Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Horror-Date: Ausgenutzt von der Urlaubsliebe

Das Date unserer Autorin hatte hohe Erwartungen – sie wurden enttäuscht.
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Manche Dates sind schlimmer als andere. In dieser Serie erzählen wir davon. Diesmal ist unser Autor auf der Suche nach einer Urlaubsliebe, glaubt sie zu finden – und landet im Laufe der Nacht auf dem harten Boden der Tatsachen. 

Dating-Situation: Besoffener Urlaubsflirt in Bangkok 

Vibe des Dates: weiblich, zehn Jahre älter, ständig am Telefon  

Horrorstufe: 7 von 10 

  

Die Nacht beginnt mit Herzklopfen, einem Cuba Libre gegen die Aufregung und einer Partie Billard. Wir sind in einer dunklen Bar in der Khaosan Road in Bangkok. Wir, das sind mein Freund Max und ich, gerade das Abi in der Tasche; und Aranja, eine Thailänderin aus Frankreich, die wir im Hostel kennengelernt haben. Beide heißen in Wirklichkeit anders. Max und ich tragen kurze beige Hosen und einen Flaum im Gesicht, den wir stolz Bart nennen. Aranja trägt ein Nasenpiercing und Tattoos. Sie ist zehn Jahre älter als wir und fast schon furchteinflößend aufregend.  

  

Es ist das Jahr 2009. Ich bin 19 und habe einiges aufzuholen. Ein paar feuchte Küsse, zwei One-Night-Stands, mehr hatte mein Liebesleben bis dahin nicht zu bieten. Also beschließe ich nach dem Abitur, dass sich das dringend ändern muss. Die Reise mit Max nach Thailand kommt da sehr gelegen: Endlich alleine unterwegs sein, endlich frei! Mit einem riesigen Rucksack auf dem Rücken pilgern wir von Strandbar zu Strandbar. Während andere nach dem Abi sich selbst finden wollen, suchen Max und ich vor allem nach einer Urlaubsliebe. In unserem Hostel in Bangkok finden wir schließlich Aranja, die wie wir dort übernachtet. Sie fragt uns, was wir in Bangkok machen. Stottern, ein paar nichtssagende Sätze, dann nimmt Max seinen ganzen Mut zusammen: „Willst du uns Bangkok bei Nacht zeigen?“ Sie will.   

Wir beide deuten ihr Lächeln als feierliche Liebeserklärung 

Kurze Zeit später: In der Bar stehen drei Billardtische und ein gelangweilter Barkeeper. Wir bestellen drei Drinks und greifen zu den Billard-Queues. Mit jedem Schluck wird unser Spiel schlechter und die Stimmung besser. Aranja lächelt breit. Ich grinse zurück, so cool wie möglich. Ihr Handy klingelt. Sie wendet sich ab und geht ran. Zeit für Max und mich, die Lage zu besprechen: Steht sie auf einen von uns? Und wenn ja, auf wen? Wir sind uns uneins, haben ihr Lächeln beide als feierliche Liebeserklärung gedeutet. Also einigen wir uns auf eine bewährte Strategie: abwarten und Alkohol trinken.  

Vier Drinks später ziehen wir weiter. Im Club herrscht tropisches Klima, der Bass wummert, die Black Eyed Peas singen: „Tonight’s gonna be a good, good night“ – und ich glaube ihnen jedes Wort. Auch weil mir Aranja beim Tanzen immer näher kommt. Max’ Nacht läuft dagegen nicht so gut. Der Alkohol hat ihn inzwischen vor die Eingangstür gespült, völlig betrunken kniet er auf dem Boden und übergibt sich. Aranja bestellt ihm ein Taxi ins Hostel, dann nimmt sie meine Hand. In diesem Moment fühle ich mich ihr sehr nah.  

Drei Stunden später torkeln wir in ihr klappriges Auto und fahren Richtung Hostel. In der rechten Hand hält Aranja das Lenkrad, in der linken ihr pausenlos klingelndes Handy. Irgendwann geht sie ran. Ihre Stimme wird laut, die Gesichtszüge düster. „Fuck you“, brüllt sie und legt auf. Mir wird klar, dass sie wahrscheinlich mit einem Typen gestritten hat. Aranja bremst und fängt an zu weinen. Schüchtern beuge ich mich zu ihr, um sie zu trösten. Sie umarmt mich. Dann küsst sie mich auf den Mund.  

Wir gehen in ihr Zimmer und legen uns ins Bett. Küsse, Berührungen, wie öffnet man nochmal einen BH? Ihr Handy klingelt.  „Go on!“, sagt sie mir – und geht ran. Ich streichele sie. Sie fängt an zu stöhnen, führt meine Hand Richtung Unterleib. In diesem Moment verstehe ich: Ich werde von ihr benutzt, um den Typen am Handy eifersüchtig zu machen. Das fühlt sich komisch an, fast schon demütigend. Als hätte mich Aranja vom Hauptdarsteller zum Statisten degradiert. Aber irgendwie ist die Situation auch aufregend. Vielleicht höre ich deswegen nicht auf, sie zu berühren. Nach ungefähr einer Minute legt Aranja auf. Sie lässt sich noch ein bisschen von mir küssen, dann schläft sie ein. Am nächsten Morgen hat sie meinen Namen vergessen. Wir haben uns nichts mehr zu sagen.

  • teilen
  • schließen