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7500 brutto im Monat für den Streamer

Matthias streamt mehr als zehn Stunden täglich, auch am Wochenende.
Foto: Lukas Abelen

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Was man als Streamer macht 

Ich setze mich vor eine Kamera und übertrage online, wie ich Videospiele spiele. Meistens mache ich das von Zuhause aus. Das Ganze wird live auf eine Plattform übertragen, bei mir ist das Twitch. Dieser Live-Übertragung können Leute online zusehen und gleichzeitig mit mir über einen Chat interagieren. 

Wie mein Arbeitsalltag aussieht 

Meine Tage laufen fast immer gleich ab, Wochenende gibt es bei mir nicht: Ich starte meinen Stream jeden Tag um zehn Uhr. Der geht dann ungefähr zehn bis zwölf Stunden lang. Ich mache zwar kurze Toilettenpausen, aber während ich esse, bleibe ich auch online. Ich habe mich vor allem auf ein Spiel festgelegt: „Call of Duty: Warzone“, ein Ego-Shooter-Spiel. Die vergangenen Monate habe ich mich aber auch an andere Spiele rangetraut, wie unter anderen „Among Us“ und „Elden Ring“. Nach Ende des Streams muss ich mich oft noch um ein Youtube-Video kümmern. Ein Cutter schneidet zwar die Videos für mich, aber die Struktur muss ich mir selbst überlegen. Oder ich erstelle noch Tiktoks, Instagram-Storys und beantworte Fragen von Zuschauer:innen. Ich arbeite deswegen immer unterschiedlich lange – häufig bis ein oder zwei Uhr nachts, und das jeden Tag. Wie ähnlich bei mir jeder Tag ist, habe ich neulich wieder gemerkt, als ich an Fronleichnam einkaufen gehen wollte – ich wusste nicht einmal, dass Feiertag ist. Den kompletten Tag nehme ich mir nur selten frei, denn wenn ich nicht gerade streame, bin ich häufig bei Events von Partnern oder mit anderen Content Creators unterwegs. Viele Streamer machen kürzere Streams oder haben weniger Tage, an denen sie auf Twitch online sind, ich sehe es aber so: Am Ende des Tages bin ich selbständig. Wenn ich mich nicht reinhänge, macht es keiner.  

Wie ich Streamer geworden bin 

Ich spiele schon seit zehn Jahren Call-of-Duty-Spiele, das war mein Hobby: Ich war immer eher ein Stubenhocker und habe den ganzen Tag gespielt. Während meiner Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement erschien das Spiel „Call of Duty: Warzone“. Irgendwann war ich darin so gut, dass ich die Idee hatte, mich beim Spielen zu filmen, beziehungsweise einen Stream auf Twitch zu starten – einfach nur um es mal auszuprobieren. Es war mir gar nicht so wichtig, ob jemand zuschaut. Über die nächsten Monate und Jahre wurden immer mehr Leute auf mich aufmerksam, zum Beispiel über E-Games-Turniere, und es kamen viele Zuschauer:innen hinzu. Ich habe meine Ausbildung noch erfolgreich beendet und dann beschlossen, mich selbständig zu machen. Seit vergangenem Jahr arbeite ich nun Vollzeit als Streamer.  

Vorstellung vs. Realität 

Es gibt ziemlich viele Vorurteile gegenüber Streamern. Die meisten Leute denken, dass wir kurz zwei Stunden ein Videospiel spielen und dann die Freizeit beginnt. Klar gibt es die „großen“ Streamer, die so bekannt und erfolgreich sind, dass es für sie reicht, wenige Stunden am Tag zu streamen. Wenn du aber in einer mittleren Größenordnung bist, so wie ich, geht das nicht: Es ist bei Twitch total wichtig, konstant und regelmäßig online zu sein, um deine Zuschauer:innen zu behalten und neue zu gewinnen. Ich kann nicht nur so wenig streamen und davon leben. Was bei Streamern wie mir alles an Arbeit dahintersteckt, sehen die wenigsten: 2023 habe ich bislang fast jeden Monat 300 Stunden lang gestreamt – und da kommt noch die Zeit dazu, die ich in Content für Youtube und alles andere stecke. Man braucht viel Motivation und Durchhaltevermögen für den Job.  

