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„Wenn Macht infrage gestellt wird, bin ich dabei!“

Foto. Thomas Karsten / Bearbeitung: jetzt

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„Groß, stark und mächtig“ – in dieses Bild muss heute kein Mann mehr passen. Aber was kommt stattdessen? Das haben wir uns für diese Männerkolumne von alten und jungen, bekannten und ganz normalen Männer erzählen lassen. Folge 5: Konstantin Wecker ist einer der erfolgreichsten deutschen Liedermacher. Er sang schon immer gegen Nazis, Krieg und Herrschaft — und macht das noch heute auf über hundert Konzerten jährlich.

Was bedeutet für dich Männlichkeit?

„Ich bleib ein Mann. Nur keine Angst. / Doch deshalb Herrscher? Danke. Nein“, das habe ich schon vor 40 Jahren in meinem „Lied vom Mannsein“ gesungen. Seit meiner Jugend bin ich ein Anarcho – und weil Mannsein und Herrschaft nun mal zusammengehören, habe ich mich schon immer viel mit diesen Themen auseinandergesetzt. Inzwischen bin ich sogar radikaler, als ich es als junger Mann war. Wir haben jetzt 5000 Jahre Patriarchat, also Herrschaft der Männer, hinter uns und es hat auf voller Linie versagt. Natürlich hat die Zivilisation sich weiterentwickelt, es gab nützliche Erfindungen. Aber vor allem waren da immer wieder Krieg und Unterdrückung. Ich selbst bin ja kein Wissenschaftler, aber es gibt Vermutungen, dass der Mensch in vorpatriarchalen Zeiten klüger war. Er hat gelebt, ohne zu zerstören oder zu knechten.

Für mich ist es deshalb auch überhaupt kein Wunder, dass die „Fridays for Future“-Bewegung vor allem eine weibliche Bewegung ist. Ich unterstütze sie, wo ich kann – zum Beispiel indem ich ihre Wichtigkeit immer wieder auf der Bühne thematisiere. Die Hetze, die Greta Thunberg vor allem von älteren Männern entgegenschlägt, finde ich unsäglich. Die fühlen sich von ihr ausgebootet und verunsichert. Frauen haben über die vergangenen Jahre eine Stärke entwickelt, die sie vorher nicht hatten, und es ist tragisch, dass das im Moment nur in der westlichen Welt möglich ist.

Überhaupt kommt mir diese Zeit vor wie das letzte verzweifelte Aufbäumen des Patriarchats. Trump, Putin, Bolsonaro, die „White Pride“-Bewegung in den USA, der Rechtspopulismus in Europa: Überall macht sich der gleiche Typus Mann breit. Diese Menschen gehören alle in Therapie, aber sie zeigen auch, wie tief die Angst der Männer sitzt. Ich hoffe wirklich, dass das alles nur ein Aufbäumen vor einer echten spirituellen Revolution ist. Denn wenn es so weiter geht, ist es bald vorbei mit uns.

Wie stehst du zu #metoo?

Natürlich berührt es mich, wenn ich erlebe, dass Frauen wie bei #metoo plötzlich Mut haben, laut zu auszusprechen, was ihnen angetan wurde. Meiner Meinung nach ist an dieser Bewegung aber auch gefährlich, dass es sehr schwer ist, solche Anschuldigung loszuwerden, wenn sie erst mal im Raum stehen – selbst wenn man beweisen konnte, dass da nichts dran war. Aber abgesehen davon ist es völlig richtig, dass diese geheimen Selbstverständlichkeiten öffentlich gemacht wurden und werden. Überall, wo Macht infrage gestellt wird, bin ich dabei!

Ist heute alles besser?

Für meine Söhne ist Gleichberechtigung so selbstverständlich, wie sie es in meiner Generation nie war. Ich muss an dieser Stelle auch Selbstkritik üben. Auf der Bühne erzähle ich gern bei ruhigeren Programmen davon, dass meine Gedichte und Lieder immer klüger waren als ich. In meinen Texten konnte ich Verletzlichkeit zeigen und weich sein. Aber jenseits davon war ich gern der Macho. Es gibt zum Beispiel aus meiner frühen Zeit Fotos von mir im Nerzmantel, auf denen ich mich als eine Art Zuhälter inszeniert habe. Ich fand dieses Männerbild toll! Überhaupt war die 68er-Revolution kein bisschen gleichberechtigt, auch damals waren alle Witze frauenfeindlich oder homophob. Das hat sich zum Glück geändert.

Heute haben Männer die Chance zuzulassen, dass Frauen ihnen echte Partner werden. Bei älteren Männern ist die Sache wie gesagt immer noch nicht ganz durch, die hadern grade sehr. Aber es bringt uns auch ja selbst was: Wir haben die Frauen unterdrückt und bekämpft, weil wir unsere eigene Weiblichkeit nicht zulassen konnten. Das haben wir so gelernt, aber es bringt uns nicht weiter. Jetzt müssen wir anstelle dessen das Menschsein entwickeln und zulassen. Ich will, dass wir alle mit dem Herzen denken. Die höchste Errungenschaft des Homo Sapiens ist Mitgefühl und das sollten wir wiederentdecken.

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