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1500 Euro brutto für den Baumpfleger

Foto: Privat / Bearbeitung: jetzt

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Wie sieht der Arbeitsalltag eines Baumpflegers aus?

Das ist schwierig zu beschreiben, es gibt verschiedene Sparten in der Baumpflege. Entweder bekommen wir große Ausschreibungen, oft von der Stadt. Da geht es um Kindergärten, Parks oder Friedhöfe. Oder eben kleine private Ausschreibungen, oftmals für Arbeiten im Garten. Ein typischer Auftrag ist es dann, Totholz aus den Bäumen herauszunehmen, etwa wenn Personen dadurch in Gefahr sind oder ein Haus darunter steht.

Überall, wo man dabei mit der Hebebühne hinkommt, verwenden wir diese. Ansonsten müssen wir klettern. Unsere Ausrüstung ist ähnlich wie die beim Felsklettern: Wir haben Seile, Achter und Karabiner dabei. Zum Klettern benutzen wir immer eine Leiter, wenn man den ersten Ast damit erreichen kann. Wenn das nicht geht, schießen wir ein Seil über einen Ast relativ weit oben. Entweder, indem man es wirft oder eine Steinschleuder mit einem Wurfsack verwendet. An diesem Seil können wir uns dann selbst sichern. 

Ist das nicht ein ziemlich gefährlicher Job?

Auf den ersten fünf Metern ist das Verletzungsrisiko am höchsten – auch wenn man gesichert ist. Viele sichern sich aber aus Leichtsinn nicht. Besonders gefährlich sind tote Äste. Ich kenne keinen Baumpfleger, der sich noch nicht verletzt hätte bei der Arbeit. Das ist mir auch schon passiert, ich bin vier, fünf Meter abgestürzt – habe mir aber zum Glück nur den Knöchel verstaucht. Und während ich gefallen bin, habe ich laut meinen Kollegen den Baum beschimpft (lacht).

Unsere Arbeit hängt auch stark vom Wetter ab: Wenn es nass ist, steigt das Unfallrisiko. Deswegen haben wir bei Regen frei – das kostet uns dann aber den Lohn oder den Urlaub. Aber das Nichtstun ist nach einer harten Woche auch manchmal gut. Von Januar bis Februar macht unsere Firma wegen des Wetters zu, in dieser Zeit beantragen wir dann Arbeitslosengeld.

Wie lange dauert es, einen Baum zu schneiden?

Zu zweit arbeitet man oft einen ganzen Tag an einem Baum, wenn er mehr als zwanzig Meter misst. Man sichert sich selbst und hangelt sich von oben nach unten und schneidet mit der Handsäge die Äste ab, die wegmüssen. Normalerweise verwenden wir Handsägen und Zwicker, Motorsägen eher selten. Wir fällen einen Baum nur, wenn er einen Stammschaden hat oder eine Gefahr darstellt, etwa durch herabstürzende Äste. Dann muss man einen Fällantrag stellen und die Umweltbehörde beurteilt, ob man den betroffenen Baum im nächsten Herbst fällen darf. In München dürfen wir außerdem während der Brutzeit von Vögeln – also von März bis Oktober – keine Bäume fällen, die mehr als 80 Zentimeter Stammumfang haben. Das geht nur mit einer Genehmigung. Im Herbst fällen wir auch nur, wenn der Stammumfang weniger als 80 beträgt - außer Obstbäume, die darf man immer fällen.

Wie bist du auf den Beruf gekommen?

Das war totaler Zufall. Ich hatte privat ein bisschen Stress und das Studium der Sozialen Arbeit abgebrochen. Da habe ich zufällig zwei Kletterer in einem Baum gesehen und fand das cool. Mein Vater kennt den Zweitchef meiner Firma. Zuerst war es ein Sommerjob und dann bin ich hängen geblieben.

Wie arbeitet ihr in der Coronakirse?

