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600 Euro brutto für den Zweiradmechatroniker in Ausbildung

Foto: Privat / Bearbeitung: jetzt

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Wie sieht dein Alltag als Zweiradmechatroniker aus? 

Ich komme um 9 Uhr in die Arbeit, trinke einen Kaffee und dann gehe ich an meine Werkbank. Da baue ich dann entweder Neu-Räder auf oder mache Reparaturen.

Wie bist du Zweiradmechatroniker geworden?

Ich habe davor eine Ausbildung zum Elektroniker gemacht, habe dann aber schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist. Ich wollte etwas machen, das wirklich zu mir passt. Auf die Idee, Zweiradmechatroniker zu werden, bin ich durch meine Mum gekommen: Sie war sauer auf mich, weil ich mal wieder in der Küche mein Fahrrad reparierte. Sie meinte dann: „Mach das doch irgendwo beruflich!“ Die Ausbildung zum Zweiradmechatroniker dauert offiziell dreieinhalb Jahre. Mit einem guten Notendurchschnitt kann man auf drei Jahre verkürzen. Weil Fahrräder heutzutage immer öfter auf elektronische Systeme zurückgreifen, ist die offizielle Berufsbezeichnung nicht mehr Zweiradmechaniker,  sondern Zweiradmechatroniker. 

 

Wie viel verdienst du im Monat? 

Um die 600 Euro brutto. Das steigt dann mit jedem Lehrjahr. Das Gehalt ist tariflich geregelt. Trotzdem gibt es natürlich von Betrieb zu Betrieb Unterschiede nach oben: Ich habe Leute in der Klasse, die verdienen 1200 brutto im ersten Lehrjahr. Im ersten Jahr, nachdem man ausgelernt hat, beträgt das Einstiegsgehalt etwa 1000 bis 1200 Euro. Ein Jahr später verdient man dann nochmal ein bisschen mehr.

Welche Fähigkeiten sollte man mitbringen, wenn man als Zweiradmechatroniker*in arbeiten möchte?

Theoretisches Verständnis in Physik und Mathe, habe ich gemerkt (lacht). Gerade in der Berufsschule müssen wir zum Beispiel viele Hubraumberechnungen machen. Man muss auch viel über Öl und Festigkeiten von Materialien wissen. So etwas wie die Erdbeschleunigungskonstante sollte dir schon etwas sagen, damit du zum Beispiel Fliehkräfte berechnen kannst. Handwerkliches Geschick braucht man auch auf jeden Fall. Außerdem sollte man gut improvisieren können, beziehungsweise auch ‚Fummelarbeiten‘ machen können.

Was gefällt dir an deinem Beruf? Warum hast du dich für diesen Beruf entschieden?

Ich mache etwas beruflich, was ich seit Jahren selber als Hobby mache. Ich merke in der Ausbildung, dass ich mich selbstständig immer weiterbilde. Eben weil es mich wirklich interessiert. Mittlerweile könnte ich stundenlange Kundengespräche führen. Die Fahrradbranche ist eine Branche, die immer weiter wächst. Die E-Bikes waren ja in den letzten Jahren die größte Revolution für den Fahrradmarkt. Es kommen immer wieder neue Produkte auf den Markt und die Branche entwickelt sich konstant weiter, sodass es eigentlich nie langweilig wird.

Ist es eher ein Vor- oder ein Nachteil, wenn Job und Hobby so nah beieinander liegen? 

So und so. Ich fahre selbst BMX. Damit habe ich in der Arbeit kaum zu tun. Da habe ich normale Fahrräder mit Bremse und Schaltung oder eben richtig sportliche Downhiller oder E-Bikes. Am Anfang habe ich den Beruf und die Lehre komplett unterschätzt. Ich habe mich gefragt, warum man dafür eine dreieinhalbjährige Ausbildung braucht. Mittlerweile finde ich die Zeit eher knapp. Ein bisschen Vorerfahrung ist auf jeden Fall hilfreich. Ich glaube aber sowieso nicht, dass sich jemand für den Beruf entscheidet, der noch nie auf einem Fahrrad gesessen hat oder sich überhaupt nicht dafür begeistern kann.

Welche Herausforderungen bringt dein Job mit sich?

Ich bin ja nicht nur Mechaniker, sondern ich muss auch verkaufen. In dem Betrieb, in dem ich arbeite, gibt es keine eigens ausgebildeten Verkäufer. Deshalb bin ich sozusagen Mädchen für alles und muss für jeden Kunden das richtige Fahrrad finden, in der richtigen Größe, für seinen Einsatzzweck. Als Mechaniker hast du außerdem eine gewisse Verantwortung. Wenn du ein Fahrrad reparierst, bist du im Grunde verantwortlich dafür, dass der Typ sich nichts bricht, weil plötzlich das Vorderrad rausfällt oder so. Das ist als Lehrling noch nicht so die Aufgabe, weil der Meister natürlich immer noch ein Auge auf deine Arbeit hat. Aber wenn du eine eigene Werkstatt führst oder als Geselle arbeitest, dann ist das natürlich eine krasse Herausforderung, sicherzugehen, dass den Kunden auf deinen Rädern nichts passiert.

