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Tipps von einem, der am kältesten Ort der Erde war

Foto: Sebastian Balders

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Sebastian Balders ist Diplom-Meteorologe (FH) aus Berlin, bezeichnet sich selbst als „Winterkind“. Er ist immer wieder an den kältesten Orten der Erde, unter anderem reiste er   zum kältesten bewohnten Ort: Oimjakon in Sibirien. Dort herrschen bis zu minus 56 Grad. Was sagt so jemand zum deutschen Winter? Ein Telefonat.

jetzt: Deiner Erfahrung nach: Wie wappnet man sich kleidungstechnisch gegen die Kälte?  

Sebastian Balders: Am besten wendet man das Zwiebelprinzip an. Mein Tipp sind jeweils drei Schichten an den Beinen (lange Unterhose, Jeans und Skihose) und vier Schichten für oben (Thermounterwäsche, Shirt, Fleecepullover, Skijacke). Dazu große gefütterte Winterstiefel, die Platz für zwei Paar Wollsocken lassen.

Und wie schützt man sein Gesicht? Ein Kriegsveteran, der bei minus 40 Grad in Leningrad stationiert war, erzählte mir mal, dass man ihm dort die Nase gegen Erfrierungen mit Schnee eingerieben hätte...

Für mich macht das mit dem Schnee keinen Sinn. Ich würde empfehlen, den Kopf mit einer Mütze, einer Kapuze oder einem Schal zu schützen, da der Körper 70 bis 80 Prozent Wärme über den Kopf verliert.

Kann ich als Jogger oder Spaziergänger also auch beruhigt weiterhin meine Runden drehen?

Bei bis zu minus 20 Grad ist das überhaupt kein Problem. Ab minus 50 Grad geht man allerdings lieber nicht mehr so lange raus. Ich habe in Sibirien mal versucht, anderthalb Stunden draußen zu bleiben, das ist für den Kreislauf schon eine ziemliche Belastung. Generell gilt: bei extrem kalten Temperaturen sollte man sich nicht mehr so arg anstrengen. Wenn das Herz schneller schlägt, muss man automatisch mehr atmen, was zur Folge hat, dass man wohlmöglich tiefer einatmet und die Lungenbläschen erfrieren können. In Bewegung bleiben sollte man hingegen schon, sonst frieren die Füße ganz schnell ein. 

In Kasachstan, einem der kältesten Länder der Welt, wärmen sich die Menschen im Winter mancherorts mit Hundefell. Wie haben es die Bewohner von Oimjakon gemacht?

Die Menschen in dem Dorf haben ebenfalls Pelze getragen und selbstgenähte Lederschuhe – von welchem Tier die stammten, weiß ich allerdings nicht. Mir hat meine Winterkleidung aus Deutschland gereicht.

„Generell gilt: länger als 1-2 Minuten am Stück sollte man das Handy nicht draußen haben“

Wie waren die Einheimischen sonst so drauf?

Das waren einige der herzlichsten Menschen, die ich je getroffen habe. Sie waren sehr gastfreundlich und haben mich zum Tee eingeladen, obwohl wir uns kaum verständigen konnten.

Gab es denn auch mal Tee mit Schuss? Alkohol soll bei Kälte ja zumindest kurzfristig helfen.

Es wurde schon Alkohol getrunken, aber nicht mehr oder weniger als woanders auch. Ich denke, warm einpacken ist bei Minusgraden immer noch die klügere Lösung.

Also kein Alkohol. Wie sieht's mit Rauchen aus? Funktionierte das bei minus 56 Grad überhaupt?

Rauchen war kein Problem. Man muss halt Handschuhe anziehen. Ich habe es selbst mal ohne versucht – länger als eine Minute hält man das nicht aus, dann werden die Hände taub.

Fürs Smartphone gibt's ja extra diese Touchscreen-Handschuhe. Bringt aber nichts, wenn das iPhone sich bei unter null Grad immer selbst ausschaltet. Wie verhindert man das?  

Ich benutze selber kein iPhone, sondern ein Nokia und habe damit in Oimjakon auch meine ganzen Videos gedreht. Das hat gut funktioniert, allerdings war am Ende der Reise auch da der Akku durch die Kälte zerstört. Generell gilt: länger als 1-2 Minuten am Stück sollte man das Handy nicht draußen haben.

Du siehst kalten Tagen ja eher entspannt entgegen. Hast Du irgendwelche Pläne?

Ja, ich will früh aufstehen und versuchen, den Sonnenaufgang zu fotografieren. Sonnenaufgänge sehen in trockener kalter Polarluft einfach noch wunderbarer aus, als sonst. Darauf freue ich mich tatsächlich sehr. 

Das Interview wurde erstmals am 06.01.2017 veröffentlicht und am 25.1.2021 nochmals aktualisiert.

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