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Erwachsen werden ist der Horror

Bild: MM Filmpresse

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Erwachsen werden kann unfassbar anstrengend sein. Plötzlich ist man für das eigene Leben verantwortlich – und muss nicht selten alles in Frage stellen, was man zu Hause gelernt hat. Man entwickelt Gefühle, die einem gefährlich und kaum zu bändigen erscheinen. Und entdeckt in sich Kräfte, von deren Existenz man nichts wusste. 

So geht es auch Thelma (Eili Harboe) in dem gleichnamigen Film des norwegischen Regisseurs Joachim Trier. Die junge Frau stammt aus einem streng religiösen Elternhaus in der norwegischen Provinz. Zum Studieren ist sie nach Oslo gezogen, wo sie zunächst brav lernt und ihre Freizeit sinnvoll füllt: Sie kocht gesund, sie schwimmt, sie schläft und lernt. Ständig klingelt ihr Handy – es sind die Eltern, die genau wissen wollen, was Thelma wann und mit wem unternimmt.

Doch dann lernt Thelma Anja (Kaya Wilkins) kennen, löst sich langsam von den rigiden Wertevorstellungen ihrer Familie und beginnt zeitgleich, immer häufiger an rätselhaften Krampfanfällen zu leiden. Die Beziehung der beiden jungen Frauen vertieft sich weiter, sie verlieben sich ineinander – und Thelma gerät aufgrund ihrer religiösen Erziehung in immer stärkere Gewissenskonfikte. Die Anfälle häufen sich, die rätselhaften Zeichen auch: Vogelschwärme prallen gegen Fensterscheiben, Lichter flackern, gehen an und aus, Glas zersplittert.

Plötzlich verschwindet Anja. Und Thelma kehrt zurück in den Schoß ihrer Familie: zurück in eine Atmosphäre des Verdrängens, Schweigens und der versteckten Aggressionen.

„Thelma” ist kein Horrorfilm, aber er beschreibt  mit den Symbolen des Genres die Entwicklung der Protagonistin. Dabei ist er bisweilen ungleich packender als das brutalste Kettensägenmassacker. Denn er schafft es, die extrem schmerzhafte Ablösung der jungen Frau von ihrem erdrückenden Elternhaus so exakt zu beschreiben, dass es einem fast den Magen umdreht. Vogelschwärme, die sich unnatürlich verhalten, tiefes, dunkles Wasser, schwebende Menschen, flackernde Lichter, übernatürliche Phänomene: All diese Bilder verwendet Regisseur Joachim Trier, um die Entwicklung von Thelma zu beschreiben.

Als Zuschauer wird man immer tiefer in das Leben der jungen Frau gezogen, die Wahrheiten über sich akzeptieren muss, die sich mit bisherigen Überzeugungen nicht vereinbaren lassen.

Der Film lässt sich kaum in eine Genre-Schublade einordnen, von manchen Kritikern wird er als romantischer Science-Fiction-Thriller mit Horror-Elementen bezeichnet, worunter man sich also so gut wie nichts oder alles vorstellen kann. Doch eigentlich passt er nur in eine Schublade: in die, in der die wirklich guten Filme landen.

Der Film kommt am 22. März in die deutschen Kinos. 

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