Was sind typische Kundenfragen? 

Wenn es um E-Bikes geht, höre ich vor allem eine Frage immer wieder: „Wie weit komme ich denn mit dem Akku?“ Oder: „Gibt’s das E-Bike denn nicht mit einem größeren Akku?“ Viele denken: Je größer die Reichweite, desto besser das Fahrrad. Was die meisten aber nicht bedenken: Mit den Akkus kommt man mittlerweile zwischen 70 und 140 Kilometer weit. So eine hohe Kilometerleistung muss man erstmal aushalten. Als Gelegenheitsradfahrer hast du dabei vermutlich ziemliche Schmerzen im Hintern. Ein größerer Akku ist also nicht immer sinnvoll.

Welche Fahrräder werden derzeit am meisten gekauft? 

Ich kann da natürlich nur für den Betrieb sprechen, in dem ich arbeite. Viele Leute fragen nach Gravelbikes, das scheint gerade ein ziemlicher Hit zu sein. Wir sind allerdings vor allem auf Trekkingräder, Mountainbikes und Sporträder spezialisiert. E-Bikes sind natürlich nach wie vor ein totaler Trend. Etwa 70 Prozent der Trekkingräder und 50 Prozent der Mountainbikes, die wir verkaufen, sind mittlerweile E-Bikes. Es ist definitiv nicht so, dass nur ältere Menschen E-Bikes kaufen. Auch für sportliche Fahrer kann ein E-Bike durchaus sinnvoll sein: Man kann das gleiche Training absolvieren wie mit einem normalen Rad, nur der Radius wird deutlich größer. Man kann zum Beispiel leichter mal auf einen Berg fahren, ohne dass man sich total verausgaben muss.

In Zeiten von Klimaerwärmung und Umweltschutz steigen immer mehr Menschen vom Auto aufs Fahrrad um. Hat sich das Geschäft dadurch in den vergangenen Jahren verändert?

Jein. Die meisten Kunden kommen ja immer noch mit dem VW-Bus, um ihr Rad abzuholen. Was die E-Bikes angeht, ist der Umweltschutzaspekt auch ein zweischneidiges Schwert. Wegen der Lithium-Akkus. Es ist natürlich umweltfreundlicher als mit dem Auto. Lithium ist allerdings kein besonders nachhaltiger Rohstoff. Der Vorrat ist sehr begrenzt und der Abbau wenig nachhaltig. Ich warte noch auf eine alternative Technologie, die wirklich nachhaltig ist.

Welche Frage wird dir immer gestellt, wenn du von deinem Beruf erzählst?

„Warum dauert die Ausbildung dreieinhalb Jahre? Was lernt man da?“ Also genau das, was ich mich anfangs auch gefragt habe. Oder: „Ich hab da was, kannst du da mal drüber schauen?“ Schwarzarbeit kommt für mich aber grundsätzlich nicht in Frage. Für meine Schwester oder so repariere ich aber natürlich schon mal ein Rad. Meine Freunde machen sich da mittlerweile einen Spaß draus: Wir waren neulich unterwegs und einer Frau ist vor unseren Augen das Fahrrad verreckt. Meine Freunde schreien in solchen Situationen dann immer: „Michi ist Fahrradmechaniker!“ 

Welche Aufstiegschancen gibt es?

Da gibt es richtig viele Möglichkeiten. Nach dem Gesellen kannst du den Meister machen. Als Meister darfst du dann ausbilden und deine eigene Werkstatt führen. Mit einem Meisterabschluss oder mit einem Abschluss der Berufsoberschule hätte man dann auch die Möglichkeit zu studieren. Man kann aber natürlich auch an der Berufsschule unterrichten oder Fachwirte machen. 

 

Hat die Corona-Krise deinen Berufsalltag beeinflusst?

Ich glaube die Fahrradbranche ist eine der wenigen Branchen, die so richtig profitiert von der Corona-Krise. Wir sind so leer gekauft, wie es normalerweise nur im Winter der Fall ist. Für viele fällt dieses Jahr der Urlaub aus und sie haben Geld übrig oder sie möchten sich mehr bewegen, weil sie viel zu Hause sitzen. Dadurch fährt jetzt so ziemlich jeder Fahrrad. Das merkst du sowohl im Verkauf als auch in der Werkstatt. Nachbestellen ist schwierig, weil die Firmen jetzt schon das Modell für nächstes Jahr vorproduzieren. Einige Firmen mussten wegen der Corona-Krise außerdem für mehrere Wochen ihr Werk schließen. In der Fahrradbranche bestellst du normalerweise nur einmal im Jahr die Fahrräder. Man muss also schon im Voraus kalkulieren, wie viele Räder man übers Jahr verkauft.

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