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„So sehen Depressionen aus“

Foto: Screenshot Facebook

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Depressionen sind eine ernste Erkrankung und für Betroffene schwer zu ertragen. In der Theorie dürften die meisten Menschen das inzwischen verstanden haben. Und doch fällt es Außenstehenden oft schwer, wirklich zu verstehen, worunter genau Menschen mit Depressionen leiden. 

Seit einer Zeit schon versuchen viele Betroffene deshalb, anderen (online wie offline) zu erklären, was ihre Erkrankung ausmacht, wie sie sich anfühlt und warum auch nicht sichtbare Symptome eben doch im Alltag behindern können.

Daran allerdings scheitern viele. Sie finden nicht die Kraft oder die richtigen Worte, um zu beschreiben, wie hilf- und machtlos sie sich fühlen. Umso besser, wenn es eine Betroffene so dermaßen auf den Punkt bringt, dass sie Hunderttausenden aus der Seele spricht: Die US-Amerikanerin Brittany Ernsperger schaffte das mit einem einzigen Facebook-Post.

„So sehen Depressionen aus“, schreibt Brittany zu einem Bild, in dem sich Geschirr stapelt. Zunächst wirkt darauf nichts besonders ungewöhnlich –der Stapel sieht aus, als hätte gerade eine Großfamilie zu Mittag gegessen und nun eben alles abgespült. Das Besondere am Post ist eher, was Brittany dazu schreibt: „Nein, es geht nicht um das saubere Geschirr.“ Sondern, so schreibt sie weiter, darum, dass sich vorher überhaupt so viel dreckiges angesammelt hatte.

„Vor drei Tagen saß ich auf dem Küchenboden und starrte das Geschirr an, während ich weinte. Ich wusste, es musste gespült werden. Ich wollte es so gerne spülen. Aber die Depression (...) sog mich ein wie ein Schwarzes Loch. (...) Ich lief daran vorbei, morgens, abends, den ganzen Tag über sah ich mir das Geschirr an. Ich sagte mir, dass ich noch abspülen würde. Und fühlte mich besiegt, weil ich es doch nie geschafft habe.“ Sie habe sich immer wieder wertlos und „wie ein Stück Scheiße“ gefühlt, weil sie kein sauberes Geschirr mehr gehabt habe, um für ihre Kinder zu kochen.

Und das Geschirr sei ja nicht das einzige Problem. Es ginge ihr während der Depression immer und mit jeder Aufgabe so. Genau wie vielen anderen, die daran erkrankt seien. Ihnen sagt sie: „Mir ist ganz egal, ob du es heute nur geschafft hast, Deo aufzutragen. Das hast du gut gemacht! Ich bin stolz auf dich. Ich bin an deiner Seite!“

Für diese Beschreibung und die aufmunternden Worte erntet die junge Mutter viel Zuspruch: Ihr Beitrag wurde hunderttausendfach geliket und geteilt, hunderte Male kommentiert. Einige Facebook-Nutzer verlinken ihre eigenen Liebsten darunter und schreiben: „Lies das für mich“ oder „Ich hoffe, hierdurch wirst du verstehen, wie es deiner Mutter geht“. Viele Facebook-Nutzer danken Brittany auch einfach, weil sie endlich Worte für etwas gefunden habe, was sie selbst nie beschreiben konnten. Sie öffnen sich in den Kommentarspalten und geben zu: „Das ist, was ich jeden Tag durchmache.“

Diese Reaktionen waren wohl auch Brittanys Ziel. Am Ende ihres Posts schreibt sie: „Ich will kein Mitleid. Ich will nur jeden wissen lassen, dass ich für ihn da bin. Ich verstehe es. Wenn du jemanden zum Reden brauchst – ich bin immer für dich da und will dir helfen.“

Und reden, das will sie auch jetzt, nach ihrem Erfolg auf Facebook, noch immer. In einem Update zeigt sie sich gerührt von all der Liebe, die sie für ihren Beitrag bekommen hat. Und schreibt, dass sie Menschen gerne auch um ihre Facebook-Freundschaft bitten könnten, wenn sie Redebedarf hätten.

lath

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