Was der Job mit meinem Privatleben macht 

Das ist ein schwieriges Thema. Ich wohne mit meiner Freundin zusammen, die in einem „normalen“ Job arbeitet. Sie steht immer um acht Uhr auf, und da ich häufig bis zwei Uhr nachts arbeite, ist es immer ein bisschen schwierig, ein paar Stunden zu finden, in denen wir etwas zusammen machen können. Es hängt vom Tag ab, aber selten habe ich mehr als zwei Stunden Freizeit. Ich habe auch Freunde, die keine Streamer sind, aber mein engster Freundeskreis besteht aus Menschen, die das Gleiche machen wie ich. Unsere Tagesabläufe sind sehr ähnlich, wir teilen die gleiche Leidenschaft. Dazu kommt, dass man sich fast täglich online sieht, zusammen spielt und sich unterhält. 

Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird 

Ich gehe selten auf Partys, aber wenn mich Leute nach meinem Job fragen, sage ich immer nur, dass ich „etwas mit Social Media mache“, das ist einfacher zu erklären. Wenn ich doch mal erkläre, dass ich Streamer bin, finden es die meisten cool. Meine Mutter und meine Oma wissen aber zum Beispiel bislang immer noch nicht wirklich, was ich mache. Ich habe es ihnen mehrmals erklärt, aber das konnten sie nicht wirklich verstehen. Wir sind mittlerweile so verblieben, dass ich Menschen, wie im Fernsehen, unterhalte, und dabei Werbung für verschiedene Firmen mache. 

Das verdient man als Streamer 

Ich verdiene etwa 7500 Euro brutto im Monat. Das setzt sich aus verschiedenen Punkten zusammen: Zum einen verdient man auf Twitch durch sogenannte Subs. Diese kaufen Zuschauer:innen ab 3,99 Euro im Monat und unterstützen dadurch freiwillig die Streamer, die sie verfolgen. Zusätzlich können Werbetreibende auf Twitch Anzeigen einbuchen, die laufen, bevor sich jemand neu in den Stream einschaltet, so wie auch auf Youtube. Die Einnahmen davon teile ich mir mit Twitch: Die Plattform hat den Kunden und das Budget herangeholt und mein Stream bietet die genutzte Werbefläche. Das zusammen macht ungefähr die Hälfte meines Einkommens aus. Der Rest meines Gehalts entsteht durch die Einnahmen von Youtube, Instagram und sogenannte Partner:innen. Das sind Firmen, die zum Beispiel Controller herstellen, die sie mir schicken und mich dafür bezahlen, dass ich ihre Produkte bewerbe.    

Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich in so jungen Jahren so viel Geld verdiene, gerade da ich aus keiner reichen Familie komme. Ich streame allerdings auch sehr viel, um meine Zuschauer:innen bei mir zu halten. Die großen Streamer verdienen aber natürlich noch mehr. Der Beruf ist auf jeden Fall sehr schnelllebig: Du kannst in einem Jahr sehr viel Geld verdienen, und plötzlich wieder bei null landen. Das liegt zum einen daran, dass man immer relevanten Content bringen muss: Ist in der Community beispielsweise ein bestimmtes Spiel beliebt, wollen sich die Leute dazu etwas anschauen. Verliert das irgendwann an Relevanz, kann es passieren, dass weniger Leute zuschauen. Man muss also immer am „Zahn der Zeit“ bleiben.  

Wie es ist, das Hobby zum Beruf gemacht zu haben 

Ich hatte nie das Ziel, mit dem Spielen und Streamen Geld zu verdienen. Auch wenn es inzwischen mein Job ist, ist es mein Hobby geblieben. Natürlich gibt es Tage, an denen ich mir morgens denke „heute mache ich nicht so lange“, aber ich motiviere mich dann trotzdem, weil ich weiß: Die Leute schauen gerne zu, die wollen sich von ihrem Alltag ablenken, von ihrem Stress – und können ja auch nicht einfach sagen, sie gehen heute nicht arbeiten, weil sie keine Lust haben. Meistens sehe ich das Streamen aber nicht als Arbeit – auch wenn es das natürlich ist. Es ist eben vor allem meine Leidenschaft. Ich mache es, solange ich Spaß daran habe und es gut läuft. Sonst kann ich mir auch gut vorstellen, in meinen alten Ausbildungsberuf zurückzugehen und als Hobby weiterhin zu streamen. Ich glaube, das Hobby zum Beruf zu machen, ist das Beste, was man im Leben erreichen kann.  

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