für uns kreiert hat. Dieses Gremium, dass von Firmen wie Facebook und Apple mitbestimmt wird, hat mit der Entscheidungshoheit über die Emoji-Tastatur eine enorme Macht über unsere digitale Kommunikation. Wenn es um unverfängliche Dinge wie Essen oder Shopping geht, sind die Emojis sehr vielfältig und präzise. Bei kritischen Dingen, wie Protesten, die ja immer häufiger auch digital stattfinden oder zumindest im Internet organisiert werden, ist die Auswahl hingegen extrem limitiert. Wenn du per Whatsapp, Twitter oder Facebook mit Emojis auf globale Missstände aufmerksam machen willst, dann wird das schnell ziemlich abstrakt.

 

Die Emojis, die du vorschlägst, etwa der Stacheldraht, die Bombe oder die mit Blut bedeckte Erde, sehen ziemlich brutal aus. Damit könnte man ganz schön austeilen...


Als ich die Emojis kreiert habe, war mein primäres Ziel nicht, dass sie Teil der Emoji-Tastatur werden, sondern Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass sie es bisher nicht sind. Doch selbst wenn sie es wären, würde ihr Missbrauch nur ein gesellschaftliches Problem reflektieren, dass wir ohnehin schon haben: die Verrohung der Sprache im Netz. Ein Problem, um dass sich die Internetkonzerne ja auch nicht wirklich kümmern...

 

Hast du eigentlich versucht, Kontakt zum Unicode-Konsortium aufzunehmen, um deine Demojis einzureichen?


Die Frist dafür habe ich grade verpasst, die Möglichkeit gibt es nur alle zwei Jahre. Ich würde aber höchstwahrscheinlich eh nur einreichen, um dann abgelehnt zu werden. Die wollen sich ihre schöne „Emoji-Blase“ sicher nicht kaputtmachen lassen.

 

Alle Demojis kann man auf dieser Seite anschauen – und auch eigene einreichen. Wenn man die einzelnen Emojis aufruft, gibt es außerdem eine Erklärung, was sie bedeuten. Und auf dieser Seite kann man sich sein eigenes Demoji-Poster zusammenstellen

Mehr zur „Weltsprache Emoji“ – oder auch nicht:

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