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Nieder mit dem „Vielleicht“-Button auf Facebook!

Foto: PolaRocket, photocase / Bearbeitung: Janina Schmidt

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Stell dir vor, du sitzt in einer Bar, die Person gegenüber lädt dich zu ihrer Party ein und fragt, ob du kommst. In dieser Situation stehen so einige Antworten zur Auswahl: „Klar, mega gern”, „Ich hab ‘ne Freundin zu Besuch, darf die mit?”, „Da bin ich leider im Urlaub” oder „Da hat mein Vater Geburtstag, schade”.

Definitiv nicht in der Auswahl: Ein völlig emotionsloses „Vielleicht”, begleitet von einem unmmotivierten Schulterzucken. Eine solche Reaktion würde, zumindest bei mir, zu einer sofortigen Aufhebung der Einladung führen. 

Denn „Vielleicht” ist keine Antwort. Nie.

Arzt: „Sie haben eine böse Grippe.” 

Ich: „Werde ich das überleben?”

Arzt: „Vielleicht.” 

Fahrlehrer: „So, das war die Prüfung.” 

Ich: „Habe ich bestanden?”


Fahrlehrer: „Vielleicht.” 

Freund: „Warum kniest du dich jetzt hin?”


Ich: „Willst du mich heiraten?”

Freund: „Vielleicht.” 

 

„Vielleicht” (auch bekannt als „Jein”) ist als Antwort immer unnütz. Und eigentlich ist das auch jedem klar. Nur auf Facebook, da scheint das vielen – warum auch immer – die passende Antwort auf jegliche Einladung zu sein. Das Resultat: Geburtstagspartys, bei denen zehn Leute zusagen, drei Leute absagen und 42 vielleicht kommen. Bevor sich diese Einstellung vom Netz in die Realität überträgt, fordere ich: Nieder mit dem Vielleicht-Button. Denn es gibt im Prinzip nur drei Gründe ihn zu klicken – und alle drei zeugen von Charakterschwäche:

 

1. Ich habe keine Zeit und/oder keine Lust zu kommen, bringe es aber nicht über mich, auf Absagen zu klicken.

 


Es gibt Leute, für die ist das „Vielleicht” die höfliche Form der Absage. Die denken sich: „Ich komme nicht”, das klingt ja so hart, so gemein, da schwingt gleich so ein „Ich WILL nicht kommen” mit. Und selbst, wenn sie wirklich nicht kommen WOLLEN, dann wollen sie nicht, dass der andere das weiß. Sie wollen ja schließlich zur nächsten Party auch wieder eingeladen werden. Um dann wieder zu beschließen, dass sie nicht kommen wollen, aber Absagen ja so unhöflich ist. 
Ich würde sagen: Vielleicht stellt ihr euch mal nicht so an.

 

Denn hast du wirklich einen Grund, warum du nicht kommen kannst, dann schreib einfach eine Nachricht und teil ihn deinem Freund mit, wenn es ein guter Freund ist. Ist es nur ein flüchtiger Bekannter, wird ihn der Grund eh nicht interessieren. Ihn interessiert nur, ob er den Nachbarn im Voraus zwei oder drei Flaschen Wein vor die Tür stellen soll, damit sie nicht die Polizei wegen Lärmbelästigung rufen.

 

2. Ich habe Zeit, weiß aber noch nicht, ob ich an dem Abend auch wirklich Lust habe oder doch lieber auf der Couch bleibe.

 

Das „Vielleicht” der Partymuffel. Theoretisch haben diese Leute Zeit und theoretisch haben sie Lust, aber praktisch fällt abends manchmal auf, dass es auf Netflix noch mindestens 20 Serien gibt, die dringend geschaut werden müssen. Und da sie sich dieser Eventualität bewusst sind, sagen sie lieber nicht zu, dann müssen sie auch nicht absagen und keine Ausrede für die eigene Faulheit finden. Das Ding ist aber: Der Vielleicht-Button erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Faulheitsanfalls extrem. Einmal zugesagt, spürt man den Druck auch hinzugehen, rafft sich auf und, wer weiß, hat im Zweifel die beste Nacht seines Lebens. Denn allgemein bekannt wenn nicht sogar wissenschaftlich bewiesen ist ja: Die Partys, auf die man nur so halb Bock hat, sind oft die, von denen man noch Jahre später redet. 

 

Wenn einem aber der Vielleicht-Status all diesen Druck nimmt, dann rafft man sich nicht auf und verpasst die Party. Und die nächste auch. Und dann vereinsamt man langsam. Und was bringt das ganze Serienschauen, wenn man niemandem mehr hat, mit dem man die Lieblingsfolgen diskutieren kann?

 

3. Ich habe Zeit, ich habe Lust, aber es könnte sich ja auch noch etwas Besseres ergeben.

 

Das sind die Schlimmsten. Die Menschen, für die Begriffe wie “FOMO” (“Fear of missing out”) erfunden werden, mit denen dann unsere ganze Generation betitelt wird. Es sind die gleichen, die dafür verantwortlich sind, dass jeder in seinen Zwanzigern mindestens einmal ein Buch über Beziehungsunfähigkeit kauft, verschenkt oder geschenkt bekommt. 

 

Sie verbreiten, bewusst oder unbewusst, das Gefühl, dass es eine riesige Ehre für den Gastgeber ist, wenn sie sich wirklich dazu entscheiden, zu kommen. Aber wenn sie da sind, texten sie alle zehn Minuten mit Menschen auf anderen Partys, um zu checken, ob nicht irgendwo doch noch mehr geht. 

 

Nicht selten sind solche Leute dann auch noch die, die sich beschweren, wenn es auf einer Party zu wenig Bier gibt. Oder die zum falschen Ort kommen und dann sauer sind – weil die Party kurzfristig verlegt wurde und man eben nur denen Bescheid geben hat, die zugesagt haben. 

 

Hü oder hott

 

Und alle diese „Vielleichts“ führen zu wahnsinnig verzweifelten Gastgebern. Die müssen dann in immer kürzen Abständen Nachrichten in die Veranstaltung posten, in denen sie darum flehen, dass man sich doch bitte entscheiden möge, weil sie sonst nicht wissen, ob sie drei oder 30 Chipstüten kaufen sollen. Und all der Stress nur, weil Facebook es uns so einfach macht, es uns als Gast so einfach zu machen. 

 

Solange Facebook den fatalen Vielleicht-Fehler nicht behebt, rufe ich darum alle zu dessen Boykott auf. Ich sage: Reißt euch zusammen. Entscheidet euch. Hü oder hott. Rein oder raus. Auf dass kein Gastgeber mehr nachts mit dem Taxi zur Tanke fahren oder sich vier Wochen von Chips ernähren muss. Es ist nur ein kleiner Schritt für euch, aber ein großer Schritt für die Menschheit. 

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