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Horror-Date: Die Hartnäckige

Illustration: jetzt

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Dating-Situation: Blind-Online-Date in einer queeren Bar

Geschlecht und Alter des Dates: Weiblich, 25 Jahre

Horror-Stufe: 5 von 10

Ich hatte sie auf einer lesbischen Dating-App angeschrieben. Sie hatte nur ein einziges Foto auf ihrem Profil, das ihre Hand neben einem Glas Rotwein zeigte, aber es war so ein ästhetisches Bild, das ich neugierig wurde. Wir verabredeten uns in einer queeren Bar bei mir um die Ecke.

Ich war zu der Zeit in einer offenen Beziehung mit meiner damaligen Freundin. Die Absprache zwischen uns – oder sagen wir eher: ihre Vorgabe – war: One-Night-Stands sind okay. Sie selbst war Meisterin im Flirten und hatte in ihrem Auslandssemester auch die ein oder andere Frau aufgerissen. So ungeübt ich im Flirten mit Frauen war, so ungeübt war ich damals auch in offenen Beziehungen. Wir hatten nicht  darüber gesprochen, ob wir uns im Vorhinein oder erst im Nachhinein von unseren jeweiligen Dates mit anderen Leuten erzählen wollten, und da es gerade heftig zwischen uns kriselte, beschloss ich, ihr erst hinterher von meinem Date zu erzählen. Vielleicht passierte ja auch gar nichts, dann brauchte ich es einfach gar nicht erwähnen, dachte ich.

Als sie mich irgendwann fragte „Was machst du eigentlich Donnerstagabend?“, kam ich dann doch nicht drum herum, es ihr zu erzählen. Wir wollten an jenem Donnerstag eigentlich tagsüber zusammen in die Bibliothek gehen und stritten uns stattdessen heftig. Den ganzen Tag. Es waren Belanglosigkeiten, bald konnte ich noch nicht einmal mehr sagen, wie wir überhaupt in diesen Streit hineingeraten waren. Dass sie in Wirklichkeit eifersüchtig war, erfuhr ich erst Wochen später.

                                                           

Völlig erschöpft vom stundenlangen Streiten kam ich abends in der Bar an. Ich hatte Recht behalten: Die Frau, mit der ich verabredet war, war sehr hübsch. Klein, zierlich, lange dunkle Locken. Kein Wunder, dass ihr Wein-Foto so ästhetisch aussah – sie war Künstlerin. Angespannt betrieb ich Date-Smalltalk mit ihr, den Streit noch in den Knochen. Das zog sich über mehrere Runden Gin Tonic so hin, bis wir fast die letzten Gäste waren. Endlich landeten wir auf einem freigewordenen Sofa und fingen an zu knutschen. Ich war erleichtert, dass ich keine Konversation mehr betreiben musste.

Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich mich irgendwie verpflichtet fühlte, mit ihr zu schlafen

Unsere Knutscherei wurde wilder. Es war ziemlich hot – außer, dass sie mich beim Küssen würgte. Ich weiß, viele Leute stehen darauf. Ich nicht so. Und vor allem nicht in einer Bar. Das ganze Schauspiel wurde mir auch langsam etwas unangenehm vor den wenigen verbliebenen Gästen und vor der Barkeeperin, die bestimmt bald Feierabend machen wollte. Mein Date fragte, ob wir zu mir gehen wollten. Sie zu küssen war aufregend und zu einem anderen Zeitpunkt hätte ich sicher auch gerne mit ihr geschlafen. Aber an dem Abend war mir nicht nach Sex. Ich war erschöpft und müde und nach dem Beziehungsdrama emotional viel zu ausgelaugt, um mit einer fremden Person zu schlafen.

Aber ich traute mich nicht, ihr all das zu sagen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich mich irgendwie verpflichtet fühlte, mit ihr zu schlafen. Also schob ich äußere Gegebenheiten vor: „Tut mir Leid, wir haben Besuch in der WG und alle Zimmer sind belegt“, sagte ich – was tatsächlich stimmte. Sie blieb unbeeindruckt. „Dann komm halt zu mir!“ – „Sorry, ich muss morgen total früh aufstehen und der Termin, den ich habe, ist ganz bei mir in der Nähe. Ich würde gerne zu Hause schlafen.“ Auch das stimmte alles, muss aber wie eine schlechte Ausrede rübergekommen sein. Mein schlechtes Gewissen wurde immer größer. Sie hörte nicht auf, zu insistieren. Meine Erklärungen versuchte sie wegzudiskutieren. Ach komm, früh aufstehen, ist doch egal, ich mach dir einen Kaffee, geh doch einfach nicht zu deinem Termin.

Ich wusste langsam nicht mehr, wie ich aus der Situation herauskommen sollte. Ich wollte sie nicht vor den Kopf stoßen. Aber ich wollte heute Abend eben einfach nach Hause – und zwar alleine. Wäre ich sicherer und erfahrener gewesen, hätte ich ihr das vielleicht deutlicher sagen können, ohne Ausreden. Andererseits: Wenn jemand schon Ausreden erfindet, um nicht mit einem zu schlafen, IST das ja in der Regel schon ziemlich deutlich.

Nach mehreren erfolglosen Überredungsversuchen und als ich gerade dachte, ich hätte es geschafft, sagte sie: „Na, dann lass uns doch einfach jetzt zusammen aufs Klo gehen!“ Ich glaube, die Barkeeperin hat mich gerettet. Die wollte jetzt nämlich wirklich Feierabend machen. Mein Date schien ziemlich genervt von mir.

Ich habe nie wieder etwas von ihr gehört. Vielleicht wird sie irgendwann einen Beitrag für diese Serie schreiben, über das Horror-Date Stufe 8 von 10, mit der langweiligen Ische, die erst knutschen wollte und dann einen auf prüde gemacht hat. Manchmal denke ich immer noch an sie und dass ich ihr gerne erklären würde, wie ich mich in der Nacht gefühlt habe, dass es nicht daran lag, dass ich sie nicht heiß fand. So tief sitzt anscheinend das schlechte Gewissen, wenn frau mal NICHT mit jemandem schlafen will. Vor allem, wenn das Gegenüber auch eine Frau ist.

Die Autorin dieses Textes hat darum gebeten, anonym bleiben zu dürfen. Sie ist der Redaktion aber bekannt.

 

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