Mit Corona haben wir viel weniger Privataufträge und arbeiten mehr für die Stadt. Das ist schon eher Akkordarbeit, bei den Stadtaufträgen muss es schnell gehen und man hat nicht so viel Zeit für den einzelnen Baum. Damit wir aber trotzdem die Bäume nicht unnötig beschädigen, schaut immer ein Gutachter drüber. Bei diesen Aufträgen ist das Aussehen des Baumes nicht so wichtig, sondern die Straßenverkehrssicherheit muss gewährleistet sein. Das heißt, wir müssen das Totholz entnehmen, wenn dadurch Menschen verletzen werden könnten, die darunter laufen. Oder wir müssen zu niedrige Äste entfernen, damit LKW darunter fahren können.

Was verdienst du als Baumpfleger?

Das ist bei mir ein wenig kompliziert. Ich mache zusätzlich eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner. Deswegen ist mein Lohn niedriger als normalerweise in dem Beruf. Im Jahr habe ich elf, zwölf Wochen Schule. Immer, wenn ich Unterricht habe, werde ich nicht bezahlt. Statt den üblichen 160 Stunden im Monat arbeite ich nur 110. Damit komme ich dann im Monat auf etwa 1500 Euro brutto.

Nebenbei machst du noch eine Ausbildung – wie läuft das ab?

Mein Ziel ist es, die Qualifizierung zum European Treeworker zu machen, das ist eine Art international anerkannter Meistertitel in unserem Beruf. Dafür braucht man fünf Jahre Berufserfahrung. Deswegen mache ich noch die Ausbildung zum Landschaftsgärtner. Denn Baumpfleger ist kein anerkannter Beruf. Dadurch spare ich mir zwei Jahre, bis ich als European Treeworker arbeiten kann. In der Ausbildung eigne ich mir aber auch wirklich cooles Wissen an. Ich bin ein Stadtkind – ich habe vielleicht einmal in der dritten Klasse Bäume durchgenommen und erkenne einen Ahorn. Aber wie viele verschiedene Ahornarten es gibt und wie sie sich unterscheiden, das lerne ich jetzt in der Ausbildung. 

Welche Situationen sind einzigartig als Baumpfleger?

Es passieren schon immer mal wieder echt lustige Dinge. Wenn man zum Beispiel im Baum sitzt und im vierten Stock des Hauses nebenan trällert jemand in der Dusche. Und dann siehst du halt morgens erstmal einen völlig fremden Mann nackt oder so (lacht). Ich habe auch schon eine Tasse Kaffee aus dem Fenster im dritten Stock gereicht bekommen.

Was gefällt dir an deinem Beruf besonders gut?

Warum ich jeden Morgen um halb sechs aufstehe? Es ist schon ziemlich geil, wenn du 18, 20 Meter selbst hochkletterst, einen super Ausblick auf München hast und die Berge siehst, die Vögel um dich herum zwitschern. Man hat einen Adrenalinrausch und am Ende schaut dein Baum auch noch gut aus. Abends gehe ich ins Bett und weiß, was ich geschafft habe. Und vielleicht bin ich eines Tages so gut, dass ich einen Baum von Pilzkrankheiten befreien kann. Ich bin kein Mensch, der Sachen macht, die mir nicht taugen. Nach der Ausbildung will ich noch viel mehr klettern und Fortbildungen machen. Ich kann mir keinen Beruf vorstellen, bei dem ich im Büro sitze – ich bin ein fauler Mensch, da würde mich zu viel vom Arbeiten ablenken. Klar, im Herbst verfluch ich’s, wenn ich mir den Hintern draußen abfriere. Aber so komme ich an die frische Luft.

Durch meine Arbeit ist mir eines klar geworden: Schützt die Bäume! Die machen so viel für uns und bereichern unser Leben, ohne, dass wir es überhaupt merken. Deswegen sollte man sie unbedingt schützen und nicht gleich fällen, weil sie zu viel Schatten machen.

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