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„Man schneidet sich bei einer Sterilisation nicht die Eier ab!“

Foto: Gabriel Ruffato für Hyperbole

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Niemals Kinder bekommen können – absichtlich? Jan Schipmann ist 33 Jahre alt, arbeitet als Journalist und wird sich sterilisieren lassen. Seine Entscheidung thematisiert er auf dem Youtube-Kanal „Hyperbole“ in der Dokureihe „Deadline“. Er spricht dafür unter anderem mit seinem Bruder, seiner Ex-Freundin, seinem Vater und einem Mönch.

jetzt: Du willst dich sterilisieren lassen. Warum? 

Jan Schipmann: Ich möchte keine Kinder haben und ganz sicher gehen, dass das auch nicht aus Versehen irgendwann passiert. Wenn man ein Kind hat, trägt man sehr viel Verantwortung für ein anderes Wesen. Dem kann ich mit meinem Lebensmodell nicht gerecht werden.

Warum reichen dir konventionelle Verhütungsmethoden nicht? 

Ich finde es unverantwortlich, dass man Frauen zumutet, die Pille zu nehmen. Es gibt natürlich alternative Methoden, aber die gehen auch mit Nebenwirkungen einher. Ich kann also jetzt auch in einer Beziehung Verantwortung bei der Verhütung übernehmen und damit die Last, die wirklich immer bei der Frau liegt, wegnehmen. Außer bei Kondomen vielleicht, aber Kondome sind mir zu unsicher. 

Wann hast du dich zu dem Schritt entschieden? 

Seit fünf bis sechs Jahren denke ich ernsthaft darüber nach. Im Februar ist die OP. 

Du bist erst 33. Was, wenn du es bereust? Würdest du die Vasektomie rückgängig machen?

Das ist zwar theoretisch möglich, laut meinem Arzt aber nur mit einer Chance von 30 bis 50 Prozent. Je länger die Vasektomie zurückliegt, desto kleiner wird die Chance. Außerdem kostet der Eingriff zehn Mal so viel wie eine Sterilisierung – also etwa 5.500 Euro – und ist sehr aufwändig. Sollte ich meine Meinung ändern und doch mal irgendwann Kinder wollen, kann ich mir auch Adoption vorstellen.

Wie reagieren Menschen auf deine Entscheidung? 

Ich habe viele Reaktionen in die verschiedensten Richtungen bekommen und mir deswegen gedacht, dass es zu schade wäre, das Thema nicht öffentlich zu debattieren. Viele finden meine Entscheidung zur Sterilisierung mutig. Das finde ich krass, denn für mich ist das nur der logische Schritt. Es wird erwartet, dass man Kinder will. Dadurch, dass man wider der Norm handelt, ist es plötzlich mutig und was ganz Großes. Diese Norm, die bei jeder schlechten Liebeskomödie transportiert wird, schwingt wirklich bei jeder Konversation, die ich zu diesem Thema führe, mit. Und dann kommt oft ‚Was ist, wenn dann die eine Frau kommt, die Liebe deines Lebens, und die will Kinder?‘ Da kann ich nur sagen, ich bin sehr transparent in meiner Entscheidung. Außerdem werde ich oft gefragt, was passiert, wenn ich alt und allein bin. 

Was entgegnest du da? 

Jeder stirbt für sich allein. Natürlich ist es schön, wenn dann Menschen um das Bett stehen und die Hand halten. Aber diese Erwartung kann man nicht in Kinder setzen. Zu sagen ‚Okay, ich zieh dich auf, ich kümmere mich um dich aber gleichzeitig musst du für mich da sein, wenn ich irgendwann nicht mehr so kann‘. Das ist wahrer Egoismus.

„Ich glaube, dass es ein viel größeres Tabu ist, wenn es eine Frau macht“

Wenn die Sterilisierung deiner Meinung nach kein großes Ding ist, wieso machst du sie dann zum Politikum? 

Ein Politikum ist es auch, ohne dass ich es dazu mache. Ich mache meine Entscheidung nur öffentlich. Ich trage also dazu bei, dass es auf lange Sicht als deutlich normaler angesehen wird, dass ein Mann sich sterilisieren lässt, als es jetzt der Fall ist. Ich sehe die Videos auch als ein Informationsangebot und sehe an den Kommentaren, wie nötig das ist. Und gleichzeitig setze ich mich dadurch natürlich auch intensiv mit den Konsequenzen meiner Entscheidung auseinander, positiv wie negativ.

Was steht denn in den Kommentaren?

Manche meinen zum Beispiel, man würde sich was abschneiden. Man schneidet sich bei einer Sterilisation nicht die Eier ab! Und da kommt auch noch mehr als heiße Luft raus später.

Ist es ein Tabu, wenn sich ein junger Mann sterilisieren lässt?

Ja, ein Stück weit schon – in meinem Alter ohne Kinder. Aber ich glaube, dass es ein viel größeres Tabu ist, wenn es eine Frau macht.

Was hast du aus den Videos mitgenommen? 

Der Mönch, mit dem ich gesprochen habe, hat mir mitgegeben, dass Fruchtbarkeit über die Fortpflanzung hinausgeht. Ich glaube, dass Fruchtbarkeit eine Sache ist, die man in seinem Alltag im Kopf haben sollte: Was bewirke ich durch meine Handlungen? Was bewirke ich durch meine Arbeit, durch Interaktion mit Menschen? Was möchte ich von mir hinterlassen und wie möchte ich von anderen Menschen angesehen werden?

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