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„Ich musste mich arbeitslos melden“

Fotos: Privat / Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Das Coronavirus trifft die Wirtschaft in Deutschland hart. Großveranstaltungen werden abgesagt, Theater, Clubs und Museen schließen, Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter*innen ins Homeoffice. Wie trifft die Pandemie junge Menschen, die nicht fest in einem Unternehmen angestellt sind und jetzt nicht einfach von daheim aus arbeiten können und weiter ihren Lohn bekommen? Inwiefern wirkt sich Corona auf ihre Jobs aus? Wir haben mit einem Eishockeyspieler, einer Fremdsprachenlehrerin, einem Tontechniker und einer Studentin gesprochen. 

„Ich bekomme nur Geld, solange ich spiele“

Jakob, 24, ist Eishockeyspieler in der Oberliga. Um seinen Verein zu schützen, möchte er hier kein Bild von sich zeigen. 

„Als Eishockeyspieler in der dritten Liga habe ich kein gesichertes Einkommen. Ich bekomme nur Geld, solange ich spiele. Inzwischen wurden alle Spiele abgesagt – und damit fällt mein Verdienst aus. Ich musste mich jetzt arbeitslos melden. Das muss ich allerdings immer, sobald die Saison endet – und das wäre sowieso bald passiert. Dadurch, dass sie jetzt so plötzlich abgebrochen wurde, entgehen mir netto allerdings etwa 1000 Euro. Ich kann das zum Glück verkraften. Ich bin nämlich sehr sparsam und werde schon über die Runden kommen. Von meinen Teamkollegen gibt es aber einige, bei denen es öfter mal knapp wird mit dem Geld und die das bestimmt härter treffen wird.

Mir wurde das erste Mal bewusst, wie sehr sich das Coronavirus wohl auch auf unseren Sport auswirken wird, als wir vergangene Woche gegen ein Team spielten, das nur mit einem Teil der Mannschaft anreisen konnte: Die anderen Mitspieler waren in Quarantäne. Kurz darauf wurden die Spiele der ersten und zweiten Liga abgesagt – da war eigentlich klar, dass es jetzt bei uns wohl auch nicht mehr lange weitergeht. Denn wenn aus der zweiten Liga niemand absteigt, können wir auch nicht aufsteigen. Und wozu soll der Verein dann weiterspielen? Gerade die Vereine kommt das Coronavirus teuer zu stehen: Die verdienen ja nichts mehr, wenn keine Zuschauer kommen. Einige wenige Spieler haben bei uns auch Jahresverträge – die hat der Verein inzwischen ebenfalls gebeten, freiwillig auf ihr Gehalt zu verzichten und sich arbeitslos zu melden.“

„Seit Februar läuft alles nur noch kurzfristig“

Corinna, 30, ist Fremdsprachenlehrerin in Berlin:

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Foto: Privat

„Seit sechs Wochen spüre ich die Auswirkungen von Corona schon bei der Arbeit. Als Fremdsprachenlehrerin bin ich es gewohnt, dass Unterrichtsstunden und Kurse spontan geplant werden oder auch mal ohne Kompensation ausfallen. Kaum jemand in der Branche ist fest angestellt. Doch seit Februar läuft alles nur noch kurzfristig. Wie sollen wir planen, wenn wir immer erst ein paar Tage vorher erfahren, dass eine weitere Gruppe den Deutschkurs abgesagt hat? Ich lebe von dem Gehalt als Lehrerin. Wenn ich nicht unterrichte, verdiene ich nichts. So steht es in meinem Vertrag.

Damit es am Ende des Monats für mich reicht, müsste ich mindestens 20 Stunden pro Woche unterrichten, aber das sieht gerade schlecht aus. Von meinen Schüler*innen, die ,asiatisch‘ aussehen, bekomme ich mit, wie unangenehm es für sie in Berlin geworden ist. Sie gehen kaum mehr auf die Straße, um Anfeindungen zu vermeiden. Das sind Entwicklungen, die ich sehr kritisch betrachte. Heute habe ich mir das erste Mal Sorgen darum gemacht, was passieren würde, wenn es meine Familie treffen würde. Persönlich habe ich wenig Angst vor dem Virus, da ich nicht zur Hauptrisikogruppe gehöre. Meine Sorgen drehen sich vor allem um meinen Arbeitsausfall und die Frage, wie ich Miete, Rentenversicherung, Vorauszahlungen an das Finanzamt und alles andere sonst bezahlen soll.

