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Social Media: Strategien für Debatten
Wenn der alte Klassenkamerad oder Fußballtrainer plötzlich wirren AfD-Quatsch ins Netz stellt, stellt sich dem klar denkenden Menschen mittlerweile regelmäßig die gleichen Fragen: Ignorieren? Entfreunden? Mit Argumenten dagegenhalten?
Am besten wäre natürlich Letzteres, klar. Aber lässt sich der wutschnaubende Facebook-"Freund" überhaupt überzeugen? Hat man den ganzen Nachmittag Zeit, mögliche Abhandlungen über Chemtrails, BRD GmbH oder von Flüchtlingen verspeiste Kinder als falsch zu entlarven? Wie sollte man vorgehen, wenn man sich nicht über Stunden hinweg die Finger wund tippen will?
Ein Forscherteam der Cornell University in New York hat darauf nun Antworten gefunden. Sie untersuchten zwei Jahre lang mehr als 18.000 Threads im Reddit-Subchannel r/changemyview. Dort posten User ihre Meinung zu einem beliebigen Thema (Comics, Todesstrafe, Donald Trump) und fordern andere auf, sie zu widerlegen. Falls die Überzeugung tatsächlich gelungen ist, kennzeichnet der User den Menschen mit dem besten Argument mit dem mathematischen Symbol für Veränderung, einem "Δ".
Aufgrund dieser Kennzeichnung konnten die Forscher also genau sehen, welches Argument letztendlich die Wende in die Diskussion gebracht hatte. Aus den gesammelten Erkenntnissen hat die Washington Post acht Regeln für eine bessere Überzeugungskraft im Netz zusammengetragen:
1. Antworte lieber früher als später! Am besten sofort.
2. Argumentiere in Gruppen! Wer Unterstützer auf seiner Seite hat, überzeugt leichter.
3. Nach drei oder vier Kommentaren sinkt die Überzeugungskraft. Je länger die Diskussion, desto unwahrscheinlicher wird eine Umstimmung. Irgendwann sollte man also tatsächlich aufgeben.
4. Unterlege deine Kommentare mit starken Fakten oder hilfreichen Links! Zum Beispiel zu den Hoax-Austreibern von Mimikama.
5. Keine Zitate! Wer den "Gegner" zitiert, macht ihn nur wütender. Er fühlt sich dann missverstanden oder macht Vorwürfe wegen Wortklauberei.
6. Bleibe sachlich! Wer selbst ausrastet, steigert die Wut auf allen Seiten.
7. Ausführliche Antworten sind wirkungsvoller als ein kurzes "stimmt doch gar nicht." Wer sich auf eine Diskussion einlässt, sollte also Zeit mitbringen.
8. Bringe das Thema auf eine andere Ebene! Versuche in deiner Argumentation auf Punkte zu verweisen, die zwar Teil des Themas sind, vom Ursprungsposter aber noch nicht direkt angesprochen wurden. Wenn jemand also zum Beispiel den Untergang Deutschlands aufgrund von "Flüchtlingsmassen" anprangert, lässt er sich vielleicht mit einem Blick nach Jordanien oder Schweden überzeugen, die pro Kopf wesentlich mehr Flüchtlinge aufnehmen.
Trotz all dieser Tipps hat die Studie aber auch einen Fakt über die Debattenkultur im Netz hervorgebracht, die den überzeugten Dagegenhalter nicht allzu optimistisch stimmen dürfte: 70 Prozent der untersuchten User blieben bei ihrer ursprünglichen Meinung.