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Influencer, mischt euch ein!

Foto: rawpixel / Unsplash; Bearbeitung: jetzt

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Ein einziger Instagram-Post hat mehrere zehntausend Menschen in den USA dazu gebracht, zur Wahl zu gehen. In dem Post rief Taylor Swift ihre Follower auf, sich an den Midterms zu beteiligen und sprach sich für den demokratischen Kandidaten in ihrem Heimatstaat Tennessee aus. 24 Stunden nachdem der Post online ging, hatten sich landesweit bis zu 65.000 Amerikaner auf der gemeinnützigen Website vote.org neu als Wähler registriert. Zum Vergleich: Im ganzen August 2018 zählte vote.org landesweit insgesamt 56.669 Neuregistrierungen. Am Ende hat trotz Taylor Swifts Post die Kandidatin der Republikaner die Wahl in Tennessee gewonnen, aber diese Zahlen zeigen trotzdem: Soziale Medien bescheren heute ein paar Menschen riesige Macht und großen Einfluss. Und das nicht nur in den USA.

Taylor Swift hat 112 Millionen Follower, damit ist sie auf Platz 8 der weltweit meistgefolgten Accounts. Aber auch deutsche Influencer wie Caro Daur, André Hamann und Leonie Hanne haben jeweils (weit) über eine Millionen Follower, die täglich Stories anschauen, Fotos liken und kommentieren. Wenn man auf deren Instagramaccounts klickt, sieht man Fotos von Mode, Essen, Reisen oder dem sonnendurchfluteten Privatleben. Dabei könnten sie ihren Einfluss für so viel Gutes nutzen.

Denn derzeit erleben wir eine neue Welle von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Wir beobachten eine Weltpolitik, die sich des Populismus’ bedient und Kriege befeuert. Wir müssen uns vor einer Klimakatastrophe fürchten, die unsere Welt zerstören könnte, wenn wir nicht bald etwas dagegen tun. Unsere Zeit ist zu dramatisch, um seinen zwei Millionen Followern nicht mehr als Empfehlungen für Sonnenbrillen zu geben.

Was die meisten Influencer bislang machen, ist die vergleichsweise einfache Lösung: So tun, als wäre schon alles irgendwie gut. Nach einem Terroranschlag mal ein Foto mit #sosad in die Story hauen. Aber ansonsten ist eigentlich alles ziemlich #amazing. Deshalb wende ich mich jetzt direkt an euch:

Liebe Influencer, ihr besitzt unfassbar große Macht

Liebe Influencer, ihr besitzt so viel jenseits von Klamotten, nämlich unfassbar große Macht. Tausende oder sogar Millionen von Menschen hören euch zu, wenn ihr den Mund aufmacht. Dieses Privileg haben immer noch nur wenige Menschen. Nutzt. Es.

Ihr müsst dafür keine ausgeklügelten politischen Statements in eure Frontkamera sprechen. Ihr müsst euch auch gar nicht für eine ganz bestimmte Partei einsetzen. Und eure Accounts können sich weiterhin hauptsächlich um schöne Dinge drehen, das ist okay. Damit verdient ihr euer Geld, das ist euer Job und damit habt ihr eure Reichweite generiert. Ihr sollt nur euren riesigen Einfluss regelmäßig für etwas universell Gutes einsetzen.

Bitte, positioniert euch! Gegen Rassismus, für den Klimaschutz, für die Gleichberechtigung aller Menschen. Gebt zu Unrecht benachteiligten Menschen, die sonst nicht gehört werden, eine Stimme. Oder nutzt eure Plattform zumindest dafür, Menschen zu motivieren, sich umfassend zu informieren, sich eine Meinung zu bilden und diese demokratisch auszudrücken.

Was dafür nicht reicht: ein einmaliges, 15-sekündiges Video mit gelangweiltem Spendenaufruf, für den ihr womöglich noch bezahlt werdet. Wenn ihr wirklich was bewirken wollt, dann müsst ihr schon den gleichen Enthusiasmus an den Tag legen, mit dem ihr normalerweise die immer gleich aussehenden Uhren vor Kaminfeuer, Blumensträuße oder Breakfast-Bowls haltet.

Ja, das könnte etwas anstrengend werden. Ihr werdet Diskussionen führen müssen. Ihr werdet vielleicht ein paar Follower verlieren. Aber stellt euch nur mal vor, was ihr gewinnen könnt. Natürlich könnt ihr nicht die Welt retten, liebe Influencer. Natürlich ist auch euer Einfluss begrenzt. Aber warum sollten wir nicht mal mit ein paar Millionen Menschen anfangen? Wer weiß, wo das hinführen könnte. Und es gibt schon ein paar Influencer, die nicht länger still sind. Madeleine Alizadeh („dariadaria”) aus Österreich zum Beispiel, die sich seit ein paar Jahren konsequent für Umweltschutz, Tierschutz und Gleichberechtigung einsetzt. Oder Danielle Bernstein („weworewhat”) aus Amerika. Nach dem antisemitischen Anschlag auf eine Synagoge in den USA postete sie ein Foto und schrieb: „Ich werde ab jetzt nicht mehr still sein und ich fordere andere Influencer auf, ihre Stimme zu nutzen!“ Da könnte man sich was abschauen.

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