Ich wünsche mir von den Behörden vor allem Informationen. Nicht darüber, wie man sich die Hände wäscht, sondern was mit all den Selbstständigen passiert, denen jetzt das Einkommen wegbricht. Ich verstehe die Vorsichtsmaßnahmen, genauso wie ich versuche, für meine ausländischen Schüler*innen da zu sein. Gerade gibt es unglaublich viele Gerüchte. Wir versuchen, den Unterricht so zu gestalten, dass keine Panik ausbricht. Aber auch wir Selbstständigen brauchen Hilfe, nicht nur Unternehmen oder etwa unsere Auftraggeber. Ich hoffe jetzt, dass ich ein paar meiner Kurse auf Online-Unterricht umstellen und so die Zeit überbrücken kann. Denn ob wir wirklich Hilfe vom Staat bekommen, weiß ich nicht.“ 

„Für mich würden mehrere Tausend Euro an Lohn entfallen“

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Foto: Privat

Patrick, 25, ist Tonmann und Kameraassistent:

„Ich arbeite als selbstständiger Tonmann und Kameraassistent für Fernseh- und Werbeproduktionen. Momentan drehe ich viel im Ausland. Seitdem die Corona-Pandemie weltweit auf dem Vormarsch ist, wurden schon mehrere große Drehs abgesagt, für die ich engagiert war. Unter anderem in Nordrhein-Westfalen, in Zürich und in Hamburg. Weil ich selbstständig bin, zahlt mir niemand diesen Verdienstausfall.

Im Winter finden generell wenig Drehs statt, weil da wegen der kurzen Tage weniger gedreht werden kann. Es gibt einfach zu wenig Tageslicht, um große Produktionen schnell umzusetzen. Seit Anfang März gibt es wieder mehr Jobangebote, die Branche kommt also gerade aus einer Art Winterschlaf. Dass die schon gebuchten Drehs jetzt wegen Corona gecancelt werden, könnte für viele aus der Branche problematisch werden, weil viele Menschen, die am Set arbeiten, seit Monaten wenig Geld verdient haben. 

Eigentlich steht bei mir schon ab Sonntag ein mehrwöchiger Dreh in den USA an. Jetzt hat Trump ja einen Einreisestopp für Europäer verhängt, der ab Freitag gelten soll. Wir versuchen deshalb gerade, einen früheren Flug in die Vereinigten Staaten zu finden, sodass wir noch einreisen können, bevor der Einreisestopp greift. Keiner von uns hat sich in einem Risikogebiet aufgehalten oder spürt irgendwelche Symptome. Der Dreh ist wichtig, in dem Projekt steckt viel Geld. Auch für mich würden mehrere Tausend Euro an Lohn entfallen, deshalb hoffe ich, dass wir es irgendwie noch schaffen einzureisen.“

„Da das nur ein Nebenjob ist, habe ich keinen Anspruch auf den Verdienstausfall“

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Foto: Privat

Tabea, 28, ist Studentin. Mehrere ihrer Nebenjobs wurden wegen des Virus abgesagt:

„Ich studiere Kunstgeschichte und Museologie im Master in Tübingen. Zurzeit mache ich ein Praktikum, das Gehalt reicht hier aber gerade so für die Monatsmiete. Deshalb wollte ich im April beim Stuttgarter Frühlingsfest auf dem Cannstatter Wasen an der Bar arbeiten. Das habe ich vergangenes Jahr schon gemacht, da verdient man für einen Kellner-Job echt gutes Geld. Am Mittwoch wurde das Frühlingsfest aber komplett abgesagt.

Meine Chefin bei der Cateringfirma sagte mir den Job eine halbe Stunde nachdem die Absage des Frühlingsfests durch die Medien gegangen war, ab. Schon Anfang der Woche wurden mehrere Großveranstaltungen wie die lange Nacht der Museen in Stuttgart abgesagt. Auch dort hätte ich gearbeitet. Da fehlt mir nicht nur das Geld, sondern auch eine wichtige Referenz für den Lebenslauf. Deshalb habe ich schon mit der Absage des Frühlingsfests gerechnet. Vor allem, nachdem gestern der Semesterstart in Baden-Württemberg auf Mitte April verschoben wurde.

Dadurch, dass ich nicht auf dem Wasen arbeiten kann, gehen mir knapp 1000 Euro flöten, auf die ich eigentlich angewiesen bin. Da das nur ein Nebenjob ist, habe ich keinen Anspruch auf den Verdienstausfall. Ich wollte im Sommer eigentlich auf mehreren Festivals an der Bar arbeiten. Auch da schaue ich mich mittlerweile nach Alternativen um, weil man sich ja nicht sicher sein kann, ob die stattfinden. Wegen Corona ist es gerade echt verdammt schwierig, einen Nebenjob in der Veranstaltungsbranche zu kriegen.“

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