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„Jeder Witz ist eine klare Verletzung meiner Würde“

Screenshot: Twitter @melissablake

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Tiktok Challenges, in denen Eltern ihren Kindern einen Streich spielen, sind nichts Neues. Felicity Kane’s Account, den sie ausschließlich nutzt um ihre zwei Söhne hereinzulegen, hat über eineinhalb Milliarden Follower*innen. Im März trendete außerdem der Hashtag #poopchallenge, als Eltern vorgaben, ihre Kinder mit Exkrementen zu beschmieren, der aber aus Erdnussbutter und Schokolade bestand. Die meisten dieser Challenges sind harmlos. Einige sogar witzig. 

Anders ist es mit der „New Teacher Challenge“. Seit kurzem geht eine diskriminierende Ausformung dieser Challenges auf Tiktok viral. Eltern behaupten, ihren Kindern den*die neue*n Lehrer*in vorzustellen, zeigen dann aber ein Foto einer Person, mit einem (angeblich) witzigen Gesichtsausdruck. Vielfach wurden für diese Challenge Fotos von Menschen genutzt, die aufgrund einer Behinderung bestimmte äußerliche Merkmale aufweisen. Die Reaktionen der Kinder, meistens ängstlich oder angeekelt, laden die Nutzer*innen dann als Video auf Tiktok.

Eine, deren Gesicht für die Challenge genutzt wird, ist die Aktivistin und Speakerin Lizzie Velasquez. In einem Video auf ihrem Instagram-Kanal prangert sie den Trend an: „Die Personen, die ihr in euren Fotos und Videos zeigt, sind Menschen. Wir haben Gefühle und wir arbeiten jeden Tag an unserem Selbstbewusstsein!“ Sie appelliert an die Eltern ihren Kindern beizubringen, dass Menschen, die anders aussehen als sie selbst, weder angsteinflößend, noch witzig oder eklig sind. „Das ist das perfekte Beispiel dafür, dass Freundlichkeit und Akzeptanz zu Hause beginnen“, sagt sie dazu.

Auch Melissa Blake wurde von Freund*innen auf Twitter darüber informiert, dass diverse Fotos von ihr für die „New Teacher Challenge“ verwendet werden. Die Journalistin, Bloggerin und Aktivistin wurde mit dem Freeman-Sheldon-Syndrom geboren, einer Knochen- und Muskelmutation. In einem Essay stellt sie klar: „Ich bin verletzt. Jedes Foto, jeder Witz und jedes grausame Wort ist eine klare Verletzung meiner Würde und meines Wertes als Mensch.“ Die Verantwortung sieht sie ganz klar bei den Eltern. „Erwachsene sollten ihren Kindern beibringen, wie diskriminierend und verletzend solche Streiche sind und nicht im Hintergrund lachen, während ihr Kind vor einem Bild eines Menschen mit Behinderung zurückschreckt.“ Aber auch die Plattform Tiktok kritisiert Melissa scharf dafür, dass sie bisher nicht gegen solche diskriminierende Trends vorgeht. Wenn man nämlich versuche, die Accounts zu melden, die das eigene Foto für die „New Teacher Challenge“ benutzen, versendet Tiktok nur eine Standard-Nachricht, in der sie erklären, dass der Post die Benutzerrechte nicht verletze.

Auf ihrem Twitter-Account postet Melissa regelmäßig Selfies von sich – als Antwort auf diskreditierende Kommentare, die ihr sagen, sie solle damit aufhören Bilder von sich zu veröffentlichen. Ihnen entgegnet sie: „Das ist nichts, woran wir uns jemals gewöhnen sollten. Meine Hoffnung für eine bessere Zukunft ist der Grund, warum ich weiterhin so sichtbar und laut auf Social Media sein werde.“

Tiktok hat in einer Pressemitteilung mittlerweile angegeben, die im Artikel erwähnten Videos gelöscht zu haben. Auf Nachfrage von jetzt erklärte ein Sprecher weiter, dass alle Videos, die für die „New Teacher Challenge” Bilder von Menschen mit Behinderung auf diskriminierende Art verwenden, weltweit gelöscht werden sollen.

Edit: Dieser Text wurde am 3. September um die Stellungnahme Tiktoks erweitert.

lwö

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