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Horror-Party: Wie eine Geburtstagsfeier mit zwölf Infizierten endete

So gut die Feier eigentlich war – das Nachspiel hat der Autorin die Erinnerung auf jeden Fall verdorben.
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Man vergisst leicht, dass Feiern nicht immer nur spaßig ist. In dieser Serie erzählen wir deshalb von den schlimmsten Partys, auf denen wir in unserem Leben waren. Viel zu viel Alkohol, grässlich langweilige Verwandte, emotionale Tiefpunkte – es gibt ja viel, das eine Feier vermiesen kann. Falls du selbst von einer schlimmen Party erzählen willst: Schreib uns eine Mail an info@jetzt.de!

Horrorstufe: 10/10

Center of Attention: Der positive Schnelltest

Trinkverhalten: Abschuss ohne böse Vorahnung 

Oft weiß man, dass man kurz davor ist, etwas Dummes zu machen. Trotzdem entscheidet man sich zu oft dafür, diese dumme Sache zu machen. Warum? Vielleicht, weil das Leben sonst zu einfach wäre. Oder, weil das innere, trotzige Kleinkind auch mal mitreden möchte. Nur so kann ich mir diese Party im Nachhinein erklären. 

Wir, das heißt ich und elf weitere Gäste, wollten zusammen den Geburtstag unserer Freundin Adina feiern. Eigentlich ganz normal, wäre da nicht ein kleines Problem gewesen: die Pandemie. Kontaktbeschränkungen. Nächtliche Ausgangssperren. Zu dieser Zeit im Frühling diesen Jahres waren die Corona-Fallzahlen in unserer bayerischen Studierendenstadt zwar wieder gesunken, aber bei weitem noch nicht ungefährlich. Partys waren mit gutem Grund verboten. 

Weil wir aber recht klischeehafte Studierende sind, die nach über einem Jahr Pandemie nichts mehr wollten als gemeinsam feiern und trinken, sahen wir über diese Regelungen hinweg. Natürlich nicht ohne Vorkehrungen. Wir machten vor der Party Schnelltests, so fühlte sich jeder sicher vor einer Corona-Erkrankung. Außerdem konnten wir diese Tests geschickterweise auch vor den Gesichtern der Polizei herumwedeln, falls sie aufkreuzen sollte: „Seht her! Wir sind gar nicht verantwortungslos! Nur dumm!” Nicht, dass unsere Schnelltests die Polizei großartig interessiert hätte. Die Geldstrafe hätten sie trotzdem von uns verlangt. 

Adinas Geburtstag feierten wir also in ihrer Wohnung. Zu zwölft. Mit viel Alkohol, lauter Musik, und der Stimmung so ausgelassen, dass wir jegliche Sorgen vor Corona verdrängt hatten. Wir tranken nicht aus den gleichen Bechern, aber hingen uns gegenseitig in den Armen, während wir Songs aus den 2010er-Jahren grölten, tanzten auf Tischen und Stühlen, spielten Bier-Pong, redeten über die Anstrengungen der Pandemie und führten pseudo-philosophische Gespräche, kurz gesagt: Wir hatten den Spaß unseres Lebens. Und freuten uns, dass wir wieder beieinander sein konnten, ganz ohne Hemmungen. Nur an eine Sache erinnere ich mich noch genau: Einer der Gäste war am Vorabend schon feiern. Und der wachte am Morgen der Party mit einem bösen Kater auf. 

Dass sein vermeintlicher Kater kein Kater war, sondern eine Corona-Infektion, erfuhr ich drei Tage später am eigenen Leib. Denn während meiner Arbeit im Home Office bemerkte ich plötzlich, wie meine Konzentrationsspanne auf die einer Dreijährigen schrumpfte. Mein Kopf begann zu pochen, E-Mails verschwommen vor meinem Auge zu einem Einheitsbrei, selbst das Aufstehen fiel zunehmend schwerer. Mein ganzer Körper tat weh. Trotzdem klammerte ich mich an die Hoffnung, es sei nur ein vorübergehender Schwächeanfall. 

Plötzlich tauchten die Horrorbilder aus den Intensivstationen vor meinem inneren Auge auf

Kaum zwei Stunden später schrieb der erste aus der Geburtstagsrunde in die gemeinsame Whatsapp-Gruppe: „Ich hab gerade einen positiven Schnelltest gemacht!” Ein anderer fügte hinzu: „Jo, hab leichte Halsschmerzen, dachte aber, es kommt vom Freund der Zigarette.” Ich schluckte. Einige bestätigten, ebenfalls positiv zu sein, andere fühlten sich nicht gut, obwohl ihre Schnelltest-Ergebnisse negativ waren. Doch als am Ende des Tages jedem ein positives Testergebnis vorlag, wurde uns schlagartig bewusst, was wir angerichtet hatten: Eine Corona-Party. Mit zwölf Idioten. Inklusive mir. Prost Mahlzeit. Ich schämte mich, wahnsinnig.

Wir gingen also in Quarantäne, schuldbewusst und sehr kleinlaut. Meinen Eltern erzählte ich, ich hätte mich bei einer Autofahrt mit einem Freund angesteckt. Der tatsächliche Grund war mir zu peinlich. Gleichzeitig  wuchs meine Angst, zwei Wochen lang krank und ganz alleine in meiner WG zu sein. Plötzlich tauchten die Horrorbilder aus den Intensivstationen vor meinem inneren Auge auf, von Menschen, die an Beatmungsgeräte angeschlossen waren. 

Auch ich fühlte in der ersten Nacht der Quarantäne Druck auf meinem Brustkorb – und bekam Panik. Jedoch war der Schmerz am nächsten Morgen zum Glück wieder weg. Denn selbst, wenn wir es unter diesen Umständen wahrscheinlich anders verdient hätten, erlitten meine Freund:innen und ich keinen schweren Krankheitsverlauf. Nach wenigen Tagen waren wir wieder fit, andere Menschen außerhalb unserer Gruppe hatten wir nicht angesteckt. Nur der Schock saß uns noch immer tief in den Knochen.

 

Bis heute ärgere ich mich darüber, dass ich nicht zu einer anderen, weniger dummen Sache hätte „Ja“ sagen können. Kaffee nach sechs Uhr, zum Beispiel. Dem Ex betrunken schreiben. Oder die Hausarbeit bis zur letzten Minute aufschieben.  Und ich muss sagen: So gut die Feier eigentlich war - das Nachspiel hat mir die Erinnerung auf jeden Fall verdorben.

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