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Nebenher spenden – wie sinnvoll ist das eigentlich?

Viele wollen vor Weihnachten gerne Gutes tun.
Foto: David-W-/Photocase

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Spenden wird immer leichter, in den Alltag integrierbar, nebenher machbar sozusagen. Und in der Zeit zwischen den Jahren wollen die Menschen Gutes tun – da klingt es doch verlockend, via App armen Kindern in Afrika eine Mahlzeit zu finanzieren oder beim Wasserkaufen in der Drogerie gleichzeitig zu spenden. Die Konzepte, die aus dem Boden sprießen, sind vielfältig und klingen immer einfach. Was bringen diese Aktionen eigentlich? Wir haben zwei Experten gebeten, drei verschiedene Spendenkonzepte einzuordnen.

Kathrin Hartmann ist Autorin und Journalistin und hat 2018 das Buch „Die grüne Lüge. Weltrettung als profitables Geschäftsmodell“ veröffentlicht. Matthias Möhring-Hesse hat an der Universität Tübingen eine Professur für Theologische Ethik inne.  

1. Suspended Coffee

Das Prinzip: Man kauft in einem Café zwei Heißgetränke, trinkt aber nur eines davon. Das zweite kann sich ein Bedürftiger irgendwann abholen.

Matthias Möhring-Hesse: Eine pfiffige Idee – mit drei Haken: Erstens ist es eine Spende im Affekt, ohne nachhaltige Wirkung – zumindest, sofern man sich nicht darauf verlassen kann, dass eine ausreichend hohe Anzahl von ebenso affektiven Spendern eine stabile Infrastruktur aufbauen können. Zweitens wird bei dieser Art von Spende der Vermittler (in dem Beispiel das Café) selbst nicht „mildtätig“ aktiv. Und außerdem setzt das Konzept ein hohes Vertrauen in die Vermittler voraus, nämlich insofern, dass bei ihnen auch hinreichend viele bedürftige Menschen auftauchen und dass sie bei der Auswahl der Bedürftigen den Absichten der Spender nicht zuwiderhandeln. Wenn man dieses Vertrauen haben kann, warum nicht zwei Becher Kaffee bezahlen – und den einen davon jemand Unbekanntem spendieren?

Kathrin Hartmann: Klingt erst mal sympathisch. Ob sich die Armen aber wirklich den hinterlegten Kaffee holen oder das aus Scham lieber nicht tun, weil sie dann ihre Armut offenbaren müssen, das ist natürlich eine andere Frage.

2. Share The Meal

Die App will nach eigenen Angaben „eine Welt ohne Hunger schaffen“. Per Klick spenden die Nutzer mindestens 40 Cent. Das UN World Food Programme erhält die Spenden und verteilt die Mahlzeiten. Laut Hersteller wird so „ein hungerndes Kind für einen Tag ernährt“.

Matthias Möhring-Hesse: Eine einfache Lösung – adressiert an junge Menschen, denen man unterstellt, dass man sie beim Spenden nicht allzu sehr belasten darf und dass sie eine schnelle „Belohnung“ nach einem Klick erwarten. Eine wertschätzende Einschätzung der Spender kann ich darin nicht sehen. Soll Spenden Ausdruck von Solidarität oder wenigstens von Nächstenliebe sein, sollte man allerdings von Spender mehr als den Klick in einer Spenden-App fordern. Share The Meal versucht das nicht einmal.

Partner von Share The Meal ist das World Food Programme, ein Programm der Vereinten Nationen. Da diese ihr eigenes Programm nur mit einem geringen festen Etat ausstattet, ist es auf freiwillige Zuwendungen angewiesen – und erhält diese von Geberstaaten und Unternehmen. In welche Spender-Gemeinschaft man sich mit seiner „kleinen Spende“ über die Smartphone-App begibt, das können die Spender nicht überblicken.

Kathrin Hartmann: Das World Food Programme der Vereinten Nationen arbeitet ausgerechnet mit Konzernen, die Hunger voran- und Kleinbauern in die Armut treiben: zum Beispiel mit dem Cargill, einem von vier Agrarkonzernen, die zusammen 70 Prozent des globalen Handels mit Agrarrohstoffen kontrollieren und für dessen gentechnisch veränderte Futtersoja-Monokulturen riesige Flächen Wald in Brasilien abgeholzt wurden. Und mit Unilever, der am meisten Palmöl von allen Konsumgüterkonzernen verbraucht. Dem Palmöl-Lieferanten von Unilever werden seit Jahren Menschenrechtsverletzungen, illegale Abholzung und Landraub in Indonesien vorgeworfen.

3. Share

Mit jedem gekauften Produkt wird quasi automatisch irgendwo geholfen. Jeder gekaufte Nussriegel spendet eine Portion Essen, jede Flasche Wasser einen Tag Trinkwasser.

Matthias Möhring-Hesse: Gespendet wird bei diesem Konzept ja eigentlich nicht. Man kauft Schokoriegel, Seife und Wasser. Einen Teil des Erlöses spendet dann das Unternehmen – und gibt Geld in unterschiedliche Tätigkeitsbereiche, die durch die vertriebenen Produkte symbolisch repräsentiert werden. Mit dem Kauf einer Wasserfalsche unterstützt man etwa die Reparatur von Brunnen im Süden von Äthiopien.

Für meinen Geschmack tritt mit dem sozialen Unternehmen eine überflüssige Zwischeninstanz zwischen die Konsumenten, die „etwas Gutes tun“ wollen, und den Einrichtungen, die etwas Gutes tun, – ohne dass bei dieser Vermittlung irgendein zusätzlicher Nutzen entsteht. Potenziellen Spendern kann ich diese Art des Spendens deswegen nicht empfehlen. Denjenigen, die die entsprechenden Produkte kaufen, muss man deswegen nicht davon abraten.

Kathrin Hartmann: Man soll also ganz viel kaufen, damit man möglichst viel hilft... Und dann auch noch ausgerechnet Wasser in Plastikflaschen und das auch noch beim Share-Partner Rewe. Dabei wird der Supermarktkette seit Jahren vorgeworfen, Preisdruck auf Produzenten auszuüben, etwa auf Obst- und Gemüsebauern in den Ländern des Südens. NGOs wie Oxfam belegen immer wieder, dass das zu Menschenrechtsverletzungen führt: zu miserablen Arbeitsbedingungen, Hungerlöhnen und Krankheiten, weil die Erntearbeiterinnen und -arbeiter ohne Schutzkleidung Pestizide sprühen.

Und stattdessen?

Matthias Möhring-Hesse empfiehlt eher eine Geldspende an eine zivilgesellschaftliche Einrichtung, die sich in einem Bereich engagiert, für den man sich interessiert. Also für eine Einrichtung, der man auch kontinuierlich spendet, weil man an deren kontinuierlicher Arbeit Interesse hat – und weil man ihr eine nachhaltige Wirkung zutraut. Kathrin Hartmann sagt: Es wäre gut sich dafür einzusetzen, dass Obdachlose nicht mehr aus den Innenstädten vertrieben werden. Oder dass Mieten bezahlbar bleiben, indem man sich in einem Mieterverein engagiert.

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