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Nein, Hauspartys sind jetzt keine Alternative zum Club

Foto: *madmaster* / photocase.de; Bearbeitung: jetzt

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Am vergangenen Sonntag unterhielten sich an der Ampel ein paar Meter entfernt von mir zwei Frauen Mitte 20: „Ja, ich war ja am Freitagabend noch auf der WG-Party vom Fred“, sagte die eine. Sie redeten über den Kater am nächsten Morgen (ziemlich übel und langwierig) und den DJ (schon irgendwie ganz süß). Irgendwann sagte eine der beiden: „Hoffentlich hatte da niemand Corona.“ Und die andere: „Haha.“ 

Das Problem ist: So witzig ist es leider nicht.

In unserer Welt verbreitet sich ein Virus, das wir in dieser Form bisher nicht kannten, das kaum erforscht ist, an dem Menschen sterben. Vieles von dem, was gerade passiert, hat niemand von uns bisher so erlebt: Landesweit schließen die Schulen und Kitas. Sämtliche Universitätsbibliotheken verleihen keine Bücher mehr. Alle Konzerte werden abgesagt. Fußball-Ligen stellen den Spielbetrieb ein. Und: Clubs müssen schließen. Bars und Cafés dürfen wohl bald in ganz Deutschland, schon jetzt aber in Großstädten wie Berlin, Köln und bald München, keine Gäste mehr empfangen. Und das alles, damit wir unseren Samstagabend auf dem Sofa verbringen und nicht bierselig in den Armen fremder Menschen.

Diese Maßnahmen werden ergriffen, weil sich die meisten an den bloßen Ratschlag, auf freiwilliger Basis nicht auszugehen, schlicht nicht gehalten haben. Und das ist gefährlich. Etwa ein Sechstel der Coronainfizierten in Berlin hat sich im Nachtleben angesteckt. Dass sich das Virus dort schnell verbreitet, ist total logisch: Es ist eng, schwitzig und voll neuer Bekanntschaften. Getränke, Zigaretten und andere Drogen werden geteilt und ab einer gewissen Uhrzeit ist einem alles sowieso ziemlich egal. Die Berliner Gesundheitsbehörden suchen derzeit nach möglichen Kontaktpersonen eines mit Corona infizierten Mannes, der am 7. März im Club „Kater Blau“ tanzen war – um nur ein Beispiel zu nennen.

Klar tut es weh, jetzt aufs Tanzen zu verzichten. Aber es muss sein 

Wir alle amüsieren uns gerne. Die meisten von uns würden den Sonntagnachmittag lieber mit Radler oder Aperol oder Limonade im vollen Café in der Sonne verbringen als alleine durch den Park spazierend oder drinnen am Küchentisch mit dem selbst aufgebrühten Filterkaffee. Auch ich gehe wahnsinnig gerne tanzen, ich liebe es, nachts in einer Bar zu versacken. Ich mag volle Biergärten und Kneipen und wenn die Sonne scheint, zieht es mich raus. Klar tut das weh und klar ist das komisch, wenn das jetzt alles erst mal nicht mehr geht. 

Was aber noch viel weniger geht, sind private Ersatzpartys wie die, von der die beiden Frauen am Sonntagmorgen in München geschwärmt haben. Wie die, die in Großstädten wie Berlin über Zettel in Hausfluren angekündigt werden. Wie die, die in privaten Gruppen auf Telegram oder Whatsapp organisiert werden von Menschen, die sich ein Wochenende ohne Ballern und Party einfach nicht vorstellen können. Oder die, die sich auf Facebook verbreiten, ganz direkt „Corona-Party“ heißen und vor denen das Robert Koch-Institut eindringlich warnt. All diese Partys sind unsolidarisch und zynisch. 

Noch kontrolliert hier in Deutschland niemand, wohin wir gehen, wenn wir auf der Straße sind, wie es in Italien und jetzt auch Frankreich bereits der Fall ist. Noch kann uns niemand verbieten, uns abends in einer kleinen Wohnung zu drängen und zu stapeln, um halt doch feiern zu können, halt doch zu fünft eine Zigarette zu teilen, halt doch zu trinken und rumzumachen mit einem Menschen, den man seit einer halben Stunde kennt und von dem man eines ganz sicher nicht weiß: ob er oder sie mit Corona infiziert ist.

Wer jetzt nicht verzichtet, wird sich später schuldig fühlen 

Ja, diese Feierei ist eigentlich wunderbar und schön. Aber eben nicht jetzt. Denn Hauspartys sind gerade keine harmlose Alternative zu Clubs. Und vollgedrängte, rotweingeschwängerte WG-Küchen sind keine Alternative zu Bars. 

Wir müssen jetzt verzichten – und wer das nicht aushalten will, muss damit rechnen, sich früher oder später schuldig zu fühlen. Denn dieser Verzicht ist nicht langweilig, dramatisch, panisch, albern oder übertrieben vorsichtig, er ist schlicht notwendig. Diese Notwendigkeit gilt auch für junge und vermeintlich gesunde Menschen. Vor allem für sie. Denn wir sind diejenigen, die überall unterwegs sind. Wir bringen den Erreger unter die Leute – und eben auch zu den Älteren, den Schwächeren, den Menschen, die zu einer Risikogruppe gehören. Wir müssen die Übertragungskette unterbrechen. Nichts hält uns davon ab, trotzdem zusammen zu trinken oder sogar zu tanzen, vielleicht ja nicht die ganze Nacht, zumindest aber ein paar Stunden. Verabreden müssen wir uns nur eben virtuell. Wozu haben wir denn alle Smartphones mit Videochat, wozu gibt es Skype? 

Vor einer Woche habe ich mich noch mit einer Freundin darüber unterhalten, ob wir jetzt denn noch tanzen gehen können. Jetzt lautet die Antwort erst mal: nein. Sie gilt für alle Menschen und für alle Orte – ob öffentlich oder privat. 

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