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So überlebst du das Skype-Gespräch

Illustration: Federico Delfrati

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Den liebsten Menschen im Leben am anderen Ende der Welt zu wissen, ist vor allem eins: beschissen. Eine Fernbeziehung über Kontinente hinweg gelingt nur Wenigen. Das sind dann meistens Profis der Liebe, geübte Kosmopoliten oder Paare, die schon seit jeher die Distanz als elementaren Bestandteil ihrer Beziehung eingeübt haben.

Du bist nicht so einer. Deine Freundin arbeitet gerade drei Monate in einer Klinik, einem Nilpferd-Gnadenhof oder einem Waisenhaus in Laos, Tansania oder Nicaragua. Gönnst du ihr natürlich. Aber ist halt auch beschissen. Man will sich doch sehen! Und so wie Heroin ein sehr ungesunder Ersatz für echte Euphorie ist, kommt dir bald dieses unschuldig hellblaue Logo auf den Laptop-Desktop gefolgen. Es sagt: Guten Tag, ich kann dich zu deiner Freundin bringen! Du kannst sie sprechen, sehen, fast wie in echt! Dass es sich dabei um ein mehr als faules Angebot handelt, hättest du eigentlich wissen müssen, nie wieder Skype, hattest du dir bereits mehrmals geschworen – aber zu spät. Der Anruf wird gestartet, es erklingt das fürchterliche Einwählgeräusch, Hymne aller Fernbeziehungsgeplagten (dooo-deee-doo / deee-dooo-dääää). Wie sollt ihr das jetzt überleben?

Zunächst hättest du auf keinen Fall so überstürzt den Anruf starten sollen. Skypen heißt auch vorbereiten: Suche das weit und breit störungsfreieste, schnellste, glasfaserigste Wlan in deiner Nähe auf! Falls du keins hast, bestell' es dir! Falls das in deiner Gegend nicht verfügbar ist, übe Druck auf die Staatsministerin für Digitales aus, starte eine Petition auf change.org! Deine Beziehung steht schließlich auf dem Spiel. 

Eine verzögerungsfreie Skype-Verbindung? Ferne Utopie

Denn so verlockend so eine Kamera-Konversation und die damit verbundene Simulation von Nähe auch ist: Skype gelingt es garantiert bereits in den ersten Minuten des Gesprächs, tiefe Dellen in euer Beziehungsgerüst zu hauen. Dass sich sofort beide Videochat-Teilnehmer auf Anhieb sehen UND hören können ist nämlich absolut ausgeschlossen. Das begeisterte „Hey du!“ beim Anblick der Liebsten verhallt in deinem Schlafzimmer, es ist übrigens 5.35 Uhr morgens, Zeitverschiebung, tolle Sache. Dein Gegenüber sitzt irgendwo am Strand, im Hintergrund kreischen Nilpferd-Waisenkinder. Sie hört dich entweder nur extrem zeitversetzt, mit Roboter-Voice-Effekt, oder eben gar nicht. Apropos Roboter: Wir lassen geländtaugliche Supercomputer auf dem Mars nach Wasser suchen, brummen bald mit Flugtaxis über nervige Fahrradfahrer-Staus hinweg, tolle Sache, Staatsministerin für Digitales! Aber eine verlässlich verzögerungsfreie Skype-Verbindung? Ferne Utopie.

Und das nagt an euch, ganz egal, wie sehr ich euch liebt. Jedes. einzelne. Störsignal. wird in unbewussten Regionen eurer Hirne andocken und euch sofort auf den Gedanken bringen, dass das hier gerade ja sowas von sinnlos ist und dass vielleicht die sofortige Trennung entspannter wäre als dieses Nicht-Gespräch gerade.

Hass wird in euch aufsteigen, jede Verbindungsstörung wird automatisch dem anderen angelastet. Bald fällt der Klassiker-Satz: „Kannst du nicht mal irgendwo hingehen, wo der verdammte Empfang besser ist?“ Du kannst nun zumindest auf deine Glasfaserverbindung hinweisen, was dein Gegenüber aber nur bedingt beruhigen wird.

Die Folge: Streit. Und Streiten mit Verzögerung, Ton- oder Verbindungsausfall will geübt sein. Beste Methode: Eine Art Sprachnachricht-Verfahren. Erst erzählt einer was, dann der andere. Macht keinen Spaß, aber zumindest könnt ihr eure Aggressionen so halbwegs in Zaum halten. Aber eigentlich könnt ihr es dann auch gleich lassen.

Telefoniert lieber, schreibt Mails. Oder lass deine Freundin einfach ihre Zeit bei den Nilpferden genießen. Ihr seht euch ja bald wieder. Lieber eine sehr lange Verzögerung. als. diese. fiesen. klei

Ich hör dich grad irgendwie nicht.

Hallo?

Anruf unterbrochen.

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