Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Horror-Schwiegereltern: Die Tennis-Mum

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Horror-Schwiegereltern: Die Tennis-Mum

Alter zum Zeitpunkt der Beziehung: 15 und 16, zwei Jahre zusammen

Horrorstufe: 7 von 10

Die Familie meines ersten Freundes war alles, was meine nicht war: Seine Eltern waren reich, schlank und sehr sportlich. Bei ihnen zuhause konnte man im wahrsten Sinne des Wortes vom Fußboden essen, hätte seine Mutter das nicht vermutlich aus Regeln des Anstands untersagt.

So fühlte ich mich von Anfang an in der Beziehung leicht defizitär. Während ich noch mit meinem Babyspeck kämpfte, ging die Mutter meines Freundes quasi täglich auf den Tennisplatz, um sich richtig auszupowern. Danach trank sie gemeinsam mit dem Vater (der sich dort ebenfalls täglich rumtrieb) noch ein alkoholfreies Weißbier, um im Anschluss mit dem Fahrrad gut gelaunt 20 Kilometer nach Hause zu fahren. Natürlich sah sie dementsprechend auch sehr viel jünger aus, als sie wirklich war. Ihre Haut war stets leicht gebräunt (vom hauseigenen Solarium, wie ich später begriff), sie wachte morgens bereits top geschminkt auf (man nennt es „Permanent Make-up“) und hatte offenbar nie schlechte Laune.

Mein Freund fand diese Verhaltensweise völlig normal und machte unsere Beziehung zu einem ewig fortlaufenden Tennis-Match

Das Ganze wäre mir vermutlich egal gewesen, hätte es meinen damaligen Freund nicht so wahnsinnig geprägt. Schnell fing er an, mich mit seiner Mutter zu vergleichen. Ich sollte mehr Sport machen, mir einen neuen Friseur suchen und auch meinen Stil fand er auf einmal unmöglich. Ich war 15, sehr leicht zu beeindrucken und hielt jedes seiner Worte für die reine Weisheit. Als ich dann wirklich abnahm, lobte seine Mutter regelmäßig meine gute, neue Figur. Ich war zufrieden.

Wie toxisch die Familienverhältnisse waren, wurde mir erst klar, als mein Freund auch die sozialen Verhaltensweisen seiner Mutter adaptierte. Sie hatte mir einmal stolz erzählt, dass sie ihren Sohn und seine Schwester stets gegeneinander ausspielen würde, damit beide Hochleistungen bringen. Beispielsweise bei guten Noten bekam der/die bessere Geld, der andere nichts. Mein Freund fand diese Verhaltensweisen völlig normal und machte auch unsere Beziehung zu einem ewig fortlaufenden Tennis-Match. Verlor ich beim Sport (was eigentlich ein Dauerzustand war), fühlte er sich gut und klopfte mir gönnerhaft auf den Rücken. Hatte ich aber die besseren Noten in der Schule, war er wochenlang mies gelaunt und machte mich fertig. Auch schöne Dinge wie Sex oder Geburtstagsgeschenke wurden immer mehr zum Wettkampf. „Laster“ wie gutes Essen oder einfach mal einen Sonntag abhängen waren hingegen eine Qual – dann hatte ich mich mal wieder einfach nicht genügend im Griff.

Irgendwann, als ich bereits sehr dünn und unglücklich war, trennte ich mich von meinem damaligen Freund. Er gab sich sehr viel Mühe, mich doch noch zurückzugewinnen, aber mir war klar geworden, dass ich mit dieser Familie nicht glücklich werden würde. Seine Mutter hat sich übrigens über die Trennung gefreut, wie er mir Jahre später erzählte. Seine Freundinnen danach waren auf jeden Fall alle dünner als ich – und sportlicher.

  • teilen
  • schließen