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Null bis 3800 Euro für die Clownin

Foto: Christopher Glanzl; Collage: Daniela Rudolf

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Die Motivation

Ich finde es einfach extrem schön, Kostüme und eigene Stücke zu kreieren und Menschen schöne Momente zu bereiten. Außerdem gefällt mir die Grundidee, die hinter der Clownerie steckt: im Scheitern etwas Schönes zu sehen. Denn der Clown ist der Inbegriff des Scheiterns. Wenn er hinfällt, lachen die Kinder über das Missgeschick an sich, die Erwachsenen aber erkennen sich selbst darin wieder. Wir sagen immer: Ein Clown ohne ein Problem, hat ein Problem. 

Es gibt außerdem tolle Projekte, die das Clown-Sein für gesellschaftspolitische Zwecke nutzen. Die „Clown Army“ ist eine Bewegung, die beispielsweise auf Demos die Situation auflockert, entschärft oder thematisch überspitzt. Die Klinikclowns hingegen entführen die Patienten für einen Moment aus ihrer harten Realität. Toll ist auch die Organisation „Clowns ohne Grenzen“, die reisen beispielsweise in Krisengebiete und haben dort Auftritte. Ich war als Clownin schon in der Demokratischen Republik Kongo und mit meinen Zirkusprogrammen mehrere Monate in Tansania und Ghana. Dort haben wir in erster Linie Artistikshows gemacht und gemerkt, dass Kinder sich bewegen wollen – ganz gleich in welchem Land sie leben.

Die Ausbildung

Seit ich denken kann haben meine Eltern zirkuspädagogische Arbeit gemacht.  Kinder und Jugendliche schlüpfen in fremde Rollen, jonglieren oder machen Akrobatikübungen. Ich bin also quasi in der Zirkuswelt aufgewachsen und meine Faszination für diese besondere Atmosphäre ist nie verflogen. Nach dem Abitur bin ich deshalb auf eine Clownsschule in Mainz gegangen, da war ich 19 oder 20 Jahre alt. Die Ausbildung zum Clown, oder in meinem Fall zur Clownin, dauert zwei Jahre. Wir hatten Unterricht in den Fächern Artistik, Jonglage, Akrobatik, Pantomime, Musik, Clownerie und Clowntheater. Alle vier Wochen mussten wir ein eigenes Stück präsentieren.  

Viele der angehenden Clowns und Clowninnen kamen bereits aus dem Schauspiel- oder Theaterbereich, der ein oder andere wurde auch mal vom Arbeitsamt geschickt. Eigentlich waren aber alle irgendwie Freigeister, wild und bunt. Man musste aber auch Lust haben, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, denn wir sollten aus uns heraus eine eigene Clownsfigur entwickeln. Ich habe für mich damals die Clownin Luzi erfunden, diese Figur habe ich heute immer noch in meinem Programm.

Der Auftritt

Hinter dem Clown-Sein steckt am Anfang vor allem eines: viel E-Mail-Kommunikation. Ich bin zwar auch bei Agenturen, die mich weitervermitteln, aber viel Anfragen bearbeite ich selbst. Ich werde für verschiedene Festivals gebucht, reise mit Zirkussen herum, sorge für Stimmung auf Kinderfeiern oder trete im Theater oder Varieté auf. Vor Ort angekommen, gucke ich mir als erstes das Umfeld an, überlege, wo ich das Publikum hinsetze und baue auf. Anschließend schminke ich mich und ziehe mein Kostüm an. Danach wärme ich mich für den Auftritt auf: zwanzig Minuten hüpfen, tanzen und Stimmübungen machen. Die Länge meiner Stücke variiert zwischen sieben und zwanzig Minuten. Nach dem Auftritt bin ich meist sehr euphorisch, stolz und noch voll im Glücksmoment. Aber natürlich reflektiere ich auch, was nicht so gut lief.

Das Privatleben

Seit zehn Jahren wohne ich in einem Schaustellerwagen, den mir meine Eltern nach dem Abitur geschenkt haben. Er ist noch aus DDR-Zeiten, toll bemalt und hat wunderschöne bunte Glasfenster. Ich habe extra meinen Lkw-Führerschein gemacht, damit ich den Anhänger auch ziehen darf. Mit einer Länge von zehn Metern und einer Breite von etwa zweieinhalb, ist mein Zirkuswagen – wenn ich den Außenbereich dazuzähle – sogar größer als die Wohnung, die meine Schwester während ihres Studiums hatte. Ich habe vier verschiedene Räume, die durch Schiebetüren abgetrennt sind und sogar einen Holzofen.

Zirkuswagen Clownin Sophie

Dieser DDR-Zirkuswagen ist seit rund zehn Jahren das zu Hause von Clownin Sophie.

Sarah Langoth

Mittlerweile bin ich zwar verlobt und nun häufig bei meinem Freund in der Wohnung, aber sonst war der Wagen immer mein Zuhause. Obwohl mein Leben für manche ungewöhnlich ist, bin ich auch ein ganz normaler Mensch, der abends mit Freunden zusammensitzt und mal gute und mal schlechte Laune hat. Ich dränge mich nicht auf – ich weiß natürlich, dass der Essenstisch keine Bühne ist. 

 

Die Schattenseiten

 

Natürlich gibt es auch als Clownin nicht immer nur Grund zu lachen. Es gibt Tage, an denen ich einfach keine Lust darauf habe, mich auf der Bühne zu verkaufen. „Heute wäre es schön in einem Büro zu arbeiten, in dem sich keiner für mich interessiert“, denke ich dann. Meine Arbeit ist zudem ein Saisongeschäft – zwei Extreme treffen aufeinander: Entweder bin ich nur unterwegs oder nur zu Hause. In diesem Jahr habe ich zum Beispiel eine dreimonatige Sommertour gemacht, im Herbst und um Ostern bin ich meist auch noch mal auf Tour. Klar, fünf Nächte in fünf verschiedenen Betten, das kann zwar spannend sein, aber irgendwann reicht es auch. Diese Art zu leben stellt Freundschaften und Beziehungen auf eine harte Probe. Ich habe gerade drei Orte, an denen ich mich zu Hause fühle. Manchmal vergesse ich an einem Ort Requisiten, die mir dann bei einem späteren Auftritt fehlen. Mittlerweile habe ich mir vieles einfach doppelt zugelegt.

 

Das gesellschaftliche Ansehen

 

Die meisten Menschen schätzen meine Arbeit, aber es gibt schon ein paar, die sagen: „Ja, die Sophia macht da halt ein bisschen Zirkus und kommt schon irgendwie über die Runden.“ Wenn sie dann aber mal auf einem meiner Auftritte waren, sind sie meist beeindruckt. Darstellende Künstler wie ich werden eben immer ein Stück weit bewundert und belächelt. Wenn ich unbedingt ernst genommen werden will, gebe ich mich natürlich anders. 

 

Das Geld

 

Die bis zu 3800 Euro brutto verdiene ich nicht nur ausschließlich mit meinen Auftritten als Clownin. Da sind Einnahmen aus meiner gesamten Auftrittspalette eingerechnet und auch das, was ich als Dozentin für Zirkuspädagogik verdiene. Es gibt Monate, da verdiene ich ganz viel und solche, in denen ich gar nichts bekomme. Um auf 3800 Euro zu kommen muss, ich aber wirklich alles geben. Natürlich macht es mir Sorgen, dass mein Einkommen so variiert, wenn mal etwas passiert oder ich krank werde, dann wäre das leider blöd.

 

Die Rolle der Clownin

 

In meiner Rolle als „Luzia Meerpohl“ strippe ich sogar, das ist so eine Burlesquegeschichte. Auch das bedeutet für mich Clown-Sein, aber halt nicht mehr in der traditionellen Rolle des dummen August. Luzia scheitert eben am Strip. Außerdem ist es mir wichtig, den weiblichen Körper zu entpornografisieren. Noch ist die Clownwelt schon eher eine Männerdomäne, zumindest wenn es um Erfolg geht. Aber die Frauen holen auf, gerade auch aus meiner Generation kommen jetzt ganz viele Clowninnen nach. Bei vielen liegt es vielleicht daran, dass sie ihre Karriere wegen des Kinderkriegens beenden müssen. Grundsätzlich ist man fürs Clown-Sein nie zu alt, für das Herumtouren vielleicht schon. Der Clown an sich wird mit dem Alter eigentlich eher besser, weil er schon so oft gescheitert ist.

 

Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird

 

Die meisten Leute sagen: „Echt, was? Erzähl mal!“ Es kommt auch immer wieder vor, dass jemand fragt: „Kannst du mal was Lustiges machen?“ Doch auf so was lasse ich mich eigentlich nicht ein. Als ich mal gar keine Lust auf lange Erklärungen hatte, habe ich einfach erzählt, dass ich Lehramt studiere